Samstag, 13. Juli 2013

Horremer Abendlauf

Der gestrige Tag hielt zwei große Herausforderung bereit:
1. Unser Kater musste zur Impfung   und
2. Der Horremer Abendlauf wollte absolviert sein.

Nr. 1 war insofern fordernd, als unsere Fellnase sich nicht freiwillig in eine Box setzen lässt. Doch wie im Läuferleben auch, so half hier zielorientiertes Training unter Einbeziehung seiner individueller Motivationsprioritäten. Will sagen: Für Leckerlis tut er alles, marschiert sogar nach einer Woche entsprechendes Trainings dann doch in die Kiste. Nr. 1 war also erledigt.

Nr. 2 hatte natürlich mit noch mehr Training zu tun und ich war gespannt, wie es sich so nach dem 10'er am Sonntag zuvor anlassen würde. Das Wetter war uns jedenfalls freundlich gesonnen, knappe 20 Grad und Wind.
Bei unserer Ankunft können wir gerade den Start des 5-km-Felds mitverfolgen und den freundlichen Worten der Bürgermeisterin lauschen. Und schon nach wenigen Minuten läuft bereits die Spitze des 5'er-Feldes ein. Gelegenheit, Laufstudien zu betreiben. Da gibt es Läufer, deren Lauf geschmeidig, kräftig und Blick zielgerichtet nach vorn geht. Und gleich daneben läuft einer optisch völlig unrund, manchmal mit Anleihen bei Watschelenten - und dennoch, beide kommen mit fast gleicher Zeit ins Ziel. Das wird mir ewig ein Rätsel bleiben...
Wir laufen uns ein wenig ein.
Währenddessen füllt sich der Marktplatz weiter gut, denn dank der Wurstbratereien und der Biertische und -bänke entstandenen Biergartenatmosphäre zieht das Ereignis nicht nur typisches Läufervolk an.
Gegen 19 Uhr macht sich das knapp 450 Teilnehmer starke Hauptlauffeld startklar. Der Blick auf die Laufshirts verspricht ein buntes Läuferpanoptikum: Da stehen "...-Wahnsinn" und "...Power" nebeneinander, "Alpenglühen", "Laktatkönige" und "Krabbelgruppe ....". Und "die Feuerwehr löscht alles"!

Zunächst geht es einige 100m noch durch ruhige Anliegerstraßen, hier u.a. unterstützt durch kräftiges, aber schräges Posthorntuten eines älteren Musikindividualisten. Dann biegen wir ab in den schattigen Wald. Hier überholt mich der mir schon am vergangenen Sonntag aufgefallene Läufer des Diabetes-Programms wieder, ich werde ihn erst im Ziel wiedersehen.
Ansonsten ist auf den ersten km das Mittelfeld noch recht eng beieinander. Mein Tempo pendelt sich bei knapp über 5:30 Min/km ein. Bei km 3,5 die erste Wasserstelle, viele, wie auch ich, nehmen das nicht zu kühle Nass dankbar an. Nun schließt sich die lange Gerade durch ein Wohnviertel an. Während der Wind kräftig entgegenpustet, kann man allerlei unterschiedliche Publikumstypen studieren:

Die Begeisterten:
-stehen klatschend am Straßenrand, setzen Rasseln, Tröten, Glocken und ähnliche lautgebende Utensilien ein, worüber sich jeder Läufer freut.

Die Schweigsamen:
- stehen mit undurchdringlichen Mienen am Straßenrand, zeigen möglichst keine Emotion, als seien sie fast eher zufällig hierhin zwangsversetzt.

Die traditionellen Anlieger:
- wenn schon vor der eigenen Haustür etwas passiert, dann muss das mitverfolgt werden! Man öffnet das Fenster zur Straße, legt ein großes weiches Kissen auf die Fensterbank und darauf den Oberkörper gemütlich in einer so geschaffenen temporären Relax-Position ab. Wenns gut läuft, werden zuvor noch Lautsprecher in Position gebracht und Musik erklingt, so haben auch die Läufer etwas davon.

Die Stimmungsmacher:
- Steigerungsform im Anliegerbereich. Balkon- bzw. Terrassensitzmöbel werden vor dem Haus in Stellung gebracht. Die Versorgung mit Getränken und Nahrungsmitteln ist bestens organisiert. Gestern sah man sogar Stimmungsmacher mit Sternchen: Dort waren die Namen von teilnehmenden Freunden, Verwandten und Bekannten mit bunter Kreide nach Tour-de-France-Manier auf den Asphalt geschrieben. Gern strecken sich Kinderhände zum Abklatschen ins Läuferfeld :-)

Die Coolen:
- sitzen auf Designerstühlen vor dem Haus und tippen auf ihren Smartphones herum. Sind meist jünger. Aber warum muss man sich zum sms'en oder surfen extra Stühle auf den Gehsteig stellen, wenn man sich sowieso nicht für den Lauf interessiert...?

Kurz vor km 5 steht eine Trommlergruppe und sorgt für brasilianische Stimmung bei den Teilnehmern und Zuschauern. Auf geht's in die zweite Runde. Gern würde ich ja beim Ziel, das wir hier einmal durchqueren, einfach ausscheren, aber aufhören ist nicht, die zweite Runde steht an. Trotz der Anstrengung hat sich inzwischen der Körper eingelaufen, der Puls liegt bei knapp über 160. Der Postillion steht immer noch schmetternd auf seinem Posten.
Im Wald sehe ich plötzlich einen Knirps ein gutes Stück vor mir laufen.
Von hinten der Ruf "Der Junge da vorn soll stehenbleiben!"
Antwortet jemand "Ist das Tom?"
"Ja-haaa!"
"To-om, bleib steeee-hen!"
Tom dreht sich kurz um, er scheint mir vielleicht 7 oder 8 Jahre alt zu sein, also für diesen Lauf gar nicht zugelassen, und antwortet kurz, prägnant und selbstsicher "Nö!" und läuft weiter.
Anscheinend hat er beim Schülerlauf soviel Spaß an der Sache bekommen, dass er nicht zu bremsen ist.

Ca. bei km 6 laufe ich langsam auf eine Gestalt auf. Zuerst vermute ich einen älteren Mann, doch beim Näherkommen ist es eine Seniorin. Sie läuft ihren Stiefel, doch als sie mich bemerkt setzt sie alles daran, sich nicht überholen zu lassen. Jedesmal, wenn ich knapp neben ihr bin, legt sie eine Winzigkeit zu. Ich laufe am Anschlag und möchte daher mein Pulver hier nicht verschießen. Andererseits passt so die Pace auch für mich. So laufen wir bis ins Ziel, ich von ihr gezogen, sie von mir geschoben. Diesmal habe ich in Zielnähe allerdings keine Energie mehr für einen Endspurt, sie kann sich ein paar Meter absetzen. Doch wie ich vermute, und mir nachher auch die Resultateliste  bestätigt, ist meine Endzeit schneller, da sie einige Sekunden vor mir gestartet war. Allerdings - Chapeau- sie ist W 65!

Ich erreiche das Ziel leider nicht in neuer persönlicher Bestzeit. Ok, aber das spornt dann nur an.
Ich bin 50. Frau von 108 und 5. in meiner AK, in der nächsthöheren W55 hätte ich gewonnen! Was für eine tolle Perspektive zum älter werden :-)

Nachdem ich im Ziel meine Puste wiedergewonnen habe, hole ich bei der Kleideraufbewahrung unsere Sachen ab. Dort erhält jeder Teilnehmer als Erinnerung ein Kölschglas. Für Nicht-Rheinländer: Das sind Gläser mit 0,2 l Fassungsvermögen, also genau richtig für ein paar Schluck kühles, frisches Bier, das in rheinischen Kneipen dann gleich wieder ebenso frisch nachgeschenkt wird, kölsches Qualitätsmanagement quasi.
Lustigerweise ist aber der Zielbogen gesponsert von einer bayerischen Brauerei, was in der hiesigen Kölschbierhochburg schon recht bemerkenswert erscheint. Ich schlendere zurück, um dies noch fotografisch zu dokumentieren:


Erst bei Sichtung des Fotos erkenne ich, dass ich da gerade Tom bei seinem Zielspurt erwischt habe.
Aus dem wird mal ein echter Kämpfer!

Endzeit 55:53 Min., Durchschnittstempo 5:35 pro km, Pulsdurchschnitt 160
19-20 Grad, windig


2 Kommentare:

  1. Umfangreiche Studien von Zuschauern und Läufern hast Du da betrieben und ganz nebenbei noch ein ordentliches Tempo vorgelegt.

    Zuschauer in Else Stratmann-Manier auf Kissen aus dem Fenstern lehnend gehören ja in Eure Gegend ;-)

    Tolles Ergebnis! Das Kölschglas ist verdient, wenn mir auch das Bayrische Traditionsgetränk lieber wäre und das bitte nicht aus so kleinen Gläsern ;-)

    Hat der Kater gemerkt, dass er überlistet wurde? Die können ja manchmal recht nachtragend sein :-D

    Liebe Grüße und einen guten Wochenstart
    Volker

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    1. Hallo Volker,
      ich muss mal drauf achten, ob man sich in anderen Regionen auch so auf'm Kissen aus dem Fenster lehtn oder nicht. Hier ist das üblich, zumindest unter den Alteingesessenen.
      Ich trinke eher kein Bier, aber wenn, dann ist mir schon ein frisches Kölsch lieber als so ein nachher abgestandes aus einer anderen Gegend.
      Natürlich hat's der Kater gemerkt und dann lauthals (Resonanzkörper hat er genug) protestiert.
      Aber schon am nächsten Tag, ich habs einfach mal ausprobiert, ist er schon wieder den Leckerlis in die Box hinterher geklettert. Naja, er ist nicht der hellste, aber süüüüß!
      Liebe Grüße
      Elke

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