Donnerstag, 7. August 2014

Endlich ... mit Selbstbedienung

Endlich komme ich heute dazu, unbehelligt von Gewittern zu laufen. Und endlich gelingt es mir sogar, meinen persönlichen Knackpunkt auf der Runde, den fordernden Kirchhügel des Nachbardorfes nach laaanger Zeit wieder einmal laufend zu bezwingen - heißa! So laufe ich gemütlich und locker eine 14-km-Runde (nach der Garmin meines Mannes wären es 15) bei bester Temperatur und erfrischendem Wind auf unserer Hochebene mit schöner Aussicht.
Doch noch schönere Aussichten hatten wir gestern, auf einer Wanderung mit Überraschungen.

Mich hatte schon länger ein Abstecher zu einem ehemaligen Kurbad in einem Seitental das Simmentales im Berner Oberland interessiert. Ein Kurbad mit über 400-jähriger Geschichte, das inzwischen allerdings verfallen und fast vergessen ist.
Der Ort Weissenburg ist heute nur noch ein kleiner Weiler in einem engen Teil des Tales, der Autofahrer durch die enge Doppelkurve an schneller Fortbewegung hindert. Doch war im Kurbad, knapp 1/2 Stunde Fußweg abseits, sogar schon die holländische Königin Wilhelmine zu Gast (Link).

Wir gehen gemütlich einen Waldweg leicht hinauf und stehen schon bald auf einer Lichtung. Fotos zeugen vom ehemaligen Glanz des vorderen Kurhauses, von dem im Hintergrund die letzten Überreste, 3 Fensterbögen, erkennbar sind. Heute von einem Verein erhalten und das umliegende Areal ein wenig hergerichtet, sogar mit Grillplatz.
Wenige Gehminuten weiter befindet sich der noch ältere Teil, das hintere Badehaus, wo ab 1604 die Quelle genutzt wurde.


Dorthin gelangt man über einen lauschigen Pfad, neben dem die Quellwasserleitung (im Bild oben am Fels entlang) verläuft.





Nach dem Niedergang des Kurbetriebes wurde das Weissenburger Wasser noch abgefüllt und landesweit als Mineralwasser verkauft. Doch das Quellvolumen reichte für betriebswirtschaftlich agierende Konzerne nicht aus, und so wurde auch diese Nutzung Ende der 1980'er Jahre eingestellt. Heute kann man allerdings am Bahnhof in einem kleinen Holzpavillon das Quellwasser, das sehr gut schmeckt, für eigenen Bedarf abfüllen.


Auch am älteren, hinteren Teil des Bades gibt es Hinweise historischer Art. Fotografisch war es gerade weniger interessant, da das ganze Areal eine Großbaustelle ist. Man geht derzeit daran, die restlichen Ruinen freizulegen und den weiteren Verfall zu stoppen.






Soweit war das Ziel unserer Wanderung damit erreicht. Doch Hinweisschilder auf eine prähistorische Höhle nur 1:40 Std entfernt locken uns, sowie Hinweise auf eine sehenswerte neue Brücke unterwegs.




Somit geht es weiter auf wunderbar schattigen Wegen gleich neben der Buusche, einem Zufluss der Simme.









Die Nähe zum Wasser sorgt für erfrischende Temperaturen. Doch nicht lange, denn bald erwarten uns wadenfordernde Anstiege über waghalsig an die teils fast senkrechten Felswände montierten Stege und Treppen.







Wie so oft staune ich über die Konstruktionen, die hier erstellt wurden, damit der Wanderer seine Wege gehen bzw. klettern kann.

Allerdings scheint dies kein sehr intensiv begangener Weg. Uns begegnen am ganzen Tag nur 5 Wanderer.






Je höher wir steigen, umso schwächer wird die Kühlung durch den Bach und umso wärmer wird es.
Hätte ich doch meine Bergstöcke mitgenommen!

Kein Ende in Sicht,
immer noch eine Leiter
und noch ein Steg
und noch eine Rampe.






Doch dann schaue ich in die Höhe
und kann es kaum fassen:





Über meinem Kopf sehe ich den weiteren Verlauf des Weges,
eine Hängebrücke!















In atemberaubender Höhe über den steilen Talhängen prangt dieses neu errichtete Werk moderner Baukunst.










Doch noch nicht genug der Überraschungen. Da, wo der Wanderweg/-steg zur Brücke schwenkt, steht dieses:






Ein Selbstbedienungsverpflegungspunkt für Wanderer! Es gibt von der Familie der Leiternweide selbst hergestellte Marmeladen, Kuchen, Sirup, Trockenobst. Und sogar Kräuter-Holunder-Eistee! Wenn einem da nicht das Wasser im Munde zusammenläuft!




Alles sehr liebevoll gestaltet. Für mich sehr ungewöhnlich, die Preisgestaltung:

Nun denn, wir lassen uns den köstlichen Eistee und Nusskuchen schmecken und nehmen auch für daheim Marmeladen und Holundersirup mit.
Doch dann wartet auf uns das Abenteuer Hängebrücke!





















Schwindelfrei sollte man wohl sein, unter dem Gitter sieht man das wilde Wasser strömen. Dazu kommen die Schwingungen der an Stahlseilen hängenden Brücke. Dennoch - ich habe mit beidem kein Problem und finde den Gang auf schwankenden Gitterrosten sehr reizvoll.








Und was erwartet uns am Ende der Brücke?
Das nächste Selbstbedienungs-Warenangebot regionaler Produkte...







Schauen wir also in das Holzkistlein links im Stand.


Alpkäse, vom Erzeuger transportfreundlich sinnvoll vakuumverschweißt.

Und mit kleinem moralischen Appell an die Kundschaft. Wir nehmen ein kleineres Stück mit und entrichten unseren Obolus.

Und da das Portemonnaie gerade draußen ist, werfen wir auch noch einen freiwilligen Brückenzoll an der Brücke ein.





Weiter geht es hinauf zur angekündigten Höhle. Beziehungsweise zu "den", denn inzwischen erkennen wir auf den Wanderwegweisern deren drei.
Als erstes gelangen wir zum Zwärgliloch.
Dort gibt es sogar einen Grillplatz mit Tisch und Bänken, ja und -potzblitz- das Holz liegt bereit, das jedermann nutzen darf. Ob hier die Zwerglein am Werk waren? Als Kölner sind einem ja die Heinzelmännchen durchaus nicht unbekannt und bisher dachte ich immer, wir hätten sie erfunden...






Das Schnurenloch haben wir verpasst. Wir stoßen zwar auf eine Höhle, verkennen aber, dass es nur eine Passage ist und man diese hätte durchqueren müssen und erst dahinter die eigentliche Höhle wäre.

In Anbetracht des hier schon vorhandenen rutschigen Matsches und der durch diesen zu absolvierenden Steigung empfinde ich das allerdings nicht als Verlust.

Es folgt ja noch das Mamilchloch...





Der Einstieg wird dem Interessierten mit einer Leiterkonstruktion erleichtert. Zur Höhlenbeleuchtung gibt es sogar ein Solarmodul und innenliegende Leuchten. Denn diese Höhle führt weiter in den Fels hinein.
Leider funktioniert das Licht nicht, sehr zum Leidwesen meines eidgenössischen Ehemannes, der nur allzugern erkundet hätte, was sich hier so findet. Doch seine leuchtenden Augen reichen nicht zur hinreichenden Erhellung aus.
Zudem sagt die Erläuterung, hier seien Bärenknochen eines Tieres von 2,50 m Höhe gefunden worden. Zwar ca. 50.000 Jahre alt, aber wer weiß, ob nicht doch ganz hinten in der Höhle noch ein Meister Petz lauert...?

So steigen wir wieder die Leiter hinab.
Der Weg war teils steil, rutschig, und extrem schweißtreibend.

Auf geht es zurück nach Weissenburg.





Vorbei an wunderschönen und teils prunkvoll verzierten Bauernhäusern.
Zur Rückwand dieses Hauses gehören die im ersten Bild ganz oben zu sehenden Butzenscheiben.









Wie man sieht, wird auch heute noch die alte Holzbautechnik gepflegt und angewandt.







Und selbst die kleinsten Holzhäuschen sind liebevoll dekoriert... :-)






22 Grad, 14,2 km, 1:33:39, (6:34 Min/km), 
Puls 135

18 Kommentare:

  1. Tolle Gegend! Herrlicher Urlaub!
    Vor weiteren Höhlenexpeditionen empfehle ich die Installation einer Taschenlampen-App auf dem Smartphone ;-)

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    1. Ja, danke, uns gefällt es auch immer wieder hier.
      Taschenlampen-App - die geht ja auch nur so lange, wie der Akku es zulässt, und wahrscheinlich im hintersten Winkel ist Sense... und dann startet so eine Rettungsexpedition wie neulich... Da ist doch im Wald wandern viel gefahrloser!
      Liebe Grüße
      Elke

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  2. Liebe Elke,
    wow, erst den Kirchhügel gewitterfrei bezwungen und dann noch so eine tolle Wanderung! Die Hängebrücke ist faszinierend! :D

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    1. Liebe Doris,
      ja es läuft! Die Brücke war wirklich ein Erlebnis...:-)
      Liebe Grüße
      Elke

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  3. Oh, ein Traum. Diese Selbstbedienungsdinger sind ja toll. Ich kenne das von Canada sehr ausgeprägt, wo in ländlicheren Gegenden diverse Gemüse oder Marmeladen etc. gekauft werden können ohne dass es jemand kontrolliert. Als ich das beim ersten mal sah, war ich erstaunt, dass es funktioniert. Dass es also mehr ehrliche Leute gibt, so dass es sich lohnt. Hier im städtischen Bereich undenkbar.

    Ob ich angesichts der Hängebrücke die Wanderung nachwandern könnte, mag ich bezweifeln. :-)

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    1. Hallo Anja,
      ich finde es auch sehr erstaunlich, mit dieser Selbstbedienung. Das gibt es hier sehr oft und scheint zu funktionieren. Bei uns hätte ich da arge Bedenken, bzw. wäre sicher, wie es liefe...
      Mir hat die Brücke nichts ausgemacht, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es für andere eine Mutprobe sein mag... könnte ich verstehen.
      Liebe Grüße
      Elke

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  4. Was für tolle Bilder! Und diese Selbstbedienungs-Verpflegungsstelle ist echt klasse. So etwas habe ich auch schon gesehen, wenn ich hier im Norden "über Land" laufe und an Bauernhöfen vorbei komme. Jedesmal wieder beeindruckend! :-)

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    1. Hallo Eddy,
      ihr habt so etwas auch oben im Norden? Dann scheint Eure Welt noch etwas heiler....
      Danke und liebe Grüße
      Elke

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  5. Liebe Elke
    Heieiei - was unsere gute alte Schweiz alles zu bieten hat! Ja, dass es mal "Weissenburger" gab, das ist mir noch in Erinnerung, aber dass sich in dieser Gegend solch abenteuerliche Kletterwege und an halsbrecherischen Abgründen liegende Bärenhöhlen verstecken?!
    Wenn ihr so weiter macht - Longrun am Morgen und Kletterwanderung am Nachmittag, da könntet ihr eigentlich hier bleiben und am 13. den JMT laufen ;-)
    Weiterhin viel Spass auf euren Entdeckungstouren!
    Liebe Grüsse
    Marianne

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    1. Liebe Marianne,
      ja Euer Land hat sehr viel zu bieten! Also der Longrun war am Tag zuvor, beides hätte ich nicht an einem Tag überstanden.
      Lustig, dass Du auf den JMT kommst, Du wirst Dich kaputt lachen, wenn Du liest, was wir heute gemacht haben und mir wird durch Deinen Hinweis einiges klarer...;-). Bin aber heute kaputt und werde es morgen schreiben.
      Danke und liebe Grüße
      Elke

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  6. Herrliche Eindrücke, liebe Elke! Ich bin so froh, dass du sie fotografisch festgehalten hast. Ich könnte diese Wanderung nicht machen - oder sie zumindest nicht so genießen wie du es konntest.

    Diese Selbstbedienungsidee ist klasse. Ich hab's in Dänemark mal gesehen - und war verblüfft. Wir Deutschen sind inzwischen so auf "Geiz ist geil" geprägt, dass es irgendwie nicht vorstellbar ist, dass Menschen sich dort fair verhalten und zahlen, was die Dinge wert sind. Ernsthaft, es gibt Idioten, denen erzähst du von einem solchen Stand und die sagen dir dann: "Bist du blöd - da hätte ich doch alles mitgenommen. Selbst schuld, wer so naiv ist, unter diesen Bedingungen eine Bezahlung zu erwarten!"

    Liebbe Grüße,
    Anne

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    1. Liebe Anne,
      warum läge Dir die Tour nicht? Die Brücke? Dann freut es mich, wenn Du so ein paar Eindrücke gewinnen konntest. Ja ich fürchte, dass solche Stände zumindest in meiner Heimatregion wohl sehr schnell geplündert würden. Hier gibt es sie sehr oft. Ich finde es selbstverständlich, zu zahlen. Und ich hoffe, die beiden Anbieter haben stets auch ihr Geld im Kässeli.
      Liebe Grüße
      Elke

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  7. Traumhaft schön.Allerdings ließen sich für mich wohl viele Treppen, Leitern und die Hängebrücke nicht mit meiner Höhenangst verbinden :-(

    Diese "Selbstbedienungsläden" finde ich sehr schön und zeigt uns, dass es in der freien Natur, wo nur wenig Menschen hinkommen, das ehrliche Miteinander doch noch funktioniert :-)

    Liebe Grüße
    Volker

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    1. Lieber Volker,
      och das ist aber schade, wenn Dich da Höhenängste einschränken. Dann wäre die Brücke leider nichts für Dich. Aber es gibt ja auch andere, weniger fordernde Wanderungen.
      Ich fand auch den so liebevoll hergerichteten Stand den Knaller! Und heute hätte ich mir am Wegesrand wieder so eine Kanne mit Kräuter-Holunder-Eistee gewünscht! Gabs aber nicht, war eine viel touristischere Gegend.
      Liebe Grüße
      Elke

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  8. Wow, wie schön! Bin gerade schon am Schauen, wie weit das von uns ist. Das wäre wirklich mal eine traumhafte Tour. Danke!

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    1. Hallo Christiane,
      und? Liegt es in machbarer Entfernung für Dich?
      Danke und liebe Grüße
      Elke

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  9. Ich bin baff. Was für wunderbare Bilder und Strecke.
    Aber für mich Nordlicht nicht erstrebenswert.
    ich ziehe vor jedem den Hut der das da durchzieht.
    Auch vor Euch Wanderer.
    Danke für die tollen Impressionen.

    ...
    und ich musste über die englische Fu ... Familie lachen. So typisch beschrieben, herrlich...

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    1. Hallo Birki,
      ja es wäre doch so schade, wenn man nur durch diese wunderbare Landschaft stürmen würde, ohne sie genießen zu können...
      Wandernd ist es aber eine wunderbare Kräftigungsübung (!) für die Beine ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

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