Sonntag, 9. November 2014

Punkt-lich

Nachdem die Woche ziemlich dicht war (Danke, liebe Lokführer, dass ich wegen Euch hunderte km Autofahren garniert mit Staustehen genießen durfte), zog es mich heute eigentlich hinaus. Doch dann klebte ich erstmal kräftig auf dem Sofa fest.
25 Jahre Mauerfall, eine Mauer, die auch mitten durch meine Familie lief. So mussten zunächst einmal telefonisch Vergangenheitserlebnisse mit Cousin und Cousine in Sachsen ausgetauscht werden. Man kam von Punkt zu Pünktchen, "Weißt Du noch...?", "Wie war das eigentlich damals...?", "Wie schnell doch 25 Jahre vergehen können!". Flugs waren 3 Stunden herum und dann stieß ich auf interessante TV-Reportagen aus der untergegangenen Republik. Ich kann mich nicht losreißen.

Und als ich mich dann doch noch aufmache und zuvor aus dem Fenster lehne, um die Temperatur zu überprüfen, höre ich plötzlich von weit her typische Schreie. Schnell zum anderen Fenster, und dort sehe ich die Punkte! Die Zeit reicht, rasch die SLR mit Teleobjektiv zu holen und den Zug der Vögel festzuhalten.
Ein faszinierender Moment. Neben den unregelmäßigen Vogelwellen sind auch deutliche V-Formationen auszumachen. (Gemäß Info im Kommentar von Pulsmesser, s.u., waren es wahrscheinlich Kraniche)





Bei frischen 10 Grad trabe ich los, wie die Beine wollen. Und das wird erstaunlich.

Auf dem Marienfeld gerate ich an die nächsten Punkte. Irgendwie blitzt vor jedem frisch gepflanzten Baum eine runde Scheibe. Die Neugier zieht mich hin. Ich vermute, Beschilderung nach Baumarten, doch weit gefehlt. Jeder Baum ist mit einer Plakette versehen, die Namen und Geburtstage neuer Erdenbürger festhält. Eine schöne Idee!



Ich habe spontan den Einfall, einen "alten Bekannten" vom Januar zu suchen. Damals lief ich bei einem Longjog plötzlich im jungen Birkenwald an diesem Weihnachtsbäumchen vorbei.

Ob davon noch etwas übrig ist? Ich denke, eher nicht. Aber das will ich nun wissen. Den genauen Punkt habe ich mir nicht merken können, nur die ungefähre Stelle.

Und plötzlich....








... stehe ich davor. Die Stelle ist definitiv dieselbe (der vor dem Baum stehende kurze Ast ist ein guter Hinweis).
Ich staune nicht schlecht.


Und laufe weiter im herbstlichen Wald.







Plötzlich - was sind das denn für bunte Punkte in den Bäumen?
Ich bin inzwischen auf dem Rückweg und mir war beim ersten Vorbeilaufen nichts aufgefallen.
Ich halte an und trete näher...












Gibt es ein neues Brauchtum in der Elternschaft...?
Mir erschließt sich nicht ganz der Sinn, Schnuller in Bäumen aufzuhängen. Aber ich muss ja auch nicht alles verstehen.

Zum Beispiel, warum meine Beine immer schneller voran wollen. Entgegen  meiner sonstigen Gewohnheit interessiert mich weder Puls noch Tempo, ich laufe so, wie mir ist.
Und stelle völlig überrascht folgende Punkte fest: Ich habe zwar, wie so oft, schnell begonnen, doch danach kam keine Ermüdung. Im Gegenteil, die Beine wollen immer schneller. Auch der Puls ist zwar hoch, aber das stört mich überhaupt nicht. Ich habe sogar das -sicherlich trügerische- Gefühl, noch lange in diesem Zacken laufen zu können. Ein Stück folge ich der Strecke des Horremer Abendlaufs, dessen 10-km-Variante in diesem Sommer mitliefen. Vielleicht ist es der Sog dieser Strecke? Keine Ahnung, aber bei unter 5 Min pro km, die ich inzwischen auf meinem "Tacho" sehe, kann ich da nicht lange drüber grübeln. Ein komisches Gefühl , das anhält, denn weder Beine noch "Motor" wollen reduzieren. Ob das die Revanche für Amsterdam ist? Ich lasse den Beinen ihren Willen.
Denn das bringt mir den Vorteil einer Punktlandung daheim, genau zum Start der Formel 1.

Nur für einen beginnt die Woche mit Minuspunkten: Unser Kater fiel im Schlaf, als er sich wahrscheinlich reckte, aus luftiger Höhe unserer Wendeltreppe ziemlich unsanft in die Tiefe.

Aber er hatte Glück und es endete "nur" mit einem Riss zwischen Nase und Mäulchen, den die Tierärztin mit 4 Stichen gut nähen konnte.
Die Fadenenden stehen als kleine blaue Punkte noch hervor (Das Bild entstand vor dem Malheur).








10 Grad, 13,2 km, 1:18:33, (5:57 Min/km), HF 145

25 Kommentare:

  1. Wo und wie hast du damals von der Maueröffnung erfahren? Erstaunlich finde ich, dass ich glaube jeder zumindest unserer Generation das noch genau sagen kann. Ich stamme auch aus so einer West-Ost-Familie (meine Eltern sind beide noch rechtzeitig "rübergemacht") und war jedes Jahr in Thüringen bei der Verwandtschaft zu Besuch. Als im Fernsehen (ich habe selten geguckt und hatte nur so ein winziges schwarz-weiß-Gerät mit Zimmerantennen bei dem man die Sender immer mühsam einen Knopf drehend reinsuchen musste) die Nachrichten kamen, stand ich stundenlang total gebannt davor - keine Ahnung mehr, wie mein damals noch kleiner Sohn darauf reagiert hat, dass ich quasi nicht mehr für ihn ansprechbar war. Aber er war auch in der Wohnung) und habe Rotz und Wasser geheult vor ungläubiger Ergriffenheit. Wäre ich nicht pleite, autolos und mit Kleinkind gewesen, ich glaube, ich wäre auch einfach losgefahren irgendwohin, wo die Grenze aufging.

    Dem Lokführerstreik verdanke ich diesmal übrigens, dass ich mit fast zwei Stunden Verfrühung (per Zug) aus meinem SüdtirolUrlaub zu Hause ankam :o)

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    1. Hallo Lizzy,
      ist ja interessant, bei mir ist die Mutter nach dem Krieg aus Sachsen hergekommen, Vater Rheinländer. Kontakte hatte ich immer schon gute über die Grenze. Ja der Tag X... Ich habs abends nicht mitbekommen, aber morgens in den Nachrichten. Ich saß mit Gänsehaut wie gebannt vor dem TV und konnte es nicht glauben... Danach das allerschönste Weihnachtsfest, als ein Cousin Frau&Tochter&Weihnachtsente in den Trabbi packte, und 650 km zu uns kam. Es gab mal Schnee, und als wir am nächsten Morgen aqus dem 2.OG zum Parkplatz das Trabbis guckten, liefen lauter Fußspuren um ihn herum :-)
      Ja, das waren aufregende Zeiten, Du könntest wahrscheinlich auch endlos erzählen...
      Zu früh wegen Lokführerstreik? Es gibt Sachen, die gibts nicht! Ich hoffe auf eine streikfreie Woche, denn ich muss nach Berlin...
      Liebe Grüße
      Elke

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  2. Liebe Elke,
    die Bilder der Zugvögel sind ja spitze!
    Da hast du einen Lauf mit lauter tollen neuen Dingen erlebt - das Wiederfinden "deines" Christbaums, die Bäume, die für die neugeborenen Kinder gepflanzt wurden (tolle Idee, früher hatte noch jeder seinen eigenen Garten, in dem ein Baum gepflanzt wurde, wenn ein Kind zur Welt kam) und dann triffst du noch die Bäume der Schnullerfee! Meine landeten in einer tiefen Schlucht, wo sie von ihr abgeholt wurden. :D

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    1. Liebe Doris,
      aha, das ist der Baum der Schnullerfee... ? Dann habe ich dank Dir dazugelernt. Ist das die Schwester der Zahnfee? Aus meiner Kindheit sind mir beide unbekannt. Netter Brauch, aber was denken die Kleinen, wenn sie ihre langsam bemoosenden Schnuller immer noch dort hängen sehen? Grübel...
      Liebe Grüße
      Elke

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    2. so hätte ich die Schnuller am Baum gedeutet...
      Vielleicht ändern die Eltern für die nächsten 10 Jahre einfach die Spazierwege? So genau weiß ich das jetzt auch nicht! ;D

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    3. Liebe Doris,
      Markus hat ja weiter unten die gleiche Erklärung für die Schnuller gegeben. Dann müssen die Eltern mit den ent-schnullerten Kindern eben ihre Spazierroute ändern ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

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  3. Tolle Bilder! Sehr cool, dass Du diese Tanne tatsächlich wieder gefunden hast. - Und wenn Du die Bedeutung der Schnuller in den Bäumen heraus gefunden hast, dann lass es mich bitte wissen: ich hab so was noch nie gesehen und auch noch nie davon gehört...

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    1. Hallo Eddy,
      Regenfrau Doris hat oben kommentiert, das sei der Baum der Schnullerfee. Mir ist das auch unbekannt, ich schiebe es auf mein Alter...;-)
      Liebe Grüße
      Elke

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  4. Liebe Elke,
    die Zugvögel hab ich auch gestern gesehen, das war ein Spektakel. Ich saß im Auto und alle Leute, die man sah, blieben stehen und schauten sich das an. Ich wollte sie noch fotografieren, war aber nicht schnell genug.
    Vielleicht hängen die Eltern die Schnuller in den Baum, damit das Kind sich davon verabschieden kann?
    Und wenn die Beine schnell sein wollen, dann muss man sie auch einfach mal lassen. Gute Besserung für den Kater und guten Start in die Woche.
    Anja

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    1. Liebe Anja,
      war ein irres Schauspiel mit den Vögeln, nicht wahr? Wahrscheinlich haben wir den gleichen Zug gesehen, die Himmelsrichtung stimmte ;-) Ist ja auch wirklich nur ein kurzer Moment, sie sind so schnell wieder weg, ich hatte da ziemliches Glück.
      Doris hat kommentiert, es sei der Baum der Schnullerfee, ich denke auch, um die Trennung vom Schnuller zu erleichtern. Mir war das unbekannt.
      Genau, wenn die Bein mal so losstürmen, muss man sie lassen,sonst ist es eher umgekehrt...
      Dir auch einen guten Wochenstart, auch vom Kater!
      Elke

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    2. Das waren sicherlich die gleichen - bei mir sind sie gegen 14.30 Uhr übers Dach geflogen. Aber eine Reihe nach der anderen - hab ich in der Form hier noch nie gesehen.

      Bzgl. Mauerfall noch ein paar Worte. Ich gehöre wohl zu denjenigen, die nicht genau wissen, wo sie waren. Ja, ich hab es im Fernsehen gesehen aber da ich nie Berührung mit der DDR hatte, keine Verwandten dort und nur einmal die Grenze mit 16 Jahren bei der Abschlußfahrt gesehen hab, hatte ich einfach keinen Bezug. Für mich war das ein komplett fremdes Land mit Leuten, die die gleiche Sprache sprechen. Ich hab mich zwar dann mit den Bildern im Fernsehen auch gefreut aber anders als es die meisten getan haben, die auch von der Grenze betroffen waren.

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    3. Hallo Anja,
      da passt die Vogelflugzeit perfekt zusammen!
      Ich kann verstehen, wenn einen der 9.11.1989 nicht so extrem mitgenommen hat, wenn man eben so gar keine Beziehung zu diesem Land hatte. Aber der ganze Rummel, der dann durchs Land ging, ich denke, daran kann sich jeder noch erinnern.
      Liebe Grüße
      Elke

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  5. Während damals die Mauer fiel, durfte ich als Wehrpflichtiger ins Mannöver fahren und habe von dem ganzen Ereignis erst Tage später etwas im Fernsehen gesehen. Darüber bin ich heute noch wütend.

    Während wir auf der Autobahn in Kolonne gen Lüneburger Heide fuhren, kamen uns schon die ersten Trabis und Wartburg auf der anderen Seite entgegen. Traurig, dass ich diese Stück glücklicher deutscher Geschichte nicht miterleben konnte :-(

    Das kleine Weihnachtsbäumchen hat sich übers Jahr ja gut gemacht :-)

    Bei uns sind die ersten sibirischen Graugänse angekommen. Es sind aber noch nicht viele. Es scheint nur die erste Vorhut zu sein.

    Ist doch cool, einfach mal flotte Beine zu geniessen, oder? :-)

    Liebe Grüße
    Volker

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    1. Hallo Volker,
      ach, dann hat man Dich quasi um ein bedeutendes Stück der Weltgeschichte gebracht... :-( Ich kenne einen Kommentar aus dem Familienkreis, wo ein Cousin als Soldat viel näher dran als ihm lieb war. Bewaffnet in Bereitschaft, um ggf. einschreiten zu müssen...
      Aber ist das nicht irre, dass jeder bis an sein Lebensende wissen wird, wo er an dem Tag war und was er machte!
      Noch nicht alle Graugänse durch? Ich dachte, die seien dieses Jahr spät dran!
      Ja, das ist megacool, wenn die Beine so fliegen wollen!!!
      Liebe Grüße
      Elke

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  6. Dann kläre ich euch mal auf: Die Schnuller hängt man an den Baum zur Entwöhnung der Kinder / Babys. Also zumindest theoretisch. Ob es was bringt? Keine Ahnung, so weit sind wir noch nicht ;)

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    1. Aaaa-ha! Danke für Deinen Hinweis. Ich vermute, Ihr habt schon ein Bäumchen ins Auge gefasst? aber anscheinend gehts auch ohne das, denn ich habe auch keinen Schnuller mehr dabei... ;-) Doch den Versuch wäre es sicher wert, und es wirkt bistimmt überzeugend auf die Kleinen - wenn es dann soweit ist.
      Liebe Grüße
      Elke

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  7. Das war ja wirklich ein besonderer Lauf. Viele interesaante Dinge und dann noch ordentlich Tempo. Das Foto von den Gänsen ist gut geworden.

    Mauerfall weiss ich auch gar nicht mehr wo ich war. Ich kannte niemanden von drüben und kannte auch bewusst niemanden der jemand kannte. War damals einfach ein anderes Land. Schön für die Leute dort...Mittlerweile verstehe ich die Bedeutung besser, sicher als ich 2 Jahre später nach Berlin zog, drang das Ereignis durch.

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    1. Hallo Nido,
      ja, solche Läufe liebe ich, wo es etwas zu sehen gibt und wo es auch gut läuft :-)
      Wenn Du 2 Jahre nach der Wende nach Berlin gezogen bist, hast Du sicher dort auch sehr spannende Zeiten miterlebt. Wahrscheinlich war der ganze Umbruch in Berlin am extremsten zu spüren...
      Liebe Grüße
      Elke

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    2. Ja das war tatsächlich eine sehr spannende Zeit. Dem Umbruch konnte man 'täglich zusehen.'

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  8. Hallo Elke
    Punkt für Punkt ein Bericht voller interessanter Blickpunkte!
    Toll hast du genau den richtigen Zeitpunkt erwischt, um die imposanten Zugformationen der Gänse festzuhalten! Als die Kraniche hier vorbeikamen hab ich meine Kamera geschnappt, bin mit dem Auto auf die andere Seite des Waldes gedüst - und weg waren sie...
    Herrlich auch, in der Nachsaison Tempo, Puls und Kilometer-Umfang mal nicht zwecks angestrebter Punktlandung beim nächsten Marathon genau auf Punkt im Auge behalten zu "müssen" ;-)
    Durch das Tun und Laufen nach Lust und Laune scheint dein Energieschub der letzten Woche sich noch verstärkt zu haben, und der unverhoffte, beflügelnde "Flow" bescherte dir gar ein paar "bäumige" Sehenswürdigkeiten.
    Der 25. Jahrestag des Mauerfalls weckt auch bei mir Erinnerungen, hat doch auch unsere Familie Wurzeln im Osten. Die sensationelle Nachricht wartete als Fax-Bericht meines Vaters im Hotel in Carins, als wir auf unserer Reise nach Australien dort landeten ...
    Liebe Grüsse
    Marianne

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    1. Liebe Marianne,
      ja, der Zug der Vögel war ein echter Glücksmoment, über den ich mich gefreut habe. Sie sind schneller, als man meint, wahrscheinlich hättest Du da im Auto Gas geben können, wie Du wolltest.
      Ihr ward in Australien vor 25 Jahren? Ich glaube, da wirkte das Fax dann aber auch ziemlich seltsam... "Fax" .... auch so etwas, das fast wieder verschwunden ist. Heute würde sich eine solche Nachricht ganz anders verbreiten...
      Liebe Grüße
      Elke

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  9. Liebe Elke,

    nach Bild 3 bin ich mir ziemlich sicher, dass du Kraniche gesehen hast.
    Ein tolles Schauspiel! Diese Tiere ziehen jedes Jahr Anfang November und Ende Februar über unser Haus.
    Nur dieses Jahr habe ich sie unterwegs beim Wettkampf getroffen :-)

    Viele Grüße!

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    1. Also bei den Vögeln kenne ich mich auch nicht so 100% aus, dachte bisher immer, das fliegende "V" sei typisch für Wildgänse. Aber nicht dass Du wegen des Blicks gen Himmel noch Zeit verloren und Steinchen gefunden hast...;-)
      Liebe Grüße
      Elke

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    2. Meist hört man ja schon den typischen Ruf, bevor man hochschaut.
      Hier sind die Unterschiede schön erklärt:
      http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/voegel/zugvoegel/kraniche/14268.html

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    3. Danke für den Link! Sehr interessant, danach waren es dann wirklich wohl Kraniche.

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