Als nämlich im Verlauf des Nachmittags die Luft bei 25 Grad immer schwüler wurde, der Himmel sich verdunkelte und schließlich seine Pforten gewaltig öffnete. Nach dem Pfingstunwetter macht solch ein Schauspiel erst einmal vorsichtig. Zwar wäre es statistisch wahrscheinlich sehr unwahrscheinlich, dass gleich zweimal hintereinander solch ein Unwetter käme, doch woher weiß ich, ob sich Petrus an Statistiken hält?! Letztendlich sollte mein eidgenössischer Ehemann Recht behalten mit seinen Worten, dass sich das bis zum Start um 19 Uhr auflösen würde.
So begaben wir uns also die 3 km in den Nachbarort. Da in Brasilien spielfrei ist, ist der Marktplatz auch gut besucht und viele Menschen (=Nichtsportler) nehmen an Biertischen deutlich mehr isotonische Flüssigkeit zu sich, als sie die Läufer nachher ausschwitzen würden.
Welch ein besonderer Tag heute! Nicht nur der anstehenden Abendlauf, sondern vor allen Dingen unser 6.
Hochzeitstag (!!!)
lässt uns strahlen...
Nach wie vor ist der Himmel grau. Wir treffen unseren Laufbekannten W., der beim Wiener Marathon per Abkürzung seine Zeit optimieren wollte. Er berichtet, dass man ihm berichtete, auf der Strecke stünde wegen des Starkregens an zwei Stellen sooooooooo hoch das Wasser. Mh. Ich bin daher froh, heute meine für solche Zwecke beschaffte Asics Gel-Fuji gewählt zu haben, die ich bisher noch zu wenig ausgeführt habe.
Die Temperatur ist erfreulicherweise gesunken, doch beim Einlaufen merken wir, dass dennoch immer noch leichtes Tropenklima herrscht. Dazu passen die Gitarrenklänge von Carlos Santana, die Anwohner über die Straße schallen lassen.
Wir laufen dem 5-km-Feld ein Stück entgegen, in nicht allzu langer Zeit werden auch wir diese Passage gleich zweimal nehmen.
Schon bald geht es in den Wald, wo uns kühle Luft empfängt.
Doch es ist nicht nur kühl, sondern zugleich dampfend. Ein eigenartiges Klima, der Läuferatem zeigt sich als kleine Wölkchen. Meine Beine fühlen sich gut an. Ich werde öfter von einigen Sprintern überholt, doch manche sehe ich noch später wieder und sie dann mich von hinten ;-).
Weiter vor mir höre ich ein eigenartiges rhythmisches Stöhnen, und das schon nach gerade mal 2 km. Erinnert mich an Martina Selez und ihre berüchtigten Laute. Noch kann ich aber nicht ausmachen, woher es kommt.
Langsam habe ich mein Tempo gefunden. Ich bin gespannt, auf die Wasseransammlung, vor der uns W. warnte. Bald kommt die Stelle, eine Senke unter der Autobahnbrücke.
Naja, kaum mehr als eine normale Pfütze. Genau wie die andere sooooo tiefe Wasserstelle. Langsam kann ich den Stöhner erkennen, ein älterer Mann mit weißem Vollbart. Auch wenn es sich anhört wie kurz vor Herzinfarkt läuft er sein Tempo durch.
Die erste Runde schließen wir mit der Passage über den Marktplatz und durch den Start/Ziel-Bogen ab. Weiter gehts zur zweiten Runde. Im letzten Jahr sehnte ich mich hier schon nach dem Ende, aber diesmal nehme ich mir vor, noch etwas zuzulegen. Leichte Sorge plagt mich, ob ich nicht zu schnell angegangen bin... Ich gönne mir ein Dextro-Energen-Täfelchen, was sich auch nach wenigen Minuten bemerkbar macht.
Lange Zeit laufe ich auch neben dem Stöhner, er zieht sogar das Tempo an auf 4:45, kämpft deutlich gegen das Überholtwerden. In diesem Fall habe ich dabei auch ein schlechtes Gewissen, denn er rackert sich so sehr ab und was ist, wenn er sich jetzt übernimmt, nur um mitzuhalten...? Aber nun gut, jeder läuft sein Rennen, meine Beine wollen voran und so ziehe ich vorbei, kann mich absetzen. Er wird wieder langsamer.
Mehr und mehr andere Läufer kann ich hinter mir lassen. Einmal kommt mir der Stöhner, dessen Laute mich nach wie vor von weitem begleiten, näher, als ich einige Schluck Flüssigkeit an einer Wasserstation trinke, doch dann nehme ich mein Tempo wieder auf.
Noch 2 km bis zum Ziel. Ich erkenne vor mir wieder die ältere Läuferin (W 60), mit der ich mir letztes Jahr ein längeres Gefecht lieferte und die mich dann abhängte. Sie schaut sich um, doch diesmal gelingt es mir, ich kann sie sogar überholen.
Zu den Klängen von "Mambo Number 5", die aus einem Haus heraus die Läufer animieren sollen, überhole ich einen jungen Mann, dem das gar nicht behagt. Dann laufe ich auf den Läufer aus dem Diabetes-Programm auf, den ich letztes Jahr nicht "knacken" konnte. Er zieht eine große Deutschland-Fahne aus seiner Tasche, die sogar eine angenähte Kapuze hat, und legt sie sich um.
Obwohl ich merke, dass es langsam eng wird, beschleunige ich nochmals etwas und setze auf den letzten 200 zu einem Spurt an. Sind das meine Beine, die da unter mir solch große Schritte vollführen?
Ich passiere den Läufer mit seiner Fahne, biege um die letzte Ecke und sehe das Ziel vor mir. Das Gefühl in den Knien schwankt zwischen "elastisch" und "Gummi". Der Speaker verfällt in Begeisterung, aber nicht wegen mir, sondern wegen der Deutschlandfahne auf zwei Beinen hinter mir.
Am Ende vergesse ich vor lauter Begeisterung meine Zeit zu nehmen. Aber eine 54 muss es sein. Noch als wir hinter dem Zielbogen stehen und uns über den Lauf unterhalten, ruft der Speaker über Lautsprecher nach Sanitätern. Das wird doch nicht der Stöhner...? Vorsichtig schaue ich um die Ecke hin, aber es ist eine junge Frau, die sich anscheinend übernommen hat und auf der Ziellinie zu Boden ging. Kurz darauf rennt eine andere junge Dame erst die Absperrung fast um und geht dann dahinter wie in Trance zu Boden, die Sanitäter springen herbei. Ja was ist denn hier heute los?
Ich spüre nur den Zeh neben dem kleinen Zeh am rechten Fuß, der sich anfühlt, als sei er eingequetscht. Eigenartiges neues Phänomen, denn zu eng ist der Schuh keinesfalls. Vielleicht war die Socke verrutscht?
Wir lassen es uns nicht nehmen, das Doppelereignis des Tages mit einer Bratwurst zu feiern :-)
Zu Hause können wir schon bald die Zeiten abrufen. Ich darf mir mit einer 54:04 die genau gleiche Zeit wie beim OH-Lauf vor 4 Wochen festhalten, also die PB bestätigt und AK 3.
Mein Mann hat 46:52 erlaufen. Lauffreundin Heidrun darf sich über eine 57:18 freuen, die sie mit ihrer bewährten Trainingsstrategie (Schonen, schonen und nochmal schonen) und krebsrotem Kopf erreichte.
25.6.:
19 Grad, 5,8 km, 34:09 Min, (5:54 Min/km), Puls 137
Horremer Abendlauf:
19 Grad, 10 km, 54:04 Min, (5:24 Min/km), Puls 158, AK 3, 47. Frau von 122