Wahrhaftig ein Wettbewerb, ein richtiger mit Wertung und allem was dazu gehört! Natürlich auch mit Corona-Maßnahmen. In Lenk/Simmental findet die dritte Austragung der Swiss Trail Tour (
swisstrailtour.ch) statt. Man hat die Wahl zwischen 3 Läufen an 3 Tagen, die addiert 100 km Gesamtstrecke ergeben. Oder man läuft samstags die 51 km in Einzelwertung. So wie Marion, Wolfgang und Chris.
Ich konnte mich noch schnell genug wegducken, und beschränke mich aufs Zusehen. Der Grund meiner Abstinenz ist anhand des Höhenprofils rasch dargelegt. Das hier ist etwas für Liebhaber größerer Mengen an Höhen- und flachen Metern, in diesem Fall 2.500 Höhenmeter auf eben 51 km.
Start der etwas über 300 Läufer (1-Tages- und 3-Tagesläufer gemeinsam) ist um 7 Uhr. Das Morgengrauen erlaubt genug Sicht, um die obligatorisch mitzuführende Stirnlampe im ebenfalls obligatorischen Rucksack zu belassen. Das Thermometer zeigt 12°, damit lässt sich läuferisch leben.
Ich habe nur eine Chance, die Läufer auf der Strecke zu sehen: Am "Leiterli" bei km 23,5, erreichbar per Seilbahn. Bevor diese um 8:30 Uhr überhaupt ihren Betrieb aufnimmt, ist genügend Zeit für einen kleinen Bummel durch den Ort. Plötzlich werden spezielle Konzerttöne hörbar. Während am Ortsausgang gerade die eine Horde losrennt, bewegt sich eine andere Herde durch den Ort. Eine ziemlich große Kuh- und Ziegenherde quert die Straße auf ihrem Weg zur Weide. Ihre Glocken (große Treicheln) machen einen Höllenlärm, aber ich liebe diese Akustik! Leider bin ich nicht schnell genug am Geschehen und das Foto gerät leicht unscharf.
Endlich nimmt gegen 8:30 Uhr die Gondelbahn den Betrieb auf. Die Sonne hebt sich müde den Wolken entgegen. Ich schwebe über die mir sonst nur verschneit bekannten Flächen. Skipiste im Sommer ist zwar grün, aber mehr auch nicht. Zudem wird gerade ein nicht gerade kleiner Speichersee gebaut, der die Skikanonen ab kommender Saison füttern soll.
An der Bergstation wird ein wenig Unterhaltung geboten. Eine Kuhglockenorgel, an der es mir aber nicht gelingt, Töne zu erzeugen. Man solle sehr fest in die Tasten hauen. Ist wohl mehr etwas für Männerarme.
Auch ein Murmelpfad ist hier zu entdecken. Man lernt etwas über die possierlichen Bergbewohner und für Kinder ist sogar ein kleines bekrabbelbares Höhlensystem vorhanden. Würde mich ja reizen... Aber heute geht es um anderes. Nur kurz die schöne Aussicht bewundert, dann suche ich mir einen guten Beobachtungsposten. Nicht zu spät, denn schon nach knapp 2.30 Std kommt der Führende und spätere Sieger angestürmt. Im Flachen wäre das für mich eine lockere Zeit für 23,5 km, aber nicht bei dem ziemlich harten ersten Anstieg!
Die Trailstrecke quert eine Kuhweide, hier finde ich einen guten Standort. Jedem Läufer gebe ich eine kleine Aufmunterung mit. Doch vor allem die Schnelleren scheinen darauf keinen Wert zu legen. Ist das hier wie im Flieger, wo der Linienflugkapitän Beifall als Beleidigung empfindet? Oder sind sie so tief im Tunnel? Immerhin, die späteren im Mittelfeld zeigen doch erfreute Reaktionen. Die ganze Szenerie wird musikalisch untermalt. Ganz oben auf der Felskuppe hat sich ein Ukulele-Spieler platziert und entbietet ein breites Spektrum. Songs wie "Blowin' in the wind", brasilianische Rhythmen, "Sex Bomb" geben einen netten Akzent. Als ein Bauer auf einer Nachbarweide Gülle versprüht, kommentiert die Ukulele "Go Johnny gogogo!"
Leider setzt dann der Regen ein, den der Wetterbericht hartnäckig nicht gemeldet hat. Gottseidank steht ein alter Schuppen auf der Weide, unter dessen überkragendes Dach ich mich flüchten kann. Leider flüchtet die Ukulele auch und die Musik verstummt.
Nach 3:45 Std naht Wolfgang, er ist guter Dinge und munter unterwegs. Eine gute Minute nach ihm Marion, die sich auch auf der Strecke wohlfühlt. Nach 3:55 Std folgt Chris. Ich gehe mit ihm zusammen zur Bergstation, wo an km 23,5 die zweite Verpflegungsstation positioniert ist. Ursprünglich sollte nach Reglement bei 4 Stunden hier Cut-off sein, aber wurde da gestern beim Briefing nicht 4:30 Std gesagt? Egal, alle 3 haben dieses Limit erfüllt.
Verpflegung in Corona-Zeiten. Jeder Läufer muss eine Gabel und einen Becher mitführen. Die Becheridee finde ich prima, dann so wird der Müll drastisch reduziert. Mit der Gabel sollen Riegel, Bananen u.ä. aufgenommen werden, die sich aber teils widerspenstisch zeigen.
Schnitt. Weitere Begegnungen mit den Läufern sind mir leider nicht möglich, sie laufen in einsamen Regionen.
Eigentlich wollte ich ins Tal hinabwandern, aber angesichts der Witterung wähle ich erneut die Seilbahn. So kann ich unten den Sieger im Ziel erleben, das er nach 5:00:03 Std erreicht. Wahnsinn! Der Regen legte zwar eine kurze Pause ein, aber nimmt dann auch erneut Anlauf. Unser Auto steht so günstig geparkt, dass ich vom Sitz aus die Läufer auf ihren vorletzten 100m beobachten kann.
Erfreulicherweise hört die himmlische Wassergabe rechtzeitig wieder auf, bevor das Trio das Ziel erreicht. Als erste nahen Marion und Wolfgang mit gut 8 Std. Im Bild hinter Marion eine Läuferin auf ihrem ersten Traillauf überhaupt. Ihr ganzes Training bestand darin, im Sommer auf 2000m eine Alp zu betreuen und wahrscheinlich im Rahmen dessen Höhenmeter zu sammeln. Ich überlege, ob ich vielleicht auch einmal solch eine spezielle Trainingsform angehen sollte...?
Wir warten auf Chris. Das Garmin-Tracking ist wie so oft ausgestiegen und wir haben keine Idee, wo er steckt. Plötzlich bringt ein weiterer Versuch des Trackingaufrufs Erfolg! Er ist nur noch einen km entfernt. Nach 9 Std erreicht auch er das Ziel.
Besonders feuen wir uns mit Marion, die den 1. Rang ihrer AK "Grand Masters Women" (50+) belegt! Ein Podest in Corona-Zeiten sieht speziell aus, jedenfalls zu 2/3.
Die Eindrücke des Trios kurz zusammengefasst: Fordernde Strecke, teils auch vor allem durch den Regen als fast gefährlich einzuordnende Passagen. Stürze hatten alle 3, Gottseidank ohne größere Folgen.
Die Veranstalter bieten einiges auf, auch so ein 3-Tages-Event will gewuppt werden! Über ein paar Rumpeligkeiten darf man bei der erst dritten Austragung daher noch hinwegschauen.
Vorher-Nachher-Bilder. Was sind die Unterschiede? Ganz klar, die "Fangopackung" an den Beinen und die im Vergleich zum Morgen nun rundum zufrieden strahlenden Gesichter!
Noch ein paar Eindrück aus Lenk. Ein sympathischer Ort, nicht mehr Dorf, aber auch nicht wirklich Kleinstadt. Ruhig, aber nicht langweilig.
Witzige Kunst an der Fassade der Mehrzweckhalle. Mir gefällt der kleine Hund am besten...
2 Poster im Schaufenster eines Bauunternehmers:
Ein spezieller Dachaufbau. Klärt sich später. Es findet eine Hochzeit statt und die Gäste haben ihre Autos jeweils speziell dekoriert. Der Korso, der sich am frühen Abend durch den Ort bewegt, jagt uns zunächst einen Schrecken ein, denn wir hören Martinshörner! Allerdings sind das Feuerwehr und Krankenwagen, die ebenfalls den Umzug begleiten und ihn akustisch bereichern. Soll niemand sagen, dass die Berner Oberländer nicht zu feiern wüssten!
Eine sehr sehenswerte Infotafel im Ort. Man muss wissen, dass hier als spezielle Kunst der Scherenschnitt gepflegt wird. Dies wurde wunderbar in Metall umgesetzt: