Bisher passten unsere Ferientermine einfach nie zum Austragungsdatum.
Also auf zur persönlichen Premiere!
Mittags holen wir unsere Startnummern ab. Dort, wo gerade noch gewerkelt wird, befindet sich später am Abend das Ziel.
Andere Länder, andere Sitten. Es gibt bei der Startnummernausgabe dieses hier:
Und nicht wie sonst immer 4 Sicherheitsnadeln, sondern deren FÜNF.
Damit man auch weiß, was man mit den Nadeln tun soll, kleiner dezenter Aufdruck.
Und Hinweis, wer im medinzinischen Notfall helfen könnte.
Noch ein durchdachtes Detail: Notizzettel bei den Startlisten.
Wir schlendern noch ein wenig durch die beflaggte Stadt, wollen uns den Startbereich ansehen.
Die Temperatur: 30°. Mir spukt im Kopf unweigerlich der gute alte Joe Cocker herum: Summer in the City.
Da hat doch dieser junge Mann die temepraturadäquate Beschäftigung, City-Surfing.
Am anderen Ufer sehen wir schon einen Teil unserer abendlichen Strecke, ein roter Teppich, aber noch nicht das Ziel.
Und Gottseidank halte ich das schon jetzt fest, denn am Abend wird das Säueli vorm Teppich vor Menschen nicht zu sehen sein.
Auch dies ein Teil unseres Laufs, von fern grüßt der Niesen mit seiner markanten Pyramidensilhouette.
Uns rinnt bereits jetzt der Schweiß...
Zeitsprung zum Abend.
Der Start der 10 km ist um 19.20 Uhr angesetzt. Die Sonne hat sich hinter Wolken zurückgezogen. Das Thermometer zeigt immer noch 27°. Wir laufen uns ein. Ich nutze die Gelegenheit ein Bild einer der Bands an der Strecke zu machen. Hier schmettern gerade die "Chatzeschwänz" wunderbare Guggenmusik.
Wir schauen noch dem Start des 5 km-Laufs zu. Die Thun Tigers geben das lebende Startband.
Eine halbe Stunde später sind wir dran, starten jedoch hier genau in Gegenrichtung. Rd. 1000 Läufer gehen auf die 10 km.
Zunächst geht es Richtung Schadaupark. Kurzer Blick auf den Thuner See. Leider sind Eiger, Mönch und Jungfrau (etwa über dem kleinen Boot) nur im Dunst zu sehen. Doch viel Muße hat man eh' nicht. Auf den teils wurzeldurchzogenen Spazierwegen und dem dichten Feld heißt es aufpassen.
Nach Verlassen des Parks höre ich plötzlich meinen Namen. Schwager Ruedi wollte eigentlich das Sofa hüten, hat sich dann aber doch aufgemacht zur Strecke :-)
Vorbei an den Ausflugsdampfern geht es zurück Richtung Innenstadt. Alle haben mit der dampfigen Saunaluft zu kämpfen. Man hört Schnaufen und riecht auch vieles.
Ca. bei km 4,5 wird mitten in der Einkaufszone ein Verpflegungsposten sein. Ich sehne ihn schon jetzt herbei! Doch zunächst geht es an vielen besetzten Cafétischen vorbei. Und dann kommt der Posten, bei dem aber irgendetwas schief gelaufen ist. Es stehen 3 (in Worten drei) Becher Wasser bereit. Und die Helfer dort hantieren hoffnungslos mit einer Wasserkanne herum. Zwar neige ich nicht dazu, am Buffet die letzten Bissen abzugreifen, aber hier gehts ums läuferische Überleben. Ich schnappe mir einen der Becher, sauge ein paar Schlucke ein und schütte mir den Rest über den Kopf.
Weiter durch die malerische Innenstadt. Was gleich kommt, kündigt sich schon 2 Ecken vorher akustisch an.
Fast die gesamten Höhenmeter des Laufs wollen auf der Schlosstreppe bezwungen werden. Sind zwar deren nur so ca. 30, aber dennoch, bei der Hitze...
Damit die leidenden Läufer ordentlich gepusht werden, stehen Treicheln-schwingende Männer bereit.
In dem Fall natürlich Riesen-Treicheln, also so etwas wie Prunk-Kuhglocken. Die verhalten sich so ungefähr zum normalen Kuhgeläut wie Kompaktklasseauto zu Formel 1, oder Pusemuckelvolkslaufsieger zu Haile Gebrselassie.
Bei dem stimmulierenden Höllenlärm treibt es einen schnell weiter.
Weswegen mir leider auch hier die junge Dame ins Bild läuft, als ich 2 der Läuteburschen fotografieren will.
Am oberen Ende der Treppe manifestiert sich ein anderer Klang, der mir schon in die Ohren kam. Für diesen Anblick müssen die Teilnehmer des Jungfrau-Marathons in 2 Wochen erst einmal knapp 40 km laufen, hier wird schon bei km 6 Dudelsack gespielt.
Viele haben ihre liebe Mühe mit dieser rhythmusstörenden Treppe. Ich habe mich gleich auf zügiges Gehen verlegt, als hier zu viel Kraft zu lassen.
So kann ich den beginnenden Abstieg vom Schlossberg, an der im Sonnenuntergangslicht strahlenden Kirche auch gleich genießen.
Nun gehts an der Aare entlang Richtung See. Die Spitze des Feldes kommt uns am Aarequai entgegen, ich habe noch etwas über 3,5 km vor mir.
Am Brahmsquai musiziert eine zünftige Blasmusik. Das Lied kommt mir sehr bekannt vor, aber was war das doch gleich nochmal...? Grübelstoff für einen halben Kilometer, dann komme ich drauf. Eine wunderschöne schweizer Ballade, ursprünglich von Mani Matter. Hier eine moderne Version von Stephan Eicher: Link. Es geht um Hemmungen, und dass die doch den Menschen vom Schimpansen unterscheiden... Link zum Text
Hemmungen habe ich hier und heute keine, nur naturgemäß langsam ziemlich schwere Beine. Aber so geht es allen. jeder kämpft für sich.
Auf dem Rückweg von der Ländte an den Quais entlang gibt es dafür zum Trost einen wunderschönen Sonnenuntergang zu sehen.
Nun noch über den am Mittag fotografierten roten Teppich. Danach folgt eine besondere Qual: Einen halben Kilometer vor dem Ziel ganz dicht vorbei an vielen Restaurants der Altsstadt, deren Außentische alle voll besetzt sind und von denen Düfte entströmen... Pizza, Braten, Käse - was darfs denn sein? Ich kann sowas bei meiner aktuellen körperlichen Tätigkeit gar nicht ab. Oder sollte das nochmals Beschleunigungshilfe sein? Am Mühleplatz jedenfalls gehts rechts durch einen niedrigen Tunnel unter Häusern hindurch, der rot illuminiert ist, kleine Erinnerung an das Marathontor beim Zieleinlauf ins Münchner Olympiastadion, auf die Obere Hauptgasse, eine wunderschöne historische Sehenswürdigkeit. Hier stehen noch einige Thun Tigers, erwarten die Läufer. Nicht mehr weit, man hört schon den Zielrummel.
Wunderschöner Zieleinlauf auf dem Rathausplatz. (Leider wegen des Dämmerlichts nur unscharf).
Endlich ist es geschafft. Ich japse nach Luft.
Ich japse nicht allein. Viele müssen hier zunächst eine kleine Pause einlegen, bis sie das kurze Stück zum Bärenplatz gehen, wo es Getränke gibt.
Ich stelle mich in der Schlange an, als ich dran bin, gibt es nur die berühmte klebrige übersüße Limonade. Ist leider nicht meine Geschmacksrichtung, so dehydriert bin ich dann doch nicht. Ich frage nach Wasser. Jo, gibt es auch. Da hinten, da stehen Becher und man muss es sich selber aus einem Fass zapfen. Andere Länder, andere Sitten...
Ich finde meinen eidgenössischen Ehemann am vereinbarten Treffpunkt. Wir sind beide klatschnass, keine trockene Faser mehr am Leib, voller Freude über den absolvierten Lauf. Allerdings haben wir keinen Nerv mehr, die hier aufgebaute kleine Sportmesse zu würdigen. Dazu hätten wir mittags mehr Muße gehabt, aber da waren die Stände noch nicht da.
Immer noch laufen glückselige Läufer ein und werden alle begrüßt.
Medaillen gab es übrigens keine. Aber dafür vieles andere. Das Teilnehmergeschenk ist eine wirklich hochwertige und gut verarbeitete Lauftasche, da wurde nicht zuviel versprochen und das rechtfertigt das Startgeld auf alle Fälle. Davon hat man doch mehr praktischen Nutzen. Und neues Klimperzeugs für die Medaillensammlung gibts dann ein anderes Mal.
Mein Fazit: Ein schöner Lauf vor toller Kulisse. Nur das mit der "Bewässerung", das kann noch verbessert werden.
Am 26. August 2017 geht es wieder im flotten Trab durch Thun!
Nachtrag: Inzwischen gibt es ein Veranstalter-Video zum Lauf, das die tolle Stimmung an und auf der Strecke wunderbar rüberbringt:
27°, 10 km, 54:50, (5:31 Min/km), HF 163, 125. von 326 Frauen, AK: 8. von 29