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Sonntag, 12. Mai 2024

Kontrastprogramm

Die Woche seit Duisburg war mit sehr reizvollem sportlichen Tun gefüllt: Regeneration. 😊
Zwei gemütliche Läufe, eine Wanderung in der Eifel, das tut gut.
Aber heute sollte es dann zur Abwechslung so richtig flott werden, durch die Landschaft gleiten, das schöne Wetter genießen. Da scheidet laufen aus, es kommt das ElliptiGo ins Spiel! Viel zu lange vernachlässigt hole ich die grüne Elli aus der Garage, ein wenig Staubentfernung, frisches Öl auf die Kette, Luft in die Reifen und los geht's.
Nach Manheim soll es gehen und nach Morschenich. Zwei Dörfer am Tagebaurand mit nun recht unterschiedlichen Schicksalen.

Nach kurzer Wiedergewöhnung an die spezielle Art des "Stehradelns" macht es richtig Spaß! Vor allem abseits viel befahrener Straßen. Einmal sehe ich etwas entfernt eine Harley cruisen. Deutlich zu hören, die Musik, die der Fahrer sich gönnt: "Born to be wild", Originalversion. Passt perfekt zur Szenerie.

Manheim liegt -von weitem betrachtet- malerisch zwischen üppig bewachsenen Äckern. Aber man weiß ja, die Wahrheit sieht aus der Nähe anders aus.









Leicht erkennbar: Es sind noch genau zwei Häuser bewohnt: Das Stammhaus des Dachdeckerbetriebes und ein Bauernhof, dessen Inhaber gerade fleißig einen Acker am Dorfrand pflügt.
Immer noch ist unklar, ob wenigstens die Kirche erhalten bleibt. Die Stadt setzt sich dafür ein, RWE lässt sich nicht festlegen.

Eigentlich wollte ich keine Fotos machen. Aber es ist einfach zu schaurig-schräg hier.
Eine kleine spezielle Erinnerung: Die Reste einer archäologischen Ausgrabung, auch von der Projektgruppe, bei der ich ein wenig mitbuddeln konnte. Die Bodendenkmalpflege vermutete hier einen früheren Rittersitz. Der konnte aber nicht wirklich belegt werden. Man fand viele alte (aber nicht interessant-alte) Keller  und diverse Hinterlassenschaften der letzten Jahrzehnte.


Ich rolle einmal durch das frühere Dorf, bis eine Sperre den Weg beendet. Die Brücke, die hier noch letztes Jahr stand, ist nun auch weg.




Ich finde erstaunlich, dass hier immer noch Ackerbau betrieben wird bis unmittelbar an das Sperrgebiet knapp vor der Kante. Andererseits, warum auch nicht?
Etwa auf Höhe der Erdhügel hinter dem Erdbeerfeld fand vor knapp 10 Jahre eine größere Grabung statt. Es wurden viele Artefakte verschiedener Epochen gefunden. Vor allem späte Eisenzeit, aber natürlich haben auch die Römer ihre Spuren hinterlassen.
Es ist wunderbar hier draußen. Kühlender Wind, Vogelgezwitscher, Froschkonzert aus Tümpeln der letzten Regenfälle, einsames Traktorengetucker aus der Ferne.


Im Hintergrund: Der Hambacher Forst



Es macht Riesenspaß, hier auf weitgehend einsamen Routen zu rollen. Also locker weiter nach Morschenich, ca. 3 km weiter. Ein Dorf, das Manheim sehr ähnelt/e.





Eigentlich stand hier das gleiche Programm an: RWE kauft den Bewohnern alle Häuser ab und dann verschwindet auch dieses Dorf, zeitlich kurz nach Manheim.
Die Bewohner wurden seit 2015 umgesiedelt in einen neu erbauten Ort. Der alte ist erst zu einigen Teilen abgerissen, schätzungsweise noch 1/3 der Häuser sind bewohnt.
2020 entschied RWE, den Abriss nicht mehr fortzusetzen. 
Was nun?
Die Gemeinde Merzenich, zu der Morschenich gehört, kaufte für 34 Mio EUR das gesamte Dorf zurück. Es soll hier ein "Ort der Zukunft" entstehen, in dem Forschung betrieben und nachhaltige Bauweisen und Techniken entwickelt werden sollen. Die noch stehenden Häuser sollen im Prinzip erhalten werden. Frühere Eigentümer können ihre Häuser von der Gemeinde zurückerwerben, müssen sie dann aber im Sinne des Zukunftsprojekts modernisieren.
Aus "Morschenich-Alt" soll dann "Bürgewald" werden.
Ein anspruchsvolles Unterfangen. Man darf gespannt sein, wer aus einem gerade neu erbauten Eigenheim zurück in alte Dorf geht und nochmals von vorn beginnt.
Tragisch am Rande: Ausgerechnet in einem Dorf, das nun erhalten bleibt, brannte vor wenigen Monaten die Kirche ab.


Auch hier fahre ich bis zum Tagebaurand, der sehr unspektakulär aussieht. Keine Arbeiten mehr zu sehen. Nur Ruhe und Frieden herrschen hier, fast schon romantisch.



Zurück in den Ort und am anderen Ende hinaus rolle ich bei strammem Gegenwind Richtung Zuhause.


Zurückblickend eine fast spektakuläre Perspektive, als verschwände das Dorf jeden Moment in der Kohlegrube.
Seitlicher Blick: Ganz hinten kurz vor dem Horizont ist die Manheimer Kirche zu erahnen.



Eigentlich hatte ich mich auf den Wetterbericht verlassen, der leichten Wind aus Südost vermeldete. Doch der kommt dann doch eher deutlich aus Osten, so dass ich mich für den Rückweg auf einigen Kilometer am Gegenwind direkt von vorn  erfreuen darf. Was auf dem ElliptiGo allerdings keine wahre Freude darstellt, denn man kann sich nicht klein machen, steht voll aufgerichtet im Wind...😏
Also einen kleineren Gang gewählt und auf zu den letzten Kilometern. Ich motiviere mich mit einem kühlen Radler, zur Abwechslung selbstgemischt aus Bier und Limo, das ich mir daheim gönnen werde.
Als ich nach 29,9 km vor der Haustür ausrolle, öffnet sie mein Mann, der seinerseits 21 km laufend absolviert hat. Und in der Hand hält er .... den ersehnten Tropfen! Wie der mundet bei 25°!😀

Eine rundum schöne Tour. Das macht den Muskelkater, der mir unzweifelhaft morgen bevorsteht, leichter verschmerzbar.

13 Kommentare:

  1. Wieder mal eine Ellie-Ausfahrt!
    Das ist doch genau das richtige für eine Regenerationswoche. Und deine Umgebung ist auch immer sehr interessant für Erkundigungen.
    Wie lange war denn deine Tour? Bist du zeitgleich mit Chris weggegangen und wiedergekommen?

    Ich geniesse es immer, diese sattgrünen Landschaften zu sehen. Schön, dass Mitteleuropa dieses Jahr gar kein Trockenheitsproblem zu haben scheint, es fällt wohl mehr Regen als in den letzten paar Jahren.

    Erhole dich gut vom Muskelkater, liebe Elke!

    Liebe Grüsse aus dem morgendlichen Cape Town! (wo es etwas mehr Regen vertragen könnte)

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    1. Liebe Catrina,
      die Tour hat richtig gut getan. Es waren 29,9 km. Die zwar weniger anstrengend sind als gelaufen, aber doch anstrengender, als geradelt.
      Wir sind etwa zeitgleich gestartet, er war vor mir zurück, ich hatte ja auch einige Fotostopps gemacht.
      Das frische Frühlingsgrün begeistert mich immer wieder und dieses Jahr hatten wir wirklich reichlich Regen. Ich hoffe, der Sommer wird nicht wieder so trocken wie zuletzt.
      Liebe Grüße aus dem noch sonnigen Rheinland!
      Elke

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    2. Sorry, Elke, ich habe die Frage sehr ungenau gestellt. Mit "lange" meinte ich die zeitliche Länge - aber aus deiner Antwort kann ich das herauslesen.
      Ich bin sicher, du kannst die "noch" sonnige Zeit nützlich draussen verbringen!

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    3. Ah, da habe ich aber auch genau falsch verstanden. Ich hatte 1:52 Std auf der Uhr, habe sie aber nicht bei allen Fotostopps angehalten.
      Ha, nun ja, habe noch schnell die Fenster geputzt, die gerade nicht sonnenbeschienen waren. Aber es wird schon leicht drückend draußen. Da legt man am besten die Füße hoch ;-)

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  2. Und wieder mal ein spannender Bildermix aus der Abbruchkante ... grüne Landschaften und dystopische Einsamkeit. Immer wieder faszinierend.
    Übrigens:
    https://dasklima.podigee.io/112-dk112-das-leben-mit-dem-tagebau
    Ich höre superselten Podcasts, aber die sind immer gut.
    Der Muskelkater ist jedenfalls "wohl verdient" nach so einer langen Elli-Auszeit.
    Und die Frage aller Fragen: wieso hast du die 30 nicht vollgemacht?! ;-)

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    1. Lieber Oliver,
      ja, das ist immer wieder eine spezielle Ecke, da an der Kante. Und es wird sicher noch interessant, wie es da so weitergeht.
      Danke für den Podcast-Link, höre ich mir in Ruhe an!
      Ha, die Frage nach den 30 habe ich mir auch gestellt. Hatte ehrlich gesagt die km gar nicht im Blick und einfach vor der Haustür die Uhr gestoppt. Klar hätte ich die 30 sonst vollgemacht!
      Liebe Grüße
      Elke

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  3. Liebe Elke,

    eigentlich interessant, dass ausgebuddelte Zeugen der Vorzeit interessanter werden mit zunehmendem Alter der Rumliegzeit. Mir hat sich diese Logik nie ganz erschlossen … was aber häufiger der Fall ist und also nix heißt ;)

    Deine rollende fast-Namensgleiche und du gebt sicher ein hübsches und flottes Pärchen ab. Sie ist ja wirklich giftig grün - noch ein bisschen heftiger grün als der Frühling. Viel gemeinsames Vergnügen wünsche ich euch noch auf allen euren gerollerten Wegen!

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    1. Gruß von Lizzy (vergessen, den Namen oben einzutragen)

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    2. Liebe Lizzy,
      haha, interessanter Gedankengang bezüglich des Alters von Bodenfunden. Für mich persönlich wird es dann aber doch irgendwann weniger spannend, Dinosaurier & Co oder ganz frühe Stadien der Menschheit berühren mich eher weniger.
      Die Elli hat so eine schöne frische grüne Farbe und das Rollern mit ihr ist immer wieder ein Vergnügen!
      Liebe Grüße
      Elke

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  4. Liebe Elke,
    hurra, Elli ist wieder da! :D
    Sie ist mir schon abgegangen - aber sie scheint die lange Pause gut weggesteckt zu haben und trägt dich wieder hui-wui durch die Gegend und bis zum Grubenrand! Irgendwie ist das alles noch immer schaurig, was da mit den Orten und ihren Bewohnern passiert. Verkauf, Umsiedlung, Abriss oder nicht, Rückkauf - puh, ich wüsste nicht, was ich in so einer Situation tun würde.
    Gratuliere zur gerollerten Runde und hoffentlich fällt der Muskelkater nicht zu arg aus! :)

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    1. Liebe Doris,
      ich verstehe auch nicht, warum ich sie so lange in der Garage ließ. Letztes Jahr war es mir oft zu windig, und Regen geht auch nicht. Aber nun habe ich ja auch zeitlich ganz andere Möglichkeiten. Die werde ich nutzen.
      Ich wüsste auch nicht, was ich als Betroffene von solchem Umsiedlungs-oder-nicht-Wirrwarr machen würde. In der Zeitung las ich von zwei jungen Männern, die durchaus gern zurückgehen würden und die Projektidee auch gut finden, aber die Auflagen und damit verbundene Finanzerfordernisse scheinen ziemlich hoch.
      Der Muskelkater hielt sich im Rahmen. :-)
      Liebe Grüße
      Elke

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  5. Liebe Elke,

    sehr schön wieder einmal von euch beiden ;-) zu lesen, auch wenn die Fahrt zurück im Wind nicht so angenehm war!

    ... und schön, dass du wieder 'rausgekommen' bist. Auf dem vorletzten, bzw. drittletzten Bild sieht es so aus, als könnte man mit dem Dorf zusammen in die Grube fallen, wenn man da 'runter fährt'! - Das Bild hast du diesbezüglich super gut getroffen!!! - ... schaurig schräg ... stimmt! Aber danke für die bildhaften Eindrücke!

    Gut dass sich der Muskelkater in Grenzen gehalten hat, sonst hätte ich im Rückblick gesagt, nicht gerade geeignet für eine Regenerationswoche ... aber so! :-)

    Krass finde ich auch, dass ein Konzern wie RWE so über das Schicksal von Ortschaften verfügt ... na, und dass man einen so schönen Forst (Hambach) so kaputt macht, kann ich eh nicht nachvollziehen! Aber das hatten wir ja schon! - Mal sehen wie das mit Morschenich weitergeht!

    Viel Spaß weiterhin bei Ausflügen mit deiner Elli und
    liebe Grüße Manfred

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    1. Lieber Manfred,

      ach es hat so viel Spaß gemacht, da war mir der Muskelkater egal. Und in Duisburg hatte ich mich ja auch nicht bis zum letzten Körnchen verausgabt, da passte das.
      Es ist wirklich teils krass, was da so passiert am Grubenrand. Und es wird spannend, wie es sonst noch so weitergeht hier.
      Danke und liebe Grüße
      Elke

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