Laufend lesen

Mittwoch, 25. November 2015

Laufen erleichtert den Alltag

Man weiß bekanntlich um den gesundheitsförderlichen Aspekt des Laufens (wobei ich hier laufbedingte Beeinträchtigungen einmal außen vor lassen möchte). Doch auch im normalen Alltag entfacht es wunderbare Nutzen!
Jedenfalls, wenn Bahnfahren zum Alltag zählt.

So wollte ich am Montag mit diesem Verkehrsmittel nach Frankfurt. Was bedeutet, dass ich zunächst aus unserem Wohnort in die Domstadt anreisen muss.
Um die Chance zu erhöhen, dass die Bahn dies erfolgreich bewerkstelligen würde, fuhr ich extra per Auto zum nächsten Ortsteil, weil dort neben der S-Bahn noch andere Regionalzüge halten. So war ich einige Minuten vor der Zeit im jüngst modernisierten Bahnhof und vertrieb mir die Wartezeit im wärmenden Gebäude, denn morgens um 6 ist die Welt vielleicht noch in Ordnung, auf alle Fälle aber ziemlich kalt.
Ich blättere in der einen und anderen Zeitung im Shop und schaue ein wenig herum. Mein Blick fällt auf die Anzeigetafel. Nanu - was steht denn da unter der anvisierten S-Bahn nach Köln...?
"Bahn fällt aus".
Drei Worte, die mir sofort Stress machen, denn mit der nächsten S-Bahn würde ich den ICE nach Frankfurt nicht mehr erwischen, würde auf alle Fälle zu spät am Zielort im Frankfurter Umland ankommen.
Schock!
Aber meine Augen erspähen nochmals Köln auf der Tafel. Es fährt eine Bimmelbahn um 6:08.
Die Uhr zeigt 6:06.
Das Problem: Diese Bahn fährt von Gleis 19. Gleis 19 befindet sich aus bahnhistorischen und sich somit keiner rationalen Denkweise erschließbaren Gründen nicht am Bahnhofsgebäude, sondern ganz weit draußen, noch hinter dem sehr groß angelegten Park&Ride-Parkplatz.
Mein Reflex sagt "laufen" und so klemme ich die Tasche fester unter den Arm und laufe los.

Zunächst eine Treppe hinab zur Fußgängerunterführung. Die dank der kondensierenden Feuchtigkeit leicht rutschigen Fliesen lassen kein großes Tempo zu, doch hinter dem Tunnel wird der Bodenbelag griffiger. Eine weitere Treppe wartet, diesmal nach oben.
Ich überschlage meine Möglichkeiten. Die Gesamtdistanz dürfte bei 200 - 300 m liegen. in 2 Minuten machbar. In Sportkleidung und -schuhen. Doch selbige habe ich heute morgen nicht gewählt, sondern dem Anlass angemessene Geschäftskleidung.
Und Schuhe mit Absatz.
Die Lunge brennt schon bald bei der kalten Luft.
Und was ist, wenn die Uhr schon bei 6:06:59 stand UND die Bahn wäre pünktlich? Dann wäre das 1:02 Minuten für im günstigsten Fall 200m.
Wow, das wäre eine durchaus stolze Pace.
Da lege ich doch noch einen Zahn zu.
Das muss ein seltsamer Anblick sein für die anderen Leute, die mir entgegenkommend gerade vom Parkplatz zum Bahnhof gehen. Aber DIE wissen ja noch gar nicht, dass sie dort eine kleine Überraschung erwartet...

Den P&R-Parkplatz habe ich inzwischen halb überquert. Gaaanz hinten sehe ich den Gleiszugang - und noch ein paar weitere Frühsprinter.
Ich nähere mich einer etwas fülligen jungen Frau. Hey, das ist ja wie bei einem richtigen Rennen: Von hinten dem Gegner nähern, und ihn dann passieren.
Ich bin ganz schön außer Atem.
Inzwischen sind wir am Zugang zum Gleis, das aber immer noch ca. 50 m entfernt ist.
Da fährt der Zug ein.
Himmel, lass jetzt viele Leute aus- und einsteigen!
Ich renne an der jungen Frau vorbei.
"Halten Sie mir die Tüüür aauuuf!" ruft sie von hinten.
"Jaha, wenn ich den noch erwische!"
Noch 20 m. Alle, die aussteigen wollten, sind ausgestiegen, nun gehts ans einsteigen.
Noch 10 m.
Ein Fahrradfahrer schiebt mir sein Rad entgegen, ich muss einen Bogen um ihn herum laufen.
Noch 5m.
Alle sind drin.
Endspurt, das MUSS jetzt werden!
Das Türschließpiepsen setzt ein.
Der mir am nächsten liegende Türflügel bewegt sich.
Noch ein Schritt - ich bin drin!
Und bleibe so stehen, dass die Lichtschranke reagiert und die Tür sich wieder öffnet.
Hoffentlich kommt das Mädel jetzt aber!
Da kommt sie angeschnauft, beeilt sich, so gut sie noch kann, und kommt ebenfalls rein.
Und was sagt diese junge Dame?
Ihrem Munde entweicht ein hingekeuchtes "Scheiße!".
Nana, ich hatte da mit etwas anderem gerechnet.
Und sage einfach in gleicher Lautstärke "Danke!"
Sie schaut etwas verdattert und murmelt ein "musserstmalLuftkriegen".

So, ich muss jetzt los. Geht zur Bahn. Fernreise nach München.
Schaun mer mal ;-)

19 Kommentare:

  1. Liebe Elke,

    mit dem Training hast Du Dich eindeutig für einen High Heels Run qualifiziert :-)))

    Die Bahn ist aber auch nett und sorgt für ausreichend sportliche Betätigung ihrer Reisenden. Sei froh, dass die dafür keinen Aufpreis nehmen ;-))

    Trotzdem wünsche ich Dir eine etwas entspanntere Reise nach München!

    Liebe Grüße

    Volker

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Volker,
      psst, nicht dass die Bahn auch noch auf solche Ideen mit "Event-Zuschlag" kommt...
      Die Münchenreise war danach dann aber in dieser Hinsicht völlig entspannt und sehr nett!
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  2. Frühsport im Besten Sinne :)
    Als ich noch mit Bahn und Bus unterwegs war hatte ich oft solche Szenen. Aber vermissen tue ich die ganz und garnicht. Gehören da ja eher zum normalen Zustand durch das Rennen vom einen (verspäteten) Zug zum nächsten Anschluss ;)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Markus,
      öfter brauche ich das dann doch nicht. Aber leider, bei unserer Bahn muss man immer mit sowas rechnen...
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  3. Ein spannendes Rennen! Und dass die Verliererin enttäuscht ist, kann ich verstehen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Spannend war es in der Tat. Ich glaube, der Kommentar der jungen Dame bezog sich irgendwie darauf, dass sie gezwungen war, sich körperlich zu bewegen. Wobei ich nicht ganz unstolz war, dass mein Sprint erfolgreich war
      ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  4. Herrliche Geschichte! :-)

    Viel Spaß in München und liebe Grüße,
    Anne (die gerade erst gestern wegen Nicht-Laufen-Könnens einen Bus verpasst hat, den sie normalerweise locker bekommen hätte)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Anne,
      ja das Leben bietet manchmal die überraschendsten Erlebnisse! Ich bin sicher, demnächst wird der Bus auch keine Chance gegen Dich haben!
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  5. Liebe Elke,
    die wahren Rennen spielen sich abseits der organisierten Laufveranstaltungen ab. :D
    Spannend bis zur Lichtschranke!! :)
    Ich wünsche dir eine etwas geruhsamer weitergehende Dienstreise.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Doris,
      stimmt, ein Lauf muss nicht immer organisiert und vorgeplant sein... :-)
      Die Münchenreise war dann in dieser Hinsicht deutlich besser.
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  6. Ach wie schön sich das doch liest :-)))
    Perfekt. Ein Wettkampf so früh am morgen.
    Und auch noch gewonnen.
    Und mit Stöckelschuhen.
    Elke, du bist mein Held des Tages :-)
    Liebe Grüße
    Helge

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Helge,
      wäre vielleicht glatt noch eine neue Disziplin: "Morgensprint der Berufstätigen", wahlweise 500m oder 1000m :-)
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  7. Liebe Elke,
    .
    machmal vermisse ich den ÖPNV doch sehr. Aber da hast du mich gerade mal an die andere Seite erinnert. Solche Sprints kommen mir auch sehr bekannt vor und dann oft noch rumgurkend, um die langsamen Mitreisenden auf der Treppe. Da vermisse ich nichts. Wie gut, dass sich dein Training da auszahlt.

    Liebe Grüße!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Roni,
      da ich normalerweise immer etwas früher vor Ort bin, bleibt mit manches erspart, aber das gelingt halt nicht immer. Wie ist das denn in Texas? Ist da der öPNV pünktlicher oder fährt man sowieso nur Auto?
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
    2. Da wo ich wohne gibt es gar keinen ÖPNV, darum vermisse ich ihn ja. (Über die Buslinien in der Innenstadt kann ich nichts sagen, denn da bin ich nie.)

      Löschen
  8. Liebe Elke,

    so ist sie, die Bahn. Und wenn es einen guten Grund gibt, trainiert zu sein, dann wohl dafür. Ich glaube aber, dass die wenigsten es schaffen, in der Situation noch die Entfernung und die Pace zu rechnen. :-)

    Gruß an die Heldin!
    Anja

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Anja,
      das stimmt, ohne Lauftraining wäre ich da sicher chancenlos geblieben. Und da beim Sprint ja alles gut durchblutet war, inklusive Hirn, gelang dieser einfache Dreisatz dann doch ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  9. Hey Elke,
    ich glaube ja, wenn Du nicht "Danke" gesagt hättest, hätte sie sich gar nicht mehr geäußert. Schade eigentlich oder? Also, dass ich das denke.
    Du hast diesen Sprint wirklich herrlich beschrieben! Danke dafür.
    Viele Grüße,
    Claudi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Claudi,
      ich glaube, die junge Dame erwartete, dass man ihr selbstverständlich die Tür offen hielt und hätte wohl auch mehr nicht gesagt. Daher habe ich mir einfach ein "Danke" erlaubt... Alte Frau darf das... ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen