Eigentlich wäre dieses Wochenende wieder der wunderbare Marathon Via Belgica an der Reihe gewesen (2022, 2023,), doch leider wurde der mangels Sponsoren kurzfristig abgesagt.
Was tun? Ersatz muss her. Zufällig stolpere ich über den eifeler Vennlauf, den wir 2019 erstmals liefen, der danach leider mangels Organisatoren ausfiel, nun aber wiederbelebt wurde. Ein profilierter Landschaftslauf, nicht ohne, aber reizvoll.
Während Chris ist für seinen Verein anderweitig unterwegs, gönne ich mir für nur 10 EUR ein preiswertes Vergnügen. Am Vortag mache ich mir noch Sorgen ums Wetter. Es regnet den ganzen Tag, wie mag das dann erst in der Eifel aussehen? Mützenich, der Austragungsort, ist ein Stadtteil von Monschau und bekannt für rauhes Klima. Doch im Lauf des Tages gewinnt die Sonne die Oberhand. 16° werden es, und wie macht sich dazu der hiesige Eifelhöhenwind bemerkbar? Schlussendlich entscheide ich mich, richtigerweise, für kniekurze Tight und dünnes Longshirt.
Auf dem Dorfplatz ist viel los, über 500 Starter/innen werden erwartet auf Distanzen von Kinderlauf bis Halbmarathon.
Wer letzteren hier läuft, weiß, was er sich antut. Das Profil ist gemein. Nach 2 km sofortigem Anstieg geht es bis km 11 nur abwärts. Und dann, klar, alles wieder rauf, bis km 19. Die 235 Höhenmeter hören sich leichter an, als sie sind. Der Blick auf die Teilnehmerliste zeigt, dass sehr viele Sportvereine aus hügeligen Gegenden vertreten sind. Schon 2019 lag ich Flachländerin daher ziemlich weit hinten im Klassement und erwarte mir daher auch diesmal keine gute Platzierung im Mittelfeld. Aber vielleicht in der AK?
16:45 Uhr geht es los, sofort die ersten 2 km bergan. Ich sortiere mich passenderweise gleich ziemlich hinten ein. Ein Läufer steht mit flammneuen Carbon-Schuhen am Start, was einige belustigte Kommentare verursacht. Zwar sind ca 2/3 der Strecke asphaltiert, aber dazwischen liegen einige hundsgemeine Trailabschnitte. Leider weiß ich nicht, ob ihm sein Hightech-Equipment nutzen wird.
Kurz nach diesem Foto ereilt mich nach 1,5 km ein selbsterzeugtes Malheur: Ein Schnürsenkel löst sich. Ich könnte mich....😖. Nun denn, nützt ja nichts. Und dann will der Doppelknoten nicht auf Anhieb gelingen ... 😠😡 Da läuft dann auch noch fast das ganze Restfeld an mir vorbei. Also wollen die Beine erstmal aufholen - bergaufwärts. Sicher nicht die beste Idee, jedoch die Schmach des Besenrades bei mir möchte ich auch nicht erleiden. Ich kann dann auch einzelne wieder einfangen.
Gottseidank folgt auch bald der Einstieg in die lange Abwärtspassage. Mir kommen schnelle Läufer entgegen, die Spitze des vor uns gestarteten 10-km-Laufs. Ein Radfahrer versucht, den ersten Läufer kräftig strampelnd mit anstrengungsrotem Kopf einzuholen. Hat da etwa der Erste sein Führungsrad abgehängt?
Dieser Trail ist beileibe nicht überall so trocken. An Schattenstellen konnte sich anscheinend das Regenwasser besser halten. Es ist dermaßen matschig, dass diejenigen mit normalprofiligen Schuhen teils nur vorwärts rutschen können. Ich bin sehr froh um meine Terrex, die wunderbar Halt bieten und kann wieder an ein paar Läufern vorüberhuschen.
Nach dem steilen Trailabschnitt folgen dann viele sanftere Abwärtskilometer. Man kann die wunderbare Landschaft des naturgeschützten
Hohen Venns ein wenig genießen. A propos: Wir haben längst die Bundesrepublik verlassen, der meiste Teil des Laufs führt über belgisches Gebiet. Auch daran zu erkennen, dass die Veranstalter keine Markierungen mit Sprühfarbe verwenden dürfen, sondern sich mit reichlich Sägemehl behelfen müssen. Zusätzlich sind auch genügend und freundliche Posten unterwegs platziert, Verlaufen und gar Versinken im Moor ziemlich ausgeschlossen.
Längst hat sich das Feld weit auseinander gezogen. Knapp 130 Starter/innen verlieren sich hier. Ich laufe in meinem Trott ganz gut, klar, bergab gibt Schwung! Ein Läufer schiebt sich noch an mir vorbei, den kann ich noch zurück-überholen.
Allerdings geht dann ab km 11 das Elend der Anstiege los. Bald habe ich das Gefühl, die Beine lagern Blei ein. Das scheint bei anderen weniger der Fall. Ein paar ältere Kämpen kommen von hinten an- und vorbeigedieselt. Weiß der Kuckuck, wie die das machen.
Ein Jüngerer motiviert mich, ungewollt. Immer wieder muss er Geh- und Stehpausen machen, reibt sich die Waden. Ihn kann ich an einem sanfteren Anstiegsabschnitt überholen.
Aber dann lauert ja noch der Trail, auf dem vorhin die 10'er entgegenkamen, nun auch für mich aufwärts, uff. Inzwischen bin ich völlig allein auf weiter Flur.
Und dann kommt auch noch eine Extraschleife ab km 19. NOCH mehr Schlamm!
Aber bald ist es ja geschafft. Erneut kommt man am ersten Verpflegungspunkt vorbei, nun aus der Gegenrichtung. Und dann rollt es sich auch wieder unterstützt durch Gefälle halbwegs locker dem Ziel entgegen.
Von einem Balkon applaudiert mir noch ein älterer Herr als letzter Vertreter der Zunft "Publikum" freundlich, die letzte Kurve, der Startbogen grüßt. Er ist allerdings nicht der Zielbogen....
es geht noch eine Ecke weiter Richtung Dorfplatz ...
... und nochmal 90° nach links und da ist das Ziel! Ich freue mich über ein wenig Applaus. 4 Minuten vor und 4 Minuten nach mir kein weiterer Finisher. Kein Wunder, 101 sind schon im Ziel. Doch nach mir folgen immerhin noch 19. So ähnlich hatte ich es erwartet. Die AK W60 gewann eine Läuferin in 1:55 Std, klasse. Meine 2:19 waren nun doch langsamer als 2019 (2:05), aber da war ich ja auch noch jünger 😏
Im Ziel sinke ich auf eine Bank. Neben mir sitzt ein junger Läufer mit seinen Eltern. Er hat seinen ersten Halbmarathon hier absolviert und ist geschafft. Er findet, das schlimmste sei ja, dass man unterwegs nicht aufhören könne, man MUSS ja irgendwie ins Ziel zurück. Und dann noch dieser elend lange Anstieg. Oh je, ob er hier nochmal teilnehmen werde, mag er gerade nicht sagen. Aber vielleicht wählt er ja eine flachere Strecke für den nächsten Start.
Auch wenn ich am nächsten Morgen mit einem veritablen Muskelkater erwache (der sich beim Gang über einen sehenswerten Töpfermarkt doch recht gut therapieren lässt), ich könnte mir ein Wiederkommen vorstellen. Falls sich der Termin nicht mit dem Via Belgica 2025 überschneidet.