Laufend lesen

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Déjà-vu auf der Allmend

Mein Plan sah gestern Intervalle vor (3x 4km à 6:10), was ein halbwegs verkehrsfreies Gelände als vorteilhaft erscheinen lässt. Mein eidgenössischer Ehemann will mitkommen und schlägt dazu die Thuner Allmend vor, wo er bereits gute Lauferfahrungen gemacht hat. Eine Allmend ist, vereinfacht ausgedrückt, ein Gemeinschaftsareal eines Ortes. In Thun ist es eine riesige Wiese, in der Mitte ein kleiner Sportflugzeugplatz, drumherum eine rd. 3,5 km lange Piste, sogar mit eigener Skaterbahn. Untendrunter verläuft ein Autobahntunnel. Am Außenrand liegen Militärgebäude, auch ein Sportplatz grenzt an. Jenseits der flachen Wiese sind weitere naturbelassene und profilierte Areale, die die Armee zu Ausbildungs- und Übungszwecken nutzt.
Von unserem Balkon aus können wir die große Fläche weit unten im Tal gut sehen, und gestern hörten wir sogar Schießübungen. Dennoch meinte mein Mann, das sei kein Problem. Auf also zu diesem neuen Laufgebiet.

Natürlich ist ein Rundkurs in solcher Dimension prima für Intervalle und es läuft locker-flockig, sogar mal wieder zu schnell und unter 6 Min/km.

Einiges gibt es zu sehen:
Auf Übungsplätzen üben sich Absolventen der Rekrutenschule (wir würden sagen: Grundausbildung) in Funktechnik. Fotografieren lasse ich bleiben, wer weiß, ob das nicht falsch verstanden wird.






Ein Flieger macht sich auf dem Flugfeld startklar.









Hier und da erkennt man im Gelände installierte Feindbilder. Dazu dringt immer wieder kräftiges "Krabumm" an unsere Ohren. Für mich hört es sich durchaus nach Kanonendonner an, aber mein RS- und WK-erfahrener (Grundausbildung und Wehrübungen) Mann erkennt fachmännisch, dass das nur Handgranaten seien, und die seien weiter weg.




Die Skaterpiste ist sogar speziell markiert. Super-Service!












Und Warnhinweisschilder säumen ebenfalls die Piste, um die verschiedenen Allmendnutzer zu koordinieren.

In der Mitte der großen Freifläche befindet sich dieses "etwas". Aus der Ferne grüßen Eiger, Mönch und leicht verdeckt die Jungfrau.

Während wir so im Kreis traben, werden wir von dem einen oder anderen tarnfarbenscheckigen Militärfahrzeug überholt.
Gerade stimme ich innerlich das Hohelied auf dieses freisinnige Land an, wo man so munter und friedlich gar ein militärgenutztes Gelände belaufen darf, wohingegen ja in unserer Republik sogar ungenutzte Autobahnen für Läufer verboten sind (Post), da sehe ich weit vor mir meinen Mann stehend am Streckenrand. Er war in meiner Intervallpause schonmal vorangetrabt, ich setze gerade zum zweiten Intervall an und ahne.... Er ist von einem Militär angesprochen worden, ob er denn zur Rekrutenschule gehöre (rhetorische Frage: Dann wäre er wohl kaum im Hamburg-Marathon-Shirt unterwegs, sondern in Tarnfarben-Outfit), und wenn nicht, dürfen wir hier nicht laufen. Das sei nur ab 18 Uhr und am Wochenende erlaubt und doch auf großen Tafeln zu lesen. Wir haben keine gesehen.
Also laufen wir noch die Runde bis zum Auto weiter, verärgert, dass uns das nun das Training verhagelt. Ein wenig wird uns der Abschied erleichtert, als Panzer an uns vorbeidonnern, auf Asphalt entwickeln die wirklich Mörderkrach, vor allem, wenn man fast danebensteht.

So improvisieren wir also und bewegen uns notgedrungen entlang einer schmalen Landstraße ohne Radweg weiter, bis wir im nächsten Dorf den Gehweg nutzen können. Der zwingt uns dann noch ein wenig in die Höhe, da der Ort an einem Hang liegt. Und immer begleitet uns das Krachen der Granaten.
An einer Kreuzung entdecken wir eine Radwandertafel und suchen uns einen Weg zurück mit weniger Kanonendonner, denn inzwischen scheinen die Panzer ihre Schießübungen zu absolvieren.

Letztendlich können wir unsere Trainings doch noch gut zu Ende bringen. Am Auto angelangt muss ich dann doch Abbitte leisten, denn gleich daneben steht dieses quadratmetergroße Schild:


Wer lesen kann, und dies zur Anwendung bringt, ist definitiv im Vorteil. Also nächstens dann mal am Wochenende auf diesem schönen Platz :-)

6.10.:
19 Grad, 6,3 km, 41:51, (6:36 Min/km), Puls 125

8.10.:
20 Grad, 15,5 km, 1:39:48 (in Intervallen mit Pausen), (6:27 Min/km über alles), Puls 133

7 Kommentare:

  1. Also wirklich, da überseht Ihr einfach die Benutzungsordnung für Zivilpersonen. Das ist ja wirklich unglaublich und unerhört. Da könnt Ihr froh sein, nicht gleich in Gewahrsam genommen zu sein ;-)

    Euer Blick lag wohl eher auf dem herrlichen Alpenpanorama, auf das ich leider schon wieder verzichten muß *seufz*

    Liebe Grüße
    Volker

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    1. Lieber Volker,
      genau, Du hast es erfasst, wer schaut schon auf ömmelige Schilder, wenn man solche Rundumblicke genießen kann! Muss ich auch tanken, diesen Anblick, muss ja mal wieder länger vorhalten.
      Ja wären wir noch 25 Jahre zurück und dies hätten wir in einem Teil Deutschlands so getan, hätten wir wohl länger kein Tageslicht mehr gesehen...
      Liebe Grüße
      Elke

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  2. Liebe Elke
    So, jetzt ist die Dosis an Nervenkitzel wohl für diese Marathon-Vorbereitung gedeckt!
    Erst die "Bazillen", dann eine Polizei-Intervention beim Longrun-Training und nun noch eine Wegweisung durchs Militär ;-)
    Nun soll euer Tapering schön gemütlich in ruhigen Bahnen verlaufen und euch zu einem gelungenen Marathon führen als Belohnung für all diese Aufregungen!!!
    Liebe Grüsse
    Marianne

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    1. Liebe Marianne,
      über Langeweile konnten wir uns beim Training wirklich nicht beklagen. Danke für Deine guten Wünsche!
      Liebe Grüße
      Elke

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  3. So ein schönes Laufareal einfach unterwöchig für Zivilpersonen nicht zuzulassen ist ja auch so schade, dass man ein solches Schild auch gerne übersehen kann. Die Schweizer sind ja in ihrer Amtssprache immer noch besser als die Deutschen. :-)

    Schön angefangen und dizipliniert zu Ende gebracht, würd ich sagen.

    Das mit der Schießerei find ich im übrigen unheimlich. Ich bin in der Eifel groß geworden und die Belgier hatten eine Kaserne bei uns im Wald. Dort gab es häufig Manöver und die Schießerei hat mich immer beängstigt. Schlimmer noch, wenn man morgens zur Schule ging und Panzer und "getarnte" Soldaten im Ort verteilt lagen. Komisch sowas... schimmer noch, dass es viele Menschen auf der Welt gibt, die das ernsthaft erleben müssen. Puh... ich drifte ab.

    Schöne Fotos und wieder was über die Schweiz gelernt.

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    1. Liebe Anja,
      ja hier gibts wirklich noch sehr viele andere Ausdrücke. Zum Beispiel wird man hier gebüßt, wenn man etwas verbotenes tut. Hört sich für unsere Ohren auch lustig an.
      Du hast in einem Ort mit Dauerknallerei gelegt? Das stelle ich mir ja ziemlich schräg vor, fast wie im Krieg.
      Viel Spaß heute Abend und liebe Grüße
      Elke

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    2. Na, keine Dauerknallerei aber es hab halt häufig Manöver. Ich könnte heute gar nicht mehr sagen, ob das einmal in der Woche, einmal im Monat oder jeden zweiten Tag war (Letzeres wohl unwahrscheinlich) aber es kam häufig vor. Und, obwohl ich ja nie Krieg erlebt hab, fand ich es immer beängstigend, vor allen Dingen nachts.

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