Laufend lesen

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Nachgedanken

Schon wieder zurück im Alltag, nach einem schönen Wochenende in München, das wir nach dem Marathon noch um 2 Tage Sightseeing verlängert haben. Wir besuchten das deutsche Museum (ich für meinen Teil mit ächzenden Beinen und erfreut über die vielen Besuchersitzbänke in den Ausstellungen) und das BMW-Museum (ich für meinen Teil immer noch erfreut über die auch dort pfiffig als Klappsitze in den Wänden platzierten Besuchersitzgelegenheiten). Auch am Viktualienmarkt kann man sitzen.


Nach einem Marathon fällt es mir schwer, wieder herunterzukommen. Ich will das auch gar nicht, möchte die 1000 Gedanken bewegen und ihnen nachhängen, die mir im Kopf herumschwirren. Ich gehe durch eine interessante Stadt wie München und der Kopf hängt immer noch gedanklich im Vortag fest.

Lauter einzelne kleine Erinnerungen blitzen auf, Eindrücke aus dem Lauf, Geräusche, Musik, Gerüche, Ansichten, Gedanken die mich während des Laufs beschäftigten. Alle zusammen ergeben sie für mich DAS Lauferlebnis, das ich erlebt habe.

Das mag ein sehr subjektives Erinnern sein, vielleicht hier und da verzerrt, weil ich mich beim Lauf gerade über etwas ärgerte, oder mich über etwas freute oder mich etwas leiden ließ. Jeder Läufer hat ja gerade deshalb sein eigenes Bild des Laufs.
Spannend, was jeder auf den 42,195 km erlebt, innerlich und äußerlich!





Vor meinem allerersten Marathon, 2012 in Paris, kam mir dieses Unterfangen gigantisch vor. Für mich persönlich anmutend wie eine Reise zum Mond. Und dennoch, irgendwann setzte sich der Floh fest und nahm Gestalt an, wurde konkret in Trainingsvorbereitung und Reiseplanung.
Und dann steht man eines Tages, ziemlich nervös im Startblock, sich fragend, was da nun auf einen zukommt.




Dabei ist es eigentlich eine ganz einfache Sache: Man braucht keine kostspielige Ausrüstung, keine teuren Gerätschaften, kein kompliziertes Erlernen von Techniken.
Einfach loslaufen ist die Devise.








Nun gut, ein paar rudimentäre Dinge sind erforderlich: Gutes Schuhwerk, adäquate Laufkleidung, eine Grundportion Trainingswissen. Doch gegenüber anderen Sportarten empfinde ich die Lauferei als sehr leicht handhabbar.







Was nicht heißen soll, dass man nicht auch daraus eine Wissenschaft machen kann - aber nicht muss.
Anfangs hatte ich bisweilen den Eindruck, so ein Marathon ist doch eine furchtbar komplizierte Sache. Woran man da alles denken muss! Was bedacht sein will!
Wann, wie und warum welche Trainingseinheit?
Was ist die rechte Strategie beim Lauf?

Man kann sich verwirren lassen, ist aber nicht verpflichtet dazu.

Wenn man sich selber ein wenig mit der Materie befasst, lässt sich Durch- und Überblick gewinnen. Und das reicht mir dann auch völlig aus. Ich bin schließlich keine 20 mehr und strebe nicht nach Rekorden.









Was ich jedoch immer wieder feststelle ist, dass sich ein Marathon nicht programmieren lässt. Auch wenn man vorher alles tut für ein möglichst reibungslos laufendes Motörchen - das kann am Tag "X" sein Eigenleben entfalten. Mein Magen, der kleine Bösewicht, der mir schon den einen oder anderen Lauf vergällte.
Oder die Beine, die auch schon Krämpfe durchleiden mussten.
Und manchmal kommts umgekehrt, eigentlich hat man gesundheitlich Einschränkungen, und dann läufts besser als je zuvor.
Verstehe das einer!

So war auch München für mich nicht ohne die kleinen Kobolde, die man -virtuell- doch immer dabei hat.
Auf der einen Schulter das gemeine Teufelchen, das immerzu mahnte "Wart ab, in Amsterdam wurde es nach der Hälfte so richtig böse...".
Auf der anderen Schulter das Engelchen, frohlockend "Aber in Wien, da lief es ab der Hälfte erst richtig gut..."
Da hat man ganz viel Stoff für viele Kilometer und horcht bei fast jedem Schritt in sich hinein...




Das Tempo... Für mich immer wieder das Thema, am Anfang ja nicht zu schnell zu sein. Trotz moderner Helferlein, die man heute am Handgelenk tragen kann, weiß ich nicht, ob ich das je beherrschen werde.
Anfangs läuft es doch so locker, ach Mensch, da braucht man doch nicht langsam machen, kann ich später immer noch... und schon handelt man sich einen Teil der Pein der späteren Kilometer damit selber ein.


Oder das Thema trinken. Ich bewundere Leute, die überall kräftig an den Verpflegungsstellen trinken können, von der Aufnahme fester Nahrung ganz zu schweigen. Ich bin froh, dass ich nun beim 6. Marathon mein Verpflegungssystem gefunden habe, Rucksack und flüssiger Inhalt. Und kaum ist der Lauf vorbei, kann ich trinken und trinken und trinken (Ach war das Radler im Brauhaus köstlich...!)





Manchmal spürt man gleich nach dem Start, dass man heute irgendwie nicht den Tiger im Tank hat, sondern kleine Brötchen backen muss.





Manchmal hingegen startet man ganz bescheiden und merkt dann, heissa, heute geht was, heute wirds ein richtig großes Ding.


















Wenn ich nur wüsste, woran das liegt... immer wieder endloser Grübelstoff nach solchen Läufen.

Und dann ist da noch Petrus, den ich gern mal fragen würde, nach welchem System er uns eigentlich Marathonwetter zuteilt.
Hätte es nicht am Sonntag so wunderbar oktobergolden sein können, wie am Montag, als wir im Museum weilten?!






Doch andererseits - es hätte auch schlimmer sein können.
Alles eine Frage der Perspektive.










Interessant am Marathon finde ich auch immer wieder die Menschen, die um einen herum sind. Die Mitläufer, mal locker-leicht, mal keuchend und ächzend. Mal hager und sportlich, mal eher beleibt. Jeder hat sein Ziel, das er erreichen will. Und obwohl alle zusammen laufen, muss es jeder doch für sich allein schaffen und seinen Kampf austragen.

Dazu die Zuschauer. Was mögen sie manchmal denken? Die einen, die anfeuern und/oder jemand bestimmtes unterstützen möchten. Oder die anderen, die stumm da stehen und schauen. Halten sie die Läufer für verrückt in ihrem Tun, oder ist das Zusehen für sie nur eine andere Art der Unterhaltung, etwa wie ... panem et circensis im alten Rom? Ohne Eintritt und live noch dazu.

Egal.
Ich laufe nicht für die Galerie, sondern erfreue mich daran, eine Herausforderung zu schaffen.
Einen Weg zu gehen, der Wochen vor dem Marathon begonnen hat, meist gut läuft, manchmal aber auch holperig wird und schlimmstenfalls Unterbrechung erleidet (Was Bazillen, so klein sie auch sind, doch anrichten können).
Und wenn man dann am Tag des großen Ereignisses glücklich das Ziel erreicht ...










... lassen mich die Glücksgefühle schweben, völlig losgelöst...

Auch wenn der Körper noch anderes signalisiert.
Die Beine sich anfühlen wie aus Blei und es zugleich in ihnen hämmert und arbeitet.
Wenn jeder Schritt in jeder Faser der Muskulatur spürbar ist.
Und wenn ich mich hundertmal vor allem in den späteren Abschnitten des Laufs fragte, warum, Herrschaftszeiten, man so etwas macht.

Dann keimen schon die ersten kleinen Überlegungen, was man als nächstes in Angriff nehmen könnte....

Laufen ist schön.

18 Kommentare:

  1. Liebe Elke,

    klasse Zusammenschnitt von Bildern und Gedanken. Großartig. Du wanderst da gedanklich in einer Welt, die ich nicht kenne. Es würde mich interessieren, wie ich damit umgehe. Aber am Tag nach einem Marathon ein Museum zu besuchen, spricht mal von viel Optimismus. :-)

    Gruß
    Anja

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    1. Liebe Anja,
      danke! Ja so ein Marathon ist nicht nur körperlich ein Erlebnis und sicherlich nimmt das jeder anders wahr. Mein Mann ist schon am nächsten Tag wieder recht fit. Aber für einen Museumsbesuch, ganz gemütlich, langt es allemal. Man muss nur ein paar Päuschen mehr machen. Es tut sogar gut, sich moderat zu bewegen und zu spüren, wie sich alles wieder regeneriert.
      Liebe Grüße
      Elke

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  2. Guten Morgen Elke, ein toller Bericht zum Start in den Tag.Danke.
    LG Heidrun

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  3. Das ist eine wirklich gute Idee, Elke. Einfach aus einem Marathon noch einen Kurztrip bauen. Vielleicht machen wir das bald mal nach!
    Viele Grüße,
    Claudi

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    1. Hallo Claudi,
      kann ich nur empfehlen. Alltag hat man früh genug wieder.
      Liebe Grüße
      Elke

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  4. Liebe Elke,
    ach wie schön dein Rückblick ist! :)
    Ich glaube, gerade bei einem Marathon braucht man auch selbst ein paar Tage, bis man die ganzen Eindrücke verarbeitet hat. Schön, dass dir das so wunderbar von treffenden Bildern begleitet, gelungen ist!
    Und endlich wissen wir, wozu die Sitzgelegenheiten in Museen und Märkten wirklich gedacht sind! :D

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    1. Liebe Doris,
      Du wirst ja in 2 Tagen Deinen persönlichen Lauf erleben, mit vielen Eindrücken, Gedanken, Beobachtungen und hoffentlich ganz viel FREUDE!!!
      Genau, die Sitze sind für müde Sportler vorgesehen, klasse, an was die da so gedacht haben ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

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  5. Liebe Elke,

    Deine Marathon-Nachgedanken gerade auf der Anreise zu einem Marathon zu lesen ist schon etwas Besonderes und macht auch etwas Gänsehaut.

    Man braucht nicht viel? Ich habe sogar eine Liste geschrieben, damit ich ja nichts vergesse. Das ist aber in erster Linie auch der UInberechenbarkeit von Petrus geschuldet ;-)))

    Schön, dass Ihr noch Zeit hattet München zu erkunden und das es überall Sitzplätze gab :-))

    Liebe Grüße
    Volker

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    1. Lieber Volker,
      aber ich hoffe, es war eine angenehme Gänsehaut...? Die Packliste hat man ja immer, selbst beim normalen Urlaub. Aber frag mal Chris, was der so bei seiner Autorennerei alles brauchte!
      Viel Spaß Dir/Euch und genügend Sitzpltze ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

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  6. Liebe Elke,
    diesen Beitrag musste ich jetzt gleich zweimal lesen. Einfach schön :-)
    Wir schön du aufführst, was einem so alles im Kopf herumschwirrt.
    Und ich dachte immer, ich denke nur über sowas nach :lol:
    Und immer die treffenden Bilder dazu.
    Wirklich sehr unterhaltsam und schön :-)
    Gefällt mir
    Liebe Grüße
    Helge

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    1. Liebe Helge,
      danke. Ich bin sicher, jeder Läufer/Triathlet hat so die eigenen Hummeln, die ihm im Kopf herumschwirren, während des Wettbewerbs und danach. Wahrscheinlich ist vieles ähnlich. Aber könnte man in die Köpfe der anderen schauen, gäbe es vielleicht hier und da auch Aha-Erlebnisse.
      Liebe Grüße
      Elke

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  7. Sali Elke

    Wunderbar geschrieben, Gratulation!

    Meinereiner ist bereits wieder rastlos, denn Laufen ist schön. Aber wem erzähle ich das? 😉

    Liebe Gruess

    Vloggy

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    1. Hoi Vloggy,
      danke Dir! Aber schön vorsichtig, gell, dass Du nicht gleich wieder Malaisen erleiden musst! Und die Ente nicht vergessen! Ich hätte ja auch schon wieder Lauflust, aber das nasse Wetter und Erkältungsbazillen stellen aktuell gute Gegenargumente dar.
      Liebe Grüße
      Elke

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  8. Da war der Kopf noch voll, liebe Elke! Gedanken, die immer wieder mal durch den Kopf gehen, wunderbar mit bildhaften Eindrücken aus Stadt und Museum verknüpft. Mir geht's so, dass ich während eines Laufs normalerweise gar nicht recht zum Denken komme. Vorher und hinterher dann aber um so intensiver ...

    Liebe Gruesse,
    Anne

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    1. Liebe Anne,
      das finde ich so eine spannende Sache bei solch besonderen Läufen, wie jede/r damit umgeht und was in einem abläuft. Dann bist Du eher wie "abgekoppelt"? Ich brauche bewusst Ablenkung um mich herum das mir Gedankenfutter gibt. Aber auch das "Hinterher" finde ich immer interessant.
      Liebe Grüße
      Elke

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  9. Liebe Elke
    Wunderbar philosophisch deine Nachgedanken. Sie zeigen so genau auf, worin der Zauber des Marathons liegt! Etwas unglaubliches, fast unmöglich scheinendes zu schaffen, was man gar nie richtig trainieren kann. Am Tag X "muss" man seine Grenzen verschieben.
    Und bis dahin ist das Training ja auch nicht ohne. Viele Auf und Ab kommen in der Vorbereitung gewöhnlich zusammen und vermischen sich mit Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen.
    Und am grossen Tag setzt man nach bestem Wissen das Projekt Marathon in die Tat um, und das Bewusstsein, dass es nicht innerhalb von ein paar Wochen wiederholbar sein wird, weckt wohl das Bedürfnis, das spezielle Erlebnis mit all seinen Facetten noch eine Weile intensiv auszukosten und festzuhalten. Schön, wenn man zu zweit oder gar in einer Gruppe am Start war, so kann man die Erlebnisse durch die Erzählungen der anderen noch mehren :-)
    Hach, ich habe gedacht, dass ich die Laufschuhe während meiner Laufpause gar nicht so sehr vermisse - aber deine Gedanken wecken (Marathon-)Lauflust!!!
    Ich kann dir versichern, dass die Faszination über 42.195 km, die man sich erobert hat auch nach vielen, vielen Marathons nicht vergeht ;-)
    Liebe Grüsse
    Marianne

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  10. Liebe Marianne,
    ja, Du hast schon ganz viele Erfahrungen gesammelt und ich hoffe das, was Du mir bestätigst, dass die Faszination nicht geringer wird! Auch wen sich aufgrund der Erfahrung sicherlich der Blickwinkel ändert -für mich von der Sorge vor dem Unbekannten hin zur Vorfreude auf den Lauf- die Aufregung ist doch sicherlich immer noch da. Ich fand es auch sehr schön, dass wir nicht nur zu zweit, sondern hinterher zu viert unsere Eindrücke austauschen konnten.
    Und sicher wirst Du auch wieder dieses Gefühl kosten dürfen, ich drücke Dir die Daumen!
    Liebe Grüße
    Elke

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