35 km in 7,5 Stunden - wahrlich kein Bestwert. Aber heute kommt es auf den Inhalt an! Zum Tag des offenen Denkmals bietet unser Heimatverein eine geführte Radtour für 30 Teilnehmer an. Passend zum Herbstmotto im Kreis, dem jüdischen Leben in unserer Region, führt unsere Route zu Friedhöfen, ehemals jüdischen Wohnhäusern und anderen relevanten Punkten unserer Stadt.
30 km, für Elli eigentlich keine große Nummer, doch als ich die Armada der Akku-bepackten Zweiräder sehe, kommen leichte Zweifel hoch. Aber die erweisen sich als unbegründet. Es geht gemütlich zu.
Immer wieder nutzen Mitradler/innen die Gelegenheit und befragen mich zu meinem seltsamen Gefährt. Ich erkläre gern, was ich da fahre. Für mich neue Fragen sind allerdings "Und wo setzen Sie sich dann unterwegs?" und "Wo ist denn der Akku?"
Nach der ehemaligen Kerpener Synagoge (heute Wohnhaus) erreichen wir eine Stelle, an der im vergangenen Jahr Stolpersteine niedergelegt wurden. Das Haus der 1930er steht nicht mehr. Einer der Bewohner überlebte im französischen Exil, baute sich dort ein neues Leben auf und legte seine Erlebnisse in Buchform nieder. Sehr beeindruckend.
Weiter geht es nach Brüggen. Hier erwartet uns eine kleine Überraschung, denn ein teilnehmendes Ehepaar hat für alle Kuchen gebacken. Dies, obwohl in ihrem Keller noch die Trockner laufen, die die Folgen der Überschwemmung beseitigen sollen. Unterwegs sehe ich einen interessanten Bildstock, leider kann ich nicht stoppen zum fotografieren (To-do für später). Nach einer ehemaligen jüdischen Metzgerei halten wir bei einem früheren jüdischen Kaufhaus.
Den dortigen jüdischen Friedhof können wir um ein Haar nicht betreten, das Tor ist verschlossen. Doch wir finden einen Weg über die Mauer. Und nachdem alle darüber gehievt wurden, entdeckt eine Teilnehmerin, das auch ein bequemer Schleichweg ebenerdig existiert. 😆
Weiter geht es mit einer weiteren kleinen Rast unterwegs nun zu unserem eigenen Ortsteil. Zunächst zum hiesigen jüdischen Friedhof, wo wir wie bisher auch an allen Haltepunkten Interessantes, Wissenswertes und vor allem nachdenklich Stimmendes erfahren.
Vor der Weiterfahrt (immerhin sind rund 25 km absolviert) Einkehr zu Kaffee und Kuchen.
Im Dezember werden hier weitere Stolpersteine verlegt, den Termin werde ich mir nicht entgehen lassen. In diesem grauen Haus war früher eine große jüdische Metzgerei. Auf deren großem Areal (Schlachthaus, Viehställe, etc.) stehen heute Mietshäuser.
Wir schließen den geradelten Kreis und kehren zurück nach Kerpen. Auf dem dortigen jüdischen Friedhof begegnen uns einige Namen von Familien wieder, an deren Häusern wir vorbeifuhren.
Den Abschlusspunkt bildet das ehemalige Ghettohaus. Dort wurden Kerpener Juden zwangseinquartiert, nachdem man ihnen ihre Häuser und Wohnungen genommen hat. Doch dies nur als Zwischenphase. Von hier ging es per Viehtransporter weiter nach Köln zu den Transporten nach Osten. Niemand aus diesem Haus hat überlebt. Ein authentisches Foto eines solchen Transportes von dieser Stelle zeigt uns die uns führende Stadtarchivarin.
Da unsere Gruppentour eher langsam war, gebe ich auf den 5 km Heimweg nochmals richtig Gas. Zumal die Sonne sich dem Horizont nähert und es schon langsam frisch wird.
Es war ein sehr interessanter Tag. Nicht ohne Beklemmung. Denn was man zwar aus Geschichtsbüchern kennt, rückt einem doch sehr nah, wenn es mit ganz konkreten Orten, Personen und Ereignissen verknüpft wird. Man sieht die altbekannten Straßen mit anderen Augen.