Frisch beschwingt von der unerwartet erfreulichen
läuferischen Jahresbilanz mache ich mich heute wieder auf die Socken. Korrekterweise aber nur halb-frisch beschwingt, denn mein eidgenössischer Ehemann hat auch bilanziert - und hat weniger km und Läufe als ich! So weit so gut,
ABER WARUM IST DER DANN IMMER NOCH SCHNELLER ALS ICH?
Die Welt ist ungerecht!
Wäre ich eine Comic-Figur, stünde hier ein "Mpf" oder ein "Uaaarrrg!" oder wahlweise auch ein "Grrrrrrrr!".
Aber nun ja, ist wie es ist.
Angriff!
lalaLa ist angesagt,
langsamer
langer
Lauf.
Zuerst fällt mir das Laufen etwas schwer. Vielleicht auch, weil ich meinen Trinkgurt angelegt habe, um mich besser daran zu gewöhnen. Nach und nach läufts sich zwar besser, doch der Wind kühlt die Beine aus, so dass ich bald das Gefühl habe, sie nur gegen einen Widerstand bewegen zu können.
Meine Füße traben Richtung
Marienfeld, der unangenehm nasskalte Wind ist ständiger Begleiter. Mein Ziel ist eine Runde um den Boisdorfer See, ein künstlich angelegtes Gewässer und Naturschutzgebiet.
Doch als ich so trabe im frischen Tann,
ich kann es kaum glauben, sieh an, sieh an:
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
Du bist ja echt und gar kein Traum!
Vom See her tönen für mich schwer einzuordnende Klänge herüber. Auf dem Wasser sind neben 2 Schwänen in Ufernähe weiter entfernt 2 größere Gruppen von schwimmenden Lebewesen. Aber die sind zu weit weg, als dass ich die Art erkennen könnte.
Auch mit Zoom sind nur dunkle Kleckse erkennbar.
Da ich ohnehin eine Runde um den See laufen will, erhoffe ich mir von anderen Standorten betrachtend Klarheit. Doch je vermeintlich näher ich auf dem Wanderweg der einen im Wasser treibenden Gruppe komme, so zielgerichteter verlegt das Schwimmvolk seinen Platz, immer gerade dahin, wo ich (noch) nicht (mehr) bin. Irgendwann erhebt sich ein größerer Pulk mit Geschnatter - aha, Flugenten.
Zeit genug, auch einige andere optische Eindrücke zu verarbeiten. 3sat hatte gestern und heute einige sehr interessante Reportagen und Filme über Extremsportler im Programm. Z.B. 2 junge Männer, die an einem Segelwettbewerb rund um den Globus teilnahmen und wider Erwarten gewannen.
Wahnsinn, die Bilder des Bootes in teils riesigen Wellen!
Oder eine Auswahl der European Outdoor Film Tour, die ganz unterschiedliche wagemutige Menschen zeigt, Beispielsweise Slackline-Spiele über einem Felsabgrund, Wingsuit-Fliegen oder eine Sportart, von der ich noch nie hörte: Offwidth-Climbing. Teils bewundernswert, was es da alles gibt, teils unglaublich, welche Risiken eingegangen werden.
Am besten gefielen mir 2 Norweger. Wintersurfen am Polarkreis! Dazu bauten sie sich eine Hütte am "Strand", nur aus angeschwemmtem Material! Und noch genialer: Die Wärmedämmung gaben reichlich leere, ebenfalls angeschwemmte Plastikflaschen her. Und da sie dann schon so schön in der Übung waren, haben sie gleich noch 3 Tonnen weiteren Müll in ihrem Monate langen Aufenthalt dort eingesammelt. Das nenne ich selbstlos! Ach ja, gesurft wurde auch :-)
Wer sich Ausschnitte ansehen mag:
Hier gibts den Trailer.
Auf andere Art beeindruckend war eine Reportage über Basejumper in Lauterbrunnen. Eine aus meiner Sicht zwiespältige Sache. Einerseits das sicherlich imposante Fluggefühl, andererseits das nicht zu negierende Todesrisiko. U.a. wurden 3 Basejumper näher portraitiert, die alles im Leben ihrem Sport unterordnen:
- Ein Mitt-Dreißiger, der seine Leidenschaft professionalisiert hat und für einen Brausehersteller springt.
- Eine junge Schwedin, die nach Lauterbrunnen gezogen ist und dort jobbt, um ihrem Hobby zu fröhnen. Ihre Mutter kommt sie besuchen und bringt ihre Angst um die Tochter deutlich zum Ausdruck. Auf die Frage, ob sie (die Tochter) denn immer noch springen würde, wäre sie selber Mutter, kann die junge Frau keine eindeutige Antwort geben.
- Ein junger Mann, der nach der Banklehre ausgestiegen ist und nun karg und mit kleinen Einkünften aus Aktienspekulationen seine Leidenschaft finanziert.
Der Film zeigt auch einen Bauern, dessen Feld ein Lieblingslandeplatz ist, und der davon gar nicht begeistert ist. Dennoch schichtet er aus Steinen ein kleines Memorial für einen tödlich verunglückten jungen Mann auf. Der Film wurde 2007 gedreht.
2009 starb der Mittdreißiger bei einem Show-Sprung für den Brausehersteller von einem Hochhaus in Zürich.
2012 starb die junge Schwedin bei einem Sprung mit ihrem Partner. Sie war im 4. Monat schwanger.
Der Ex-Banker scheint noch zu leben...
Tja, das macht nachdenklich, was Menschen zu solchen Risiken treibt. Für mich wäre das nichts. Aber es wird ja niemand dazu gezwungen. Wohl befinden sich diejenigen in einem gewissen Zwang, die bei Unfällen zu Rettungsaktionen ausrücken müssen.
Da bin ich doch froh, dass Laufen an sich deutlich gefahrloser ist.
Am Ende komme ich an der kurzen Kastanienallee vorbei, die ich auch schon im Spätsommer durchlief. Wie doch die Jahreszeit den Eindruck ändert:
Obwohl mich die Beine gut getragen haben, habe ich hinterher daheim das Gefühl, ich sei einen Halbmarathon gerannt. Nach einem wohligen Bad möchte ich nur noch liiiiiieeegen.......
8 Grad, 15,9 km, 1:43:38 (6:27 Min/km), Puls 137