Laufend lesen

Sonntag, 30. Oktober 2022

Munteres Medaillenquartett

Wenn die Saison vorüber ist, nimmt man doch gern einen kleinen Motivationsschub mit.

Das Team des Königsforst-Marathons hat sich etwas nettes Virtuelles überlegt, die "Run green virtual Edition im Herbst": Man kann sich zwischen dem 28.10. und 6.11. für 5 km, 10 km, Halbmarathon, Marathon oder gar alle 4 zusammen anmelden (je 6 EUR), sich aus den letzten 8 Jahrgängen (siehe Bild) pro Lauf eine Medaille aussuchen, irgendwo die Distanz absolvieren, Zeit und Beweisfoto hochladen und zack, findet man sich im Ranking wieder. Na da bin ich doch dabei! Alle 4 Distanzen sind mir in 10 Tagen etwas viel, aber 5-10-21,1 - das sind meine Zahlen.

Freitag starte ich mit den 5 km. Hetzerei ist so gar nicht meine Welt, aber warum nicht mit einem kleinen Tempobooster einsteigen? Ich laufe mich also ein und gebe Vollgas. Oder gäbe es da eine andere Taktik? 5 km, ist ja quasi nichts...

Den ersten Kilometer renne ich wahrhaftig in 4:57. Aber das lässt sich nicht halten und mein Tempo sinkt natürlich dann doch in 5'er Bereiche. Die noch verbleibenden 4 km belehren mich dann des Besseren, nämlich dass mit Maximaleinsatz gerannte, ansonsten überschaubare 4 km doch seeeehr lang sein können. Ich laufe mir fast die Lunge aus dem Leib, bin aber dennoch nicht besser als 25:48. Immerhin. Und der Uhu aus 2017 ist meiner.



Heute nun stand zuerst Marathon an. Auf dem Sofa. Vor dem TV-Gerät. Live-Übertragung des Frankfurt-Marathons. Mir war gar nicht bewusst, dass 2019, als ich dort lief, zugleich der letzte Lauf am Main war. Aus gewissen Gründen folgte erst dieses Jahr die nächste Austragung. Spannender Verlauf, bei dem einmal mehr nicht die Favoriten am Ende vorn lagen. Es ist interessant, den Marathon aus der Zuschauer-Perspektive verfolgen zu können. Zugleich ist es etwas deprimierend. Dann wenn ab 3 Stunden schon dichtere Pulks einlaufen, darunter manche Läuferinnen und Läufer, die so gar nicht nach einer 3-Stunden-Zeit aussehen, sei es aus Gründen der Leibesfülle, sei es wegen sehr schleppenden Stils, dann frage ich mich wieder einmal, warum die dennoch so viel schneller im Ziel sind als ich. Wo ich mich doch auch eigentlich meist flott unterwegs fühle. Dennoch, die Zeiten belegen, die sind trotz allem schneller als ich es je schaffte. 
Dafür ziehe ich aber auch durch, egal, wenn nachher sogar eine "5" an der ersten Stelle meiner Endzeit steht.
Nach soviel Ansporn überwinde ich mich dann doch, und laufe statt des eigentlich geplanten 10ers den Halbmarathon. 21° sind es, für einen  30. Oktober ein aberwitziger Wert!
Chris lässt es sich nicht nehmen und gibt den Pacemaker. Und natürlich, was für ihn recht locker ist, bedeutet für mich hinten raus Anstrengung. Dennoch gelingt es, dass die km-Zeiten auf der zweiten Hälfte niedriger sind. Es macht halt etwas aus, wenn man nicht allein gegen die Uhr antritt.
Wir laufen ungefähr die Strecke, die sich schon bei mehreren virtuellen Läufen der letzten 3 Jahre bewährte. Zwar gibt es landschaftlich schönere Routen, doch ich bin eh' im Tunnel.


Es klappt ganz gut, auch wenn ich mich schneller wähnte als 2:11:14. Dafür ist nun der Specht von 2019 meiner.
Und kommende Woche erlaufe ich mir noch den bunten Kleiber. 😁 
Wüstenbussard, Kleiber in monochrom und Eisvogel hatte ich mir ja bereits im echten Forst verdient. Das wird eine bunte Vogelschar daheim.
Das Beste hätte ich fast vergessen: Neben dem "normalen" Ranking gibt es eine altersbereinigte Version, seit dem Lauf in Eupen liebe ich diese Variante! Dort ergibt meine HM-Zeit erfreuliche 1:42:00. Mal sehen, wo ich am 6.11., wenn alle ihre Läufe erfasst haben, lande.
Im März 2023 folgt dann -hoffentlich- beim richtigen Halbmarathon im Königsforst der nächste Blechvogel - bald ist eine Voliere erforderlich.😉

Sonntag, 23. Oktober 2022

Gewürze auf der Kurve

Meine beim Tortura-Todesberg-Ultra am vergangenen Sonntag gelaufene Teilstrecke von rd. 23 km rächte sich. Mit einem allerübelsten Muskelkater in den Oberschenkeln, Souvenir dieser Masochisten-Anstiege im Kölner Stadtwald. Am Folgetag waren meine Beine nur noch schmerzhafte und rostige Stelzen, die sich nur schwer steuern ließen. Treppe abwärts gehen? Eine Lachnummer...

Immerhin reichte es Dienstag für einen ersten kleinen Spaziergang und Mittwoch wollte ich raus, 7,5 km leichter Trab erfreute die Seele und wird belohnt mit der Sichtung eines ersten Vogelzugs am Himmel (lange Hälse, lange Beine - Kraniche?)

Ein wenig beschäftigte mich noch Berlin. 

Das Hotel schaffte es, nach kleiner Erinnerung, die zuviel kassierten 12 Frühstücke endlich zu erstatten.

Der Ärger mit meiner Polar Vantage 2, die mir beim Berlin Marathon durchgehend irrwitzige Schneckenzeiten zwischen 98 und 50 Minuten(!) pro km verkündete, ist noch nicht ganz durch. Zwar zeigte sie nach dem Marathon wieder brav alles richtig an. Dennoch, das kann doch nicht sein, dass so ein Premium-Produkt (Eigenaussage Polar) ausgerechnet dann versagt, wenn es drauf ankommt.

Ich wende mich an den Support. Man bittet um ergänzende Informationen. Dann erreicht mich folgendes Statement:

Unsere Zentrale hat sich diese Trainingseinheit ausführlich angeschaut und folgendes Feedback gegeben:

Ich kann an der Geschwindigkeitskurve erkennen, dass es dort einige Fehlerwerte gibt, und ich denke, der Benutzer hat sie während des Rennens auf seinem Vantage V2-Display gesehen.

Die Umgebung, in der das Rennen stattfand, ist sehr herausfordernd.

Wir können sehen, dass die Uhr zu Beginn der Aufzeichnung nicht alle möglichen Satellitenverbindungen hatte. Die blaue Geschwindigkeitskurve hat am Anfang einige Fehler.

Beim Starten der Aufzeichnung empfehlen wir, und insbesondere in schwierigen Umgebungen, dass der Benutzer im Vortrainingsmodus wartet, bis die Uhr ein GPS-Fix erhält, und dann weitere 30 Sekunden wartet, bevor die Aufzeichnung beginnt. Dies ist bei einem Rennen eine Herausforderung, aber möglich.

Dann überprüfte ich die Gewürze auf der Kurve und mögliche Orte, an denen sie aufgezeichnet wurden. Es scheint, als ob die Uhr falsche Tempowerte erhalten hat, als der Benutzer an einer Straßenecke gelaufen ist und die Richtung geändert hat.

Falls dieser Fall der einzige Fall wäre, in dem die Pace während des Laufs falsche Werte anzeigte, würde ich nicht mit einem Defekt der Uhr rechnen.

 Aber wenn die Uhr anfängt, sich jedes Mal seltsam zu verhalten, wenn Sie Geschwindigkeit und Entfernung und das GPS messen, bitten Sie ihn, uns dies mitzuteilen.

Ich hoffe, dass diese Informationen weiterhelfen.

Ich freue mich, wie weit inzwischen digitale Übersetzungsprogramme gediehen sind. Einzig mit den "Gewürzen auf der Kurve" tue ich mich etwas schwer. In der Tat habe ich als Benutzerin die falschen Werte auf der Uhr gesehen. Nicht nur einmal, nein, dauernd. Ja und dann bin ich eine Kurve gelaufen und habe die Richtung geändert?! Ja gehts noch? Was erdreistet sich die Läuferin, ihrem Handgelenksbegleiter solch eine Herausforderung zuzumuten! Ganz zu schweigen von den endlos vielen weiteren Kurven des Laufs. Da muss Polar aber mal in Berlin dringend dafür sorgen, dass die die Strecke begradigen! A propos: Die Umgebung, in der das Rennen stattfand, sei sehr herausfordernd, stellt man bei Polar fest. Ich fand ja auch den Marathon für mich herausfordernd und anstrengend. Aber ansonsten? Breite Straßen, keine wetterbedingten Störungen, keine Passagen unter dichter Laubdecke... was meinen die mit "Herausforderung"? Oder waren es etwa die 45.000 Mitläuferinnen und -läufer? Fühlte sich da etwa meine Uhr beobachtet oder gar gestört...?

Ich verstehe ja, dass eine Fehlersuche schwierig ist, bei einem Fehler, der sich nicht reproduzieren lässt und bisher nur einmalig auftrat. Andererseits: Die Protokollierung des Rennens durch die Uhr ist ansonsten doch perfekt, die km sind erfasst und die Daten, die man anschließend analysieren kann, zeigen korrekte Min/km-Werte: Link.  Ich würde mir da doch mehr Zuverlässigkeit wünschen, einfach so, wie man es versprochen bekommt. Ich konnte mir nicht verkneifen, Polar daher doch nochmals meine Sicht auf die Dinge zu unterbreiten. Mal sehen. Vielleicht erreicht mich ja nochmals ein putzig übersetzter Text. 

Ansonsten laufe ich heute nach langer Zeit wieder einmal an der Erft entlang, wo sich inzwischen eine Ente einer mir unbekannten Riesenrasse niedergelassen hat. Oder hat sie gar zuviel Gewürze auf der Kurve gefuttert und wurde zur Mutation...?

Jedenfalls ein schöner Lauf, die Luft tut gut und ein paar Regentropfen am Ende fallen kaum auf.

Sonntag, 16. Oktober 2022

Tortura-Todesberg-Ultra (2022)

Ohne mein Zutun war ich auf die Starterliste des Tortura-Todesberg-Ultras in Köln geraten. Der nette kleine familiäre Lauf im Kölner Stadtwald für Lauf-Masochisten: 50 Runden á 1 km mit 25 Höhenmetern pro Runde. Das wären 1250 HM, wenn man alle 50 Runden absolviert. Das Gemeine: Diese Höhenmeter sind zweimal sehr geballt zu absolvieren. Ohne diese Anstiege wäre es also eine gemütliche Strecke...

Der Urheber meines Eintrags (trägt den gleichen Ring am Finger wie ich) übt sich übrigens in vornehmer Zurückhaltung und fehlt in der Starterliste. Dafür gelingt es mir, Oliver aus Düsseldorf (!) nach Köln (!!!) zu locken, und schwupps ist Chris dann auch dabei.

Wir finden uns um 7 Uhr bei Start/Ziel ein und helfen in der Dunkelheit noch in wenig bei den Vorbereitungen. Wie immer bei Tortura gilt: Wer sich quält, hat auch Anrecht auf vielfältigste Verpflegung. Evelin und Nile haben wieder großzügig und vielfältig vorgesorgt. Man könnte glatt nur für`s Essen herkommen....

Aber nein, erstmal wird gelaufen!


Die erste Runde pünktlich um 8 Uhr dient gleichzeitig der Streckenerkundung für die Neu-Torturistinnen und -Torturisten, ab da rennt jeder nach seinem Tempo. Unser kleiner Rundkurs ist schnell gezeigt:

Zunächst eben entlang des Ufers des Adenauer-Weihers, und weiter den Stadtwaldwiesen entgegen.





Dann scharf rechts abbiegen zur ersten Eroberung des Todesbergs. Es geht erst sanft und dann immer steiler hinauf. Beim ersten Anstieg grinst man sich noch eins, ab dem zweiten legt sich das.




Oben gilt es die "Wurzel des Grauens" als Markierung der Wendemarke zu umrunden.


Oliver hat noch Spaß

Wenigstens kann man oben ordentlich Schwung nehmen, diesen auf kürzester Strecke abfeiern und unten gleich wieder scharf rechts einkehren zur zweiten Bergbesteigung.




Man erklimmt den Berg nun von einer anderen Seite und kann nebenan die Kollegen bei ihren kleinen Quälereien beobachten:


Links erster Anstieg, rechts zweiter

Von der Plattform auf Bergeshöhe erneuter schwerkraftunterstützter forcierter Galopp zu Tale und schon lockt die Verpflegung!


Mir ist klar, die 50 km sind nicht mein Ziel, aber ein Halbmarathon, dann eben mit 525 HM, das wäre doch was. Chris will mal schauen was geht und auch Oliver ist für alles offen, was der Tag so bringt. Zumal er sich zu Beginn der Einführungsrunde noch nicht so recht die Herausforderung der Strecke vorstellen kann. Aber das ändert sich rasch.
Ich wende meine übliche Taktik an, beide Anstiege gehen und dazwischen mit gebremstem Ehrgeiz traben. Die übrigen gut 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen ihr Werk unterschiedlich an. Manch einer verpulvert erst einmal recht viel Energie bei den Anstiegen. Aber manche halten das beneidenswert lange durch. Und einige haben auch noch Atem für muntere Plaudereien.

Auch wenn Oliver mich schon bei der 4. Runde erstmals überholt, bleibe ich weiter in meinem Dieseltrott, alles andere wäre dumm aus meiner Sicht. Wie erwartet, beginnen die Waden nach 7, 8 Runden ihr kleine Leidensmelodie. Später, ab Runde 15 stimmen auch die Oberschenkel in das Lied mit ein, denn die flotten Bergabpassagen fordern ihrerseits die Muskulatur.
Der Stadtwald hallt wider von Keuchen, Schnaufen, Fluchen und Leidensäußerungen, niemand ist allein bei seiner Tortur.
Inzwischen sind auch zahlreiche Jogger, Gassigänger, Spaziergänger und Radfahrer unterwegs, die teils amüsiert bis verwundert das Tun dieser Verrückten mit den bunten Startnummern (Jede/r hat sein eigenes Motiv!) beobachten. Man könnte doch so nett auf den ebenen Wegen laufen, aber warum stürzen die sich immer wieder diesem Berg entgegen...?

Wären ja die Anstiege nicht, ich könnte schon noch länger. Aber vor allem nach der 15. Runde fällt mir jeder Schritt auf den Gipfel schwer und schwerer. Als wenn zwischendurch die Heinzelmännchen heimlich immer noch ein Schüppchen drauflegen...
Chris hat auch zu kämpfen. Er fühlte sich schon am Morgen nicht gut und beschließt, nach 25 Runden den Tag auf der Strecke zu beenden.
Ich habe 21 Runden und bleibe für ein längeres mehrminütiges Päuschen bei ihm, greife zu Cola, Salzstangen, Banane. Und mache mich dann doch für eine allerletzte Runde nochmals auf.
Das sind dann 22 Runden zu 1 km, meine Uhr zeigt mir allerdings 23,4 km (und ein beachtliches Sägezahnprofil sowie erstaunliche 780 HM) an. 
Egal, mehr als ein Halbmarathon, Tagesziel erreicht in 3:33:09 Stunden.

Es folgt Phase 2 des Tortura: Gemütliches Beisammensein und ausgiebige Nahrungsaufnahme, von Cola und Radler über Brownies, Chili con Carne, Linsensuppe, Gurke, Tomate, Salami, Gummibärchen, Waffeln, Apfel und Fleischwurst - schön durcheinander, heißa das schmeckt! Leider schaffe ich Bratwurst und Spiegelei nicht mehr, uff.
So können wir dann den kleinen Zielempfang des Tagessiegers nach 50 Runden miterleben.


Und klar warten wir auf Oliver und freuen uns über sein Resultat (das er selber erzählen wird). Es scheint ihm wohl gefallen zu haben. Falls nicht, hätten wir doch ein arg schlechtes Gewissen, ihn in die verfeindete Stadt gelockt zu haben...


Und nun folgt Tortura-Teil 3: Beine hochlegen und ausruhen. 😉

Sonntag, 9. Oktober 2022

Talsperrenlauf Eupen (2022)

Recht kurzfristig entscheiden wir uns, wieder einmal beim Talsperrenlauf Eupen anzutreten, bei dem es und schon 2020 gut gefallen hatte. 14,9 km rund um die Wesertalsperre im Herbst sind doch eine schöne Herausforderung. Und darüber hinaus gibt es hier diese nette, das Selbstbewusstein ungemein befördernde doppelte Rangliste...!

Bei der Startnummernabholung werden wir persönlich freundlichst begrüßt. Wir seien doch 2020 schon dagewesen und Wolli und Marion kommen dann ja sicher auch noch. Huch, führen die hier so genaue Akten?! Oh, dann müssen wir uns ja Mühe geben heute...

Der Start hier ist wunderbar entspannt und ohne Gedränge. Die knapp 180 Teilnehmer gehen nicht zugleich auf die Waldwege, sondern hintereinander geordnet nach Startnummer im 10-Sekunden-Takt. Bei 13° und Sonne nehmen alle gut gelaunt auf die Strecke in Angriff.


Auf auf Chip und Zeitmessmatte wird verzichtet. Wie bei Skirennen piepst es und man sieht auf einem Display die Sekunden herunterzählen und dann heißt es Gas geben.


Ich darf um 14:06:40 Uhr los, 10 Sekunden nach mir Chris, 10 Sekunden nach ihm Wolli und nochmals 10 Sekunden nach ihm Marion. 
Ich grüble kurz, ob das aus meiner Sicht gut oder schlecht ist. Als Hase von 3 Schnelleren gejagt? Andererseits, Marion und Woli sind erst 6 Tage zuvor 100 km beim Backyard Ultra gelaufen und Marion hat zudem 2 Tage Powerwanderung mit 37 und 45 Tages-km hinter sich.

Also nehme ich gleich den ersten kurzen Schwung bergab vom Start zur Staumauer mit. Ab da erübrigen sich meine Überlegungen, schon nach 300m überholt mich Chris. 
Mh, und das so ohne richtiges Training...
Dann stürmt gleich ein junger Flotter an mir vorbei, bevor sich auch schon Wolli heranpirscht und mich bei km 1 hinter sich lässt:

Der "rote Wolli" naht


Dann müsste jetzt auch eigentlich gleich noch Marion kommen. Aber davor beiße ich mal die Zähne zusammen und bleibe läuferisch am Ball. Umdrehen will ich mich nicht, lauere aber auf jeden Schritt von hinten. Es sind nur allerdings andere, Schnellere. Überhaupt sind wie schon 2020 hier scheinbar sehr viele Ambitionierte unterwegs.
Auch wenn jeder für sich allein startet, ergibt sich dennoch Ansporn und Wettbewerb. Denn jeder, der mich überholt, liegt ja 10 Sekunden mal x vor mir.
Und es sind leider ziemlich viele, die mich überholen. Dabei habe ich das Gefühl, heute gut Gas zu geben. Nun ja, dann genieße ich eben den Kontrast zum Berlin-Marathon 2 Wochen zuvor, ganz viel Natur statt Stadt, Ruhe statt Remmidemmi, und gute frische Venn-Luft (außer dem tuckernden Oldtimer-Trecker, der einmal vorbeifährt und mir eine geballte Ladung Dieseldunst in die Lunge schickt).




Kurz vor dem Verpflegungsposten ca. bei km 7 schiebt sich dann doch Marion heran.
"Wo bleibst du denn, ich dachte, du wärst schon längst da?"
"Ging heute nicht schneller." 
Nachvollziehbar, nach ihrem Pensum läge ich heute auf dem Sofa...
Und dann zieht auch sie von dannen.
So wie ganz viele andere auch. Mir wird klar, in der "normalen" Rangliste liege ich heute ziemlich hinten. Teils sprinten sie gleich rechts und links zugleich an mir vorbei und kurz vor Ziel auch noch die Startnummer 171, der ja ziemlich lange nach mir erst loslief.
Egal, jeder läuft hier sein Rennen. Ich konzentriere mich eher auf die Anstiege (135 Höhenmeter, das letzte Bergtraining liegt doch schon länger zurück) und nehme bewusst Schwung bei den Bergabpassagen mit.


Die Strecke ist auch für Babyjogger geeignet



Das Blei in den Beinen nimmt zu. Aber km 13 verkündet ja das bald nahenden Ziel! Hier kann ich meine beiden einzigen Überholungen realisieren. Ist jetzt etwas wenig für den Tag heute...




Endlich, der See schimmert zwischen den Bäumen hindurch und der letzte km ist da. Wird auch allerhöchste Zeit.
Dummerweise führt der Zielsprint ja nun das Gefälle hinauf, das mir anfangs den ersten Schwung mitgab. Hier konnte ich 2020 noch einen Sprint mit Überholung ansetzen. 
Diesmal ... ist da nichts mit Sprint, bin eher froh, dass ich Gehen vermeiden kann und fühle mich sehr am Anschlag.


Letzte Kurve rechts hinauf



Mein Gefühl hatte mich getäuscht, ich bin doch wahrhaftig 15 Sekunden langsamer als 2020! Eine Erklärung liefert mir später meine digitale Aufzeichnung: Mein Puls ging durch die Decke, der Durchschnittswert liegt bei 165 (Üblicherweise habe ich um die 155 bei 10-km-Rennen), und dieser Durchschnitt kommt durch einige noch höhere Spitzen zustande. Immer noch Nachwirkungen des Covid-Infekts.
Ich lande auf Platz 138 (von 175) des Rankings.
Allerdings darf ich Platz 1 meiner AK vermelden, die durch 5 Läuferinnen gebildet wurde. Marion und Wolli haben ihrerseits die jeweils 1. AK-Plätze erobert. Chris musste nur 4 andere AK-Mitstreitern den Vortritt lassen. Dummerweise habe ich keine Wechselkleidung dabei und entscheide mich gegen Teilnahme an der Siegerehrung, die sehr nett gestaltet sein soll. Merkposten fürs nächste Mal: Auf zur Siegerehrung!

Aber da gibt es ja noch das andere Ranking... 
Das Age & Gender Grading, also eine Umrechnung nach Alter und Geschlecht. Das katapultiert mich auf Rang 32 und in deutlich höhere Zufriedenheitsregionen. 😁
Ich finde eine Seite im Netz und rechne mal rasch meine Marathonzeit aus Berlin gegen: Eine 3:30 wäre das! Darauf gönne ich mir heute noch ein dickes Stück Kuchen!

Schön wars in Belgien, und als Souvenir-Service schickt mir Romain gleich noch am Sonntagmorgen ein Foto, herzlichen Dank!

Quelle: LAC Eupen

Montag, 3. Oktober 2022

Fast noch ein Koffer in Berlin

Aussicht von unserem Frühstücksraum - Kunst halt

Berlin war wieder ein Rausch. Bei einem Marathon erlebe ich eine solche Reizüberflutung, dass ich die folgenden Tage in einer Art Parallelwelt verbringe. Dauernd kommen mir Bilder vom Lauf in den Sinn, erlebe ich manche Stellen innerlich nochmals. So hatten wir uns bewusst noch 3 Tage in der Hauptstadt gegönnt, die wir schlendernd unter den Linden verbrachten oder an der Gedenkstätte Bernauer Straße. Dabei sehen wir am Montag noch recht viele Marathonis mit stolz geschwellter Brust ihre Medaillen spazieren tragen, bzw. Finishershirts oder die Jacke des diesjährigen Marathons (grün mit einzelnen Orange-Akzenten). Nochmals viele Eindrücke...

Eine ganz andere besondere Geschichte aber muss an dieser Stelle festgehalten werden. Sie spielte sich schon bei unserer Ankunft ab.

Die Bahn transportierte uns zuverlässig an die Spree, wobei dieses Adjektiv auch eine Verspätung von 45 Minuten umfasst.

So kamen wir leicht hungrig kurz nach 18 Uhr im Hotel nahe des Alexanderplatzes an, stellten nur kurz unser Gepäck aufs Zimmer und gingen essen. Auspacken kann man auch später. 

Zum Nachtisch kauften wir noch zwei Packungen Kekse und begaben uns aufs Zimmer. Dort legten wir die Jacken ab, die Kekse auf den Tisch. Und während Chris ins Bad verschwand, wollte ich meinen Koffer leeren.


Meinen roten Koffer, den ich vorm Fenster abgestellt hatte. 
Doch da stand ... nichts! 
Auch keine Spur von Chris' Tasche und Rucksack.

Das darf doch wohl nicht war sein! Wir stehen ungläubig im Raum, bevor wir uns aus der Starre lösen können und zur Rezeption eilen.
Dort berichten wir kurz die Sachlage. Drei Bedienstete widmen sich sofort unserer Notlage, grenzen das Zeitfenster ein und beginnen, die Überwachungskameras zu checken. Man bietet uns Getränke aufs Haus an, wozu wir gerade allerdings keine Muße haben. Währenddessen nutzen wir die Zeit, uns innerlich auszumalen, was der Verlust unseres gesamten Gepäcks bedeuten würde...
Dann fällt mir etwas auf.
Irgendwie war der Tisch im Zimmer so leer, als wir vorhin zurückkamen. Und ich hatte doch dort Stadtplan und E-Reader abgelegt. Das interessiert mich nun.
Während des Kamerachecks gehe ich hoch und will das an Ort und Stelle überprüfen, öffne die Tür ....
und dort stehen ganz friedlich ... mein roter Koffer, Chris' Tasche und sein Rucksack! Auch Stadtplan und E-Reader liegen brav auf dem Tisch.
Grenzenlose Erleichterung!
Die Sachen sind da, wie auch immer.

Ich eile ins Erdgeschoss um die frohe Botschaft zu überbringen. Wobei im Hinterkopf die Frage dämmert, was hier eigentlich los ist.
Aber zunächst gehen wir in unser Zimmer, froh über den guten Ausgang.


Bis plötzlich eine neue Erkenntnis aufkommt: Wo sind die KEEEEKSE?!
Die liegen nicht hier, also müssen sie in einem anderen Raum liegen.
Chris geht hinunter zur Rezeption (es gibt hier keine Haustelefone) und meldet den ja eigentlich marginalen Verlust, der aber dennoch auf ein Manko hinweist: Wir müssen mit unserer Code-Karte Zugang zu einem anderen Zimmer haben...
Man sagt Klärung und Suche der Nahrungsmittel zu.
Chris kommt zurück.

Plötzlich fällt uns auf, das unsere Jacken auch fehlen. Die sind mit den Keksen ja in einem anderen Zimmer. Und in der Jackentasche wähnt Chris sein Smartphone!
Also erneuter Gang zur Rezeption.
An dieser Stelle möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass das Hotel über 200 Zimmer hat...

Doch dann, Erlösung.
Nach einer Weile kommt Chris strahlend zurück, Jacken über dem Arm, Kekse in der Hand.
Es stellte sich heraus, dass wir vorher in der falschen Etage den Lift verlassen haben und exakt das unter unserem Zimmer liegende aufgesucht hatten. Das ließ sich anhand der Kameras auch belegen. Doch warum unsere Karte dort funktionierte? Keine Ahnung.

Noch eine kleine Fortsetzung: Das Smartphone war nicht in der Jacke, Chris hatte es im anderen Zimmer aufs Bett gelegt. Doch dazu war ja die Lösung nun ein Kinderspiel: Einfach  nochmals zur Rezeption und erneute Aktivität von dort. Dann hatten wir auch den letzten vermissten Gegenstand zurück.
Welch ein Auftakt zum Marathon-Wochenende!
Da fällt dann kaum ins Gewicht, dass man uns beim Einchecken stattliche 24 Frühstücke berechnete und -mea culpa dies nicht gleich nachgeprüft zu haben- sie meinem Konto belastete. Die Erstattung auf digitalem gleichen Wege ist nicht möglich. Ich durfte ein Formular ausfüllen, aufgrund dessen die Buchhaltung eine Rücküberweisung veranlassen würde. Solche Vorgänge werden zweimal monatlich abgewickelt.

Jetzt haben wir zwar keinen Koffer mehr in Berlin, aber einige Euro liegen noch an der Spree, bis sie mich wieder erreichen.


Bernauer Straße, Mauergedenkstätte