Es geht aufwärts. Da ich Donnerstag der Trägheit erlegen war, dies aber durch fulminanten Laufeinsatz Freitag (12 km), Samstag (6 km Tempolauf) und Sonntag (15 km) wettmachen konnte, erreiche ich mit dem Dienstagslauf gute 43 Wochen-km. Zu meinem eigenen Erstaunen waren die 15 Sonntags-km sogar relativ locker.
Ich nutze den langen Lauf für einen kurzen Abstecher an den Tagebaurand (wo es wegen eines aufgeschütteten Sichtschutzdamms nichts interessantes zu sehen gibt) und nutze daher heute die Gelegenheit, etwas ausführlicher über die inzwischen abgeschlossene Grabung zu berichten, an der ich im Sommer die Freude hatte, teilzunehmen.
Es geht also ab hier nicht mehr ums laufen, aber spannend ist es dennoch!
Die Grabungsstelle lag knapp am Rand des Tagebaus, im Sperrgebiet, Bildmitte des ersten Bildes. Im Vorfeld des Kohleabbaus gäbe es viel zu finden. Die Römer haben viele Spuren hinterlassen, wie auch spätere Bewohner. Bevor der herannahende Kohlebagger alles wegfrisst, versucht man, so viel wie möglich zu retten bzw. mindestens zu dokumentieren. Aber das gelingt nur bei ca. 5% der im Boden verborgenen Dinge.
Mein Weg zur "Arbeit" und das Gelände:
Aus Gründen parke ich mein Auto auf sicherem Terrain, was dann knapp einen km Fußweg bedeutet.
Früher sah es hier anders aus. Es gab eine Allee alter Bäume, die auf 2 Gutshöfe zuführte.
Die Allee sieht heute so aus. Die Bäume wurden gefällt, treiben aber kräftig wieder aus:
Wir graben auf dem westlichen Gutshofgelände. Früher (Bilder um 2014) stand dort ein altes Wohnhaus:
Dahinter eine Scheune. Wir buddeln rechts von der Scheune:
Da ich das wirklich nicht glaube angesichts der Wüste, in der wir uns bewegen, lasse ich meine Laufuhr ein paar Minuten aufzeichnen. Wahrhaftig.... (Auf dem Bild sind die Gebäude bereits abgerissen, aber die Lage noch erkennbar):
Anblick genau dieser Stelle im Sommer 2023:
Wie schon
hier berichtet, geht es bei meinem ehrenamtlichen Einsatz um die Dokumentation eines mittelalterlichen Kellers. Er wurde zufällig gefunden. Die Gebäude und deren Keller waren bereits untersucht und sind verschwunden. Doch aus irgendeinem Einfall heraus ließ man den Grabungsbagger ein paar Schnitte (=Furchen im Großformat) ziehen, und da zeigten sich doch plötzlich an unvermuteter Stelle, NEBEN den Gebäuden, Mauerwerk.
Am Anfang sieht man nur eine Art Steineviereck. Also soll erkundet werden, was sich darunter verbirgt:
Der Bagger ist nur fürs Grobe. Das Vierecke selber wird strikt mit Schaufel und Maurerkellen freigelegt. Man weiß ja nicht, auf was man stößt. Je tiefer wir kommen, umso mehr wird erkennbar, dass der Keller eingestürzt ist.
Dennoch hoffen wir natürlich, dass wir auf ein paar interessante Funde stoßen, vielleicht sogar ein Münzschatz? Pustekuchen, nur Scherben, Knochen und ein paar wenige Holzreste.
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2 Fundstücke tauchen auf |
Man ackert stundenlang, teils in sengender Sonne, und findet nur .... Steine. Doch an einem Tag konnte ich in einer Stunde gleich 4 schöne Scherben freilegen. Der zufällig anwesende Archäologenchef kommentiert "Siegburger Steinzeug aus dem Bilderbuch, 14. Jahrhundert". Hui, da ergreift einen Ehrfrucht. Natürlich wird alles abgegeben, für die Forschung. Aber ich mache flugs darauf einen Ausflug ins Siegburger Museum, um zumindest einen Eindruck zu bekommen, wie die Gefäße im Original ausgesehen haben könnten.
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Museum Siegburg |
Die Grabung wird in vielen Zwischenschritten digital erfasst und dokumentiert. Am Ende, als der Kohlebagger uns schon nah auf die Pelle rückt, werden alle Steine aus dem Keller genommen, sortiert und gezählt.
Und dann ist alles das, was mühsam freigelegt wurde ... weg.
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Sortierte Tonscherben |
Überhaupt, die Kohlebagger. Man kam ihnen mit jeder Woche näher, bzw. die uns.
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Auf dem Weg zur Grabungsstelle |
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Größenvergleich: Rechts steht ein Grabungsmitarbeiter
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Einige 100m weiter untersuchte eine andere Archäologengruppe das Terrain und stieß auf die alte Römerstraße von Neuß nach Trier. Sie war 40 (vierzig!) Meter breit. Nicht gepflastert, aber erkennbar im Bodenprofil:
Nicht weit entfernt noch eine wahrscheinlich mittelalterliche Straße, deutlich schmaler. Auch nur für Fachleute erkennbar an den Verfärbungen im Schnitt. Charakteristisch die Spurrillen am rechten Bildrand:
Schön war's, interessant und spannend, anstrengend auch.
Auch wenn man verschwitzt und verstaubt, mit anderen Worten "paniert", heimkommt und die Finger teils so ermüdet sind, dass der Schlüssel im Türschloss kaum zu drehen geht, ich würde gern wieder bei einem solchen Projekt mitmachen.
Es war interessant mitzuerleben, wie eine solche Grabung organisiert und durchgeführt wird.
Und es ist spannend wie Geschenke auszupacken, denn man könnte ja jederzeit auf einen Schatz stoßen!
Auch lernt man allerhand dazu. Beispielsweise, dass die Römer die kenntnisreicheren Baumeister waren. So konnten sie Dachziegel aus Ton brennen, ein Wissen, das späteren Bewohnern abhanden gekommen war. Denn die Kellerwände waren wie Trockenmauern aus zusammengesuchten Steinen und Geröll zusammengesetzt. Auch Reste vormaliger römischer Bauten der Umgebung wurden mit verwendet.
Nachhaltigkeit in früher Zeit!
Fast schon mystisch waren manche Momente dort draußen im Niemandsland. Eine Stille, wie man sie in einem so dicht bebauten Ballungsraum sonst kaum haben kann. Ein paar Vogelstimmen, das Rauschen des Windes, gelegentlich ein Flugzeug, das war alles.
Die gefundenen Scherben, Knochen, etc. werden nun ausgewertet um eine nähere zeitliche Einordnung vornehmen zu können. Das wird dauern.
Was man erkennen konnte war, dass der Keller nicht über Jahrzehnte verfallen ist, sondern im Rahmen eines Ereignisses zum Einsturz kam. Es gab eine seltsam verformte Ecke, die an ein Erdbeben denken lässt. Aber es kam auch viel Brandasche zum Vorschein. Ob das wahrscheinlich darüberliegende Haus abgebrannt ist? Dann hätten allerdings verkohlte Holzreste auftauchen müssen. Und wie mag es überhaupt ausgesehen haben?
Über das Schicksal der Bewohner, wer hier lebte und was am Ende passierte, werden viele Fragen offen bleiben, die mich eigentlich brennend interessieren würden. Vielleicht tauchen dazu irgendwann weitere Puzzlestücke auf, wer weiß.
Zufällig fuhr ich vor einigen Tagen nochmals am Grubenrand entlang. Immer noch wird an der römischen Straße gegraben. Und ansonsten lässt der Kohlebagger sein Schaufelrad am Boden knabbern.