Sonntag, 20. Oktober 2024

Sportliche Anreize

Die Dinge entwickeln sich. Nach nur 2x laufen in der vorletzten Woche, ergaben sich in dieser Woche schon 3 Laufeinsätze, trotz teils subjektiv(?) empfundener Schlappheit. Doch die Lust an der Lauferei bricht dann doch immer wieder durch. Vor allem, wenn man nicht durch einen Trainingsplan moralisch gedrängt, erpresst oder gezwungen wird. 😀

Heute gab sich die Gelegenheit, als Damenduo mit Heidrun ein wenig konditionserhaltend aktiv zu sein. Ziel war der Weihnachtsbaum. Allerdings gab es einen kleinen Schock, ich sah das gesuchte Objekt nicht (mehr). Sollte der etwa gefällt worden sein??! Das wäre ein Skandal! 

Doch dann, der parallele Triathlon aus quatschen, laufen UND Baum suchen schien nicht ganz meine Stärke. Die Augen erspähten den treuen Weihnachtsfreund dann doch. Das grüne Osterei hängt immer noch dran, ansonsten ganz viel Freiraum für die bald anstehende adventliche Optimierung des Erscheinungsbildes. 😉


Ansonsten gab es Stillleben anderer Art zu sehen:


Der noch im Juli einsame Herr hat auch Gesellschaft bekommen.😄 Schön schräg-skuriles Arrangement vor einem abseits einsam gelegenen Haus. 

Juli

Oktober
Schräg-skuril ist auch ein Marathon, den ich derzeit abarbeite. Nach 35 Jahren ist das Maß voll mit meiner alten kleinen einstmals geschätzten lokalen Bank. Arroganz gepaart mit fachlichem Nichtkönnen treiben selbst den duldsamsten Menschen in die Flucht. 
- Wenn man zur Bank geht, weil nur ein Freischaltcode für eine App zur Überweisungsfreigabe nicht recht klappen will, 
- man bei Verlassen der Bank allerdings tagelang keinerlei Zugriff mehr aufs Online-Banking hat, weil die Fachkraft die falschen Knöpfe drückt 
- und diese Fachkraft dann noch der Kundin frech ihre Fehlleistung in die Schuhe schieben will ("Sie haben das doch so gesagt"),
- dann reicht das jetzt.

Ein neues Online-Konto zu eröffnen, wird zwar als digital-unterstützte leichte Übung angepriesen, entpuppt sich dann aber als Parcours durch die Tücken des Onlineversums. Ich fühle mich wie eine Kugel im guten alten Flipper, die von einem Bumper zum nächsten und immer wieder von den Flipperfingern hin- und hergeschossen wird. In digitaler Form ist das ein leicht nerviger Pingpong von Codeeingabe über Zugangsnummer zu PIN und App-Kennziffer. Immerhin auch eine Art sportlicher Anreiz, das durchzuziehen. Letztendlich gelang es. Nun müssen nur noch meine Zahlungsströme mit mir wechseln. Aber kriege ich auch noch hin.
Und dann will ich die nächsten 35 Jahre Ruhe mit solchem Kram haben!

Sonntag, 13. Oktober 2024

Nacharbeiten

Der Herbst ist da! Und das zwanglose Laufen auch. Damit meine ich, ohne bestimmten Plan, weil kein spezieller Lauf ansteht. Tut auch mal gut. Erst in dieser Woche zog ich wieder die Laufschuhe an. Ein 11er fühlte sich noch staksig an. Der Sonntagslauf hingegen fluppte bestens, ohne dass ich es wollte, entwickelten sich die 11 km zu einem Tempodauerlauf, herrlich. Vielleicht auch beschwingt durch Catrina, die etwa zeitgleich den 3-Länder-Marathon am Bodensee in einer fabelhaften Zeit absolvierte. 

Ansonsten füllte sich die lauffaule Zeit ganz gut.

Natürlich schaute ich mir sehr genüsslich die Aufzeichnung des Berlin-Marathons an. Man will doch wissen, was vorne abging. Auch wenn das Ergebnis bekannt war, es war sehr spannend, mit diesem Wissen dann das Laufgeschehen  zu verfolgen. Und die allesamt irrigen Tipps von Experten und Reportern. Es hat so viel Spaß gemacht, dass ich ein paar Tage später gleich nochmals geschaut habe. 😆

Und dann ratterte die Nähmaschine. Für meinen Helfereinsatz beim Köln Marathon bekam ich ja u.a. ein T-Shirt und eine Jacke. Das T-Shirt, in wunderbarem Retro-Baumwoll-Design, bleibt unverändert.

Die Jacke reizte mich. Sie ist eher ein leicht gefütterter Anorak, zum laufen m.E. weniger geeignet, dennoch gut für sonstige Freizeitaktivitäten. Nur der Aufdruck auf der rechten Seite ist mir etwas zu viel... Aber kein Problem. In meinem Fundus fand sich ein passender anderer Stoff und so habe ich nun dort eine größere Tasche aufgenäht. Gefällt mir besser.



Fast wäre diese Jacke im Köln-typischen Rot gleich am Freitag Abend zum Einsatz gekommen, aber es war dann doch zu kalt und der Wintermantel musste her. 
Wir hatten die ebenfalls in Köln für die Marathon-Helfer ausgegebenen Freikarten der Kölner Haie für ein Heimspiel genutzt. Tolles Erlebnis!😀
Es lohnt sich, schon mehr als eine Stunde vorher dort zu sein, denn dann wird Hard Rock volle Pulle gespielt, Metallica, ZZTop, Mötley Crüe, herrlich. 
Und dann erst noch das Opening!

Natürlich wird zunächst der Haifischkopf platziert:


Dann gemeinsames Singen der kölschen Haie-Hymne. Die Inbrunst der über 16.000 Kehlen ist kaum zu überbieten.



Dann folgen Blitze, Donner, Feuer - fast ein Orkan in der Halle!



Das Haifischmaul spuckt die Kölner Spieler unter tosendem Jubel der Fans aufs Eis:





Ach so, ja, ähm, die gegnerische Mannschaft darf still und unbeachtet durch einen Seiteneingang auf die Spielfläche.
Gespielt wurde dann auch noch. Super Stimmung mit viel Anfeuerung seitens der Fans. Leider ist festzuhalten, dass die Kölner Haie etwas im Trüben fischten, während die Schwenninger Wild Wings wohl die bessere (Vogel)Perspektive auf Puck und Gegner hatten. Am Ende mussten die Haie ein 2:3 hinnehmen. Das Ergebnis geht daher leider in Ordnung.


Ein wenig nacharbeiten musste ich auch meinen Mal- und Zeichenkurs, den ich bis Jahresende belegen konnte. Durch Berlin war mir ein Unterrichtsabend verloren gegangen. Aber die Sache reizt mich ungemein und das "Nachsitzen" tat nicht wirklich weh. 
Auf meinen Tiger bin ich doch ein klein wenig stolz. 😊


Und ansonsten spuken immer noch Berliner Eindrücke durch unsere Köpfe.
Im Fall der Blue Man Group wummern sie auch dann und wann akustisch durch unser Haus. Herrlich, diese blauen Jungs. Leider, aber verständlich, darf man den Auftritt nicht filmen.



Andere Eindrücke nahmen wir aus der Normannenstraße mit, dem Sitz der Stasi zu DDR-Zeiten.
Mielkes Büro und Wohnzimmer nebenan. Seltsames Gefühl, das so zu sehen, so banal, so bieder. Sogar der Geruch ist miefig.



Und dann waren da noch der Wannsee mit der Liebermann-Villa, die Alte Nationalgalerie, und, und, und. 
Andererseits, Café Kranzler zu, Lafayette gibts nicht mehr, heruntergekommenes Café bei Karstadt auf dem Ku'damm ... wie mag das weitergehen?
Dennoch - ich könnte schon wieder hin.

Sonntag, 6. Oktober 2024

Köln Marathon (2024) mal anders

So kanns gehen. In Berlin hatten wir noch 3 schöne Tage für Sightseeing, kamen trotz Bahnunterbrechung des letzten Streckenstücks nach Hause dank Heidruns persönlicher Chauffeurinnendienste am Donnerstag gut heim, schon steht der nächste Marathon an.

Köln diesmal. Aber anders. Nicht auf der Strecke sondern direkt an der Strecke. Mein länger gehegtes Vorhaben, ein Laufevent einmal aus Volunteer-Perspektive zu erleben, gelangte zur Ausführung. Man kann sich für Wunsch-Posten anmelden, mein Herz schlug für Streckenposten, nicht Startbereich und auch kein Zieleinlauf.

Also habe ich ein Date morgens um 7:30 Uhr an der Cäcilienstraße. Spekakulärer Standort, dies ist km 20 des Halben und km 41 des ganzen Marathons. Vorher sieht man hier den Halben auf seinem km 2 und den Marathon auf km 14 (wegen zuvor eingeschobener Extra-Schleife).

Aber zu allererst lande ich im Dom. Als ich aus dem Bahnhof komme, ist es sehr einsam und kalt draußen (ca. 5-6°) . Ich habe noch Zeit und es aus dem Kirchenportal leuchtet es so heimelig. Der Eingang ist offen, der Wärter steht davor, ruft mir einen guten Morgen zu und ergänzt "Dat Dömsche ruft..." Na dann drehe ich doch eine sehr frühe Runde im leeren Gotteshaus, das eine so friedliche Stimmung verbreitet. Ein Domschweizer grüßt mich auch persönlich. Wann gibt es sowas sonst? Na dann verbringe ich gern ein wenig Zeit in diesem gastlichen und warmen Ambiente, bevor ich über die menschenleere Hohe Straße, dem späteren letzten Kilometer, vorbei an Zelten in Geschäftseingängen zu meinem Treffpunkt ziehe.

Linke Hälfte = Rennstrecke
Wir bekommen unsere Ausrüstung (Jacke, Shirt, Cap, Verpflegung- siehe erstes Foto) und eine kurze Einweisung. Dann verbringen wir die erste Stunde noch mit Warmbibbern, soweit dies möglich ist. Der Wind ist sehr kalt, und ohne Bewegung wird es nicht wärmer...


Die kleine Freizeit kann man perfekt nutzen für ein besonderes Erinnerungsfoto. Endlich habe ich das Haifischmaul mal für mich. 😁


Dann geht es langsam los. Auf der einen Straßenseite kommt zunächst der Halbmarathon, Start ab 9 Uhr. Ein endloses Feld (14.000 Finisher), unmöglich, jemanden dort wiederzufinden oder zu erkennen.


Dann steigt der Stresspegel. Denn während (auf dem folgenden Bild) links die Halbmarathonis dem Ziel entgegenstürmen, folgt nun rechts das Marathonfeld (Start 10:30 Uhr, 5.600 Finisher). Und für uns Helfer der Stress, denn auf den Gleisen zwischen den beiden Straßenseiten fahren Straßenbahnen und die Zuschauer wollen natürlich mal hüben oder drüben schauen, blenden aus, dass es auf den Gleisen gefährlich werden kann. Wir haben einiges zu tun. Meist trifft man auf Verständnis ("Ich wusste gar nicht, dass die Bahnen fahren"), manchmal braucht man ein dickeres Fell.  Mit 2 Autofahrern ergibt sich für mich ein intensiverer Gedankenaustausch ("Ich MUSS da durch, und wenn ich nicht darf MÜSSEN Sie mir eine Alternative anbieten", "Mein Navi sagt aber, dass ich da fahren soll!") Doch natürlich haben wir strikte Vorgaben. 
Bei manchen Aktionen, Eltern, die ihre Kinderwagen durchs Gleisbett manövrieren wollen, Menschen mit sperrigen Rollkoffern aus umliegenden Hotels oder einfach frenetische Fans auf den Gleisen ist viel Aufmerksamkeit nötig.


Gegen Mittag wird es bei den Halbmarathonis langsamer und leerer. Die 2:30-Stunden-Pacemaker sind durch und nun folgen diejenigen, deren Kräfte schon sehr geschmolzen sind. Aber auch sie erhalten Applaus.

Dann naht die Marathonspitze und wird von ihren Führungsfahrzeugen durch das Ende des Halbmarathonfelds geführt. Nach einem Kilometer werden sie das Ziel erreicht haben, während auf der anderen Straßenseite immer noch Marathonis, ähm, sagen wir mal unterwegs sind. Denn sie haben damit für die ersten 14 km mehr als 2 Stunden benötigt, viele gehen. Es gibt sogar einen 5:30er-Pacemaker.

Ich kann noch einen Blick auf die nicht uninteressante Phalanx der Straßenreinigungsflotte werfen, die mit einem beachtlichen Fuhrpark dem Besenbus folgt. Meine Frühschicht ist beendet. Eigentlich wollte ich noch weiter zuschauen, aber mittlerweile bin ich durchgefroren bis auf die Knochen, trotz 4-Lagen-Kleidung. Also mache ich mich auf den Heimweg und gönne mir daheim eine wundervolle heiße Badewanne.

Es war sehr interessant, einmal aus dieser Perspektive einen Lauf zu verfolgen. Wobei ich allerdings nicht so intensiv zuschauen konnte, wie geplant. Auch Heidrun, die hier eine Halbmarathon-PB erzielen wird, kann ich nicht im Strom der Lauflemminge orten.

Eine Folge wird der Sonntag noch haben: Alle Volunteers bekamen Freikarten für ein Eishockeyspiel der Kölner Haie. Also auf in die Lanxess-Arena, die dann hoffentlich etwas wärmer sein wird, als mein heutiger Einsatzort.

Montag, 30. September 2024

Berlin Marathon 2024


Was für ein Tag, was für ein Lauf. Ich erlaube mir an dieser Stelle soviel Spoilerei, als dass ich ein gutes Ankommen vermelden darf. Endlich, nach dem üblen Laufjahr 2023, mit einem DNF in Maastricht bei km 38 aus zwingenden gesundheitlichen Gründen und einem DNF in Berlin, weil es mir ebenfalls schlecht ging.

Diesmal lief das Training nach anderem Plan, ohne nennenswerte Beeinträchtigung. Was würde also passieren?

Zunächst verfiel ich noch auf Unterstützung anderer Art. Zum 50. Jubiläum in Berlin würdigte man dem Berliner Bär besonders, es gab eine Marathon-Edition in Porzellan. Also, warum nicht meinen eigenen kleinen Bär kreieren und ihn als Maskottchen mitnehmen? Da man in Berlin gern Hinweise auf seine Nationalität trägt, war die Farbgebung klar. Name...? Ergab sich in der Startaufstellung. Eine Amerikanerin tippte mir auf die Schulter und rief entzückt "Oh, you've got your personal buddy!" Also, Buddy war mit von der Partie!



Vorab sei auch noch erwähnt, dass es diesmal sehr wohl einen neuen Weltrekord gab. Zwar nicht in der Siegerliste, aber auf der Strecke. Statt wie sonst "nur" um die 40.000 Teilnehmer vermeldet der Veranstalter derer über 58.000. Nunmehr der weltgrösste Marathon. Klingt toll, bringt aber ein paar logistische Herausforderungen mit. Alle 58.000 und die Nebenlaufteilnehmer (Kinderlauf, 5 km, Skater, Rollis) müssen ihre Startnummern abholen. Persönlich. Heissa, da war was los in Tempelhof! Wir waren Freitag Morgen dort, eine halbe Stunde vor Öffnung und waren zügig durch. Als wir nach Expo-Besuch das Gelände verliessen, bildete eine riesige Masse Menschen eine lange Warteschlange. Wir dachten, wir hätten damit das Gewühle umgangen. Aber wenn dann schon der Zugang zur U-Bahn ebenfalls aus Massegründen geblockt ist, erkennt man den eigenen gedanklichen Holzweg. Erfreulicherweise kamen wir dann doch schnell zurück in die City.

Wir durften dank Volker noch unsere persönliche Pasta-Party genießen, und dann war er da, der grosse Tag. Frühstück um 6 ging halbwegs. Der Wetterbericht versprach 6° in der Startaufstellung und während des Laufs bis zu 15°. Letzteres war ok, aber was zieht man vorher an? Ich sorgte mich... 6° ist verdammt schattig. Also Zwiebelprinzip und darüber ein altes Fleeceshirt zum Wegwerfen unmittelbar vor dem Lauf und noch Plastik-Couture für obendrüber.

Dann U-Bahn. Uff, der Bahnsteig am Alex voller Menschen. Die einfahrende Bahn schon proppenvoll. Klar 58.000 wollen alle zum gleichen Ort. Wir sind nah bei einer Tür, und dann wird man gnadenlos von den hinter einem Stehenden hineingezwängt. Die Richtung im Waggon kann man nicht beeinflussen. Ich lande mit den Waden an die Seite einer Sitzbank gedrückt und mit dem Oberkörper nach hinten über die dort Sitzende gekrümmt. Körperkontakt mit einigen anderen. So muss U-Bahnfahren in Tokio sein! Ich kann mich um 180° drehen und mich dann auf der Rückenlehne abstützen. Ok für die 4 Stationen.

Auf dem Pariser Platz weht uns dann der kühle Morgenwind um die Ohren. Aber Hauptsache Sauerstoff. Wir wuseln uns durch zur Einlasskontrolle. Chris wird angehalten, weil er eine Dose Energy Drink mitführt. Die muss er entweder entsorgen oder an Ort und Stelle trinken. Er entscheidet sich für letzteres.




Chris' Startblock darf 9:45 Uhr auf die Strecke. Ich stehe wie immer in der letzten Startwelle und darf mich bis 10:40 gedulden. Normalerweise in Berlin kein Thema, es gibt flotte Musik, Infos, Videos. Normalerweise. 2024 gilt das nicht für alle. Wegen der paar Leute mehr steht die 4. Startwelle nicht auf der Strasse des 17. Juni, sondern wird auf einem Zubringerweg geparkt. Der Unterschied?
Hier die ungefähre Perspektive 2023:


Und dies meine Perspektive für ca. 90 Warteminuten 2024:


Keine Musik, keine Videos, keine Infos, nur Hubschraubergeknattere. Dröge. Kann man auch in der Provinz so haben. Fetter Minuspunkt für Berlin, schliesslich habe alle hier das volle fürstliche Startgeld berappt.
Also steht man nur herum. Oder sitzt. Immerhin haben wir wärmende Sonne, wenigstens das.

Wozu ein Baumstamm dienen kann...
Endlich, ca. 15 Minuten vor unserem Start kommt Bewegung in die Sache. Die Pacemaker erscheinen und bilden vorn eine Reihe, plötzlich erschallt doch Musik und eine Saxofonistin spielt dazu auf. Wir werden langsam um die Ecke auf die nun schon teilentleerte Startgerade geführt. Endlich Stimmung und das Berliner Gänsehautgefühl!




Schnell die Überkleidung weg, die Berliner Kleiderbörsen sammeln sie wie üblich für Obdachlose ein. Und dann geht es flott. Noch ein wenig aufpeitschende Musik, Infos, dass an der Spitze nun alle Pacemaker raus sind und es spannend wird und schon wird es auch für uns ernst. Endlich! Ich bin froh, mich bewegen zu können, denn in Laufkleidung friere ich gerade erbärmlich.





Die Beine fühlen sich von Anfang an gut an, und laufen "rund". Ich konnte sogar noch während des Wartens ein halbes Brötchen verspeisen. der Magen scheint willig heute. Ich freue mich auf das, was da nun kommt. Goldelse strahlt, da kann doch nichts schiefgehen!
Allerdings ein Schreckmoment bei km 1: Das Feld wird kurz um eine Stelle herumgeführt. Ein Läufer liegt am Boden und Sanitäter sind mit Wiederbelebungsversuchen beschäftigt.



Bei km 6 laufen wir nochmals in Sichtweite von Bundeskanzleramt und Reichstag entlang, super Stimmung. Musik und Anfeuern wie fast überall an der Strecke



Buddy freut sich auch


Irgendwo im fast frenetischen Jubel bei km 9 meine ich meinen Namen zu hören. Mh. Da, nochmal, und dringlicher. Mein Hirn setzt langsam den akustischen Reiz in Kopfdrehung um. Oh, was für eine Überraschung, da steht, bzw. hüpft aufgeregt die Tochter meiner Cousine am Streckenrand. Ich bin schon zu weit vorbei um noch an den Rand zu ihr zu laufen, aber zu einem Winken reicht es noch. Das gibt frischen Schwung.
Wobei ich sagen muss, dass die ersten 10 km sich gut anfühlten.
Mein Ziel das Tages ist
1. Ankommen
2. Keine Magenprobleme
3. Puls im Blick halten (der ging im Training manchmal deutlich zu hoch)
4. und deshalb keinesfalls die 4:30-Pacemaker überholen.

Punkt 4 klappt. Ich laufe zwischen den 4:30ern locker mit.😀
Es folgen Karl-Marx-Allee (km 12), Kottbusser Tor, (km 15). Mir geht es gut. Auch dank der wirklich vielen und vielfältigen Musikdarbietungen und des tollen Berliner Publikums unterwegs. Grandios.




An dieser Stelle meines Berichts sei der zweite fette Minuspunkt in Berlin angesprochen. Man will nachhaltig sein und versuchte, die Teilnehmer zu motivieren, ihren eigenen Trinkbecher mitzuführen um ihn unterwegs nachzufüllen, zwecks Plastikvermeidung. Meinen habe ich natürlich dabei. Aber das stellte sich dann so dar:


Manchmal stand jemand mit einer Kanne da und goss nach. Aber eigentlich sollte man sein Gefäss selber in die Wanne tunken. Super! Wer weiss, was da die tausende vorher schon reingetaucht haben. Wer eine Flask nachfüllen will, muss ja die Hände auch mit reintun.... Igitt!
Einmal stand ein junger Mann mit der Hand an einer solchen Kanne. Ich halte meinen Becher hin, er schaut mich irritiert an und reicht mir einen Plastikbecher an. Ich erwähne kurz mein Nachhaltigkeitsansinnen, als der ältere Kollege an diesem Stand mir zuruft "Na tunk doch eenfach rin!"
Na da steige ich umständehalber eben leider doch auch auf Plastik um. Werfe aber dann meine Becher doch jeweils in die zahlreichen Behälter statt auf die Strasse.


An jeder Station nehme ich ein paar Schlucke. Zudem steht auch Maurten mit 160er-Drinks alle 5 km. Damit fülle ich auch meine Speicher ein wenig nach.

Ein blinder Läufer wird geführt. Was für eine Leistung für beide!

Ich laufe inzwischen auf Strassen, bei denen ich im letzten Jahr schon länger einen inneren Disput führte: Weiterlaufen mit Magenproblemen, oder nach der Halbmarathonmarke aussteigen (was ich dann auch tat). Diesmal fühle ich immer wieder in mich hinein, aber da ist nichts, was mich ärgern möchte. Im Gegenteil. Zwar spüre ich langsam die Belastung. Aber ich freue mich fast darauf, weiter in die Quälerei hineinzulaufen. Man weiss ja, die zweite Hälfte ist die wahre Plackerei. Bin ich plötzlich masochistisch...? 


Es geht weiter vorbei an grösseren und kleineren Bands, die alle zur tollen Stimmung beitragen. Und der Feierbalkon ist wie jedes Jahr auch wieder voll dabei.





Die Feuerwehr bietet Erfrischung an. Heute nicht ganz so nachgefragt. Ich fühle mich mit 3/4-Tight und Langarmshirt sehr wohl. Andere sind auf Hochsommer gepolt, scheint aber auch zu funktionieren.


Ich schaue bewusst nur auf meine Uhr, um den Puls zu checken und einen kurzen Blick auf die Pace zu werfen, nicht aber um eine mögliche Endzeit zu berechnen. Langsam werden die Beine schwerer. Und da ich zum Trinken jedesmal gehe, entschwinden die 4:30er-Pacemaker peu à peu nach vorn. Soll ich hinterher? Mh, Gretchenfrage. Ich entscheide mich dagegen, möchte im Halbwegs-Wohlfühlbereich bleiben und nichts riskieren. Man weiss ja, als Tiger zum Sprung ansetzen, und als Bettvorleger landen...
Beim viel gerühmten Wilden Eber, km 28, haben sie ihre Stimmungsenergie wohl schon etwas erschöpft. Nicht mehr so viel los und das von Maurten versprochene Gel mit Coffein ist auch schon alle. Aber ich habe ja eigenes dabei.


Nun schliessen sich die etwas öden und langweiligen Kilometer an. Ich ziehe mich in den inneren Tunnel zurück, da muss man eben durch.
Endlich, hinter km 33 kommen wir auf den Kudamm! Ab da ist wieder mehr los, mehr Stimmung, und nur noch einstellige Rest-km. Heureka, kann ich gut gebrauchen!





Die Beine werden immer schwerer, die 4:30er sind entschwunden, ich muss dem Puls zuliebe die eine oder andere Gehpause einschieben. Ok, dann wird es gegen 5 Stunden gehen. Doch was solls, ich werde das Ding heute finishen! Ich danke schonmal meinem Magen und Buddy, dass sie mich so gut begleitet haben!
Bei km 37 eine sehr zielgruppenadäquate Verbraucherinformation:


Potsdamer Platz. Aufpeitschende Mucke für müde Läuferschar. A propos, auch wenn das Läuferfeld hier locker aussieht, das Vorwärtskommen wird auch deshalb mühsam, weil man immer wieder auf Langsamere aufläuft, wegen anderer Läufer um einen herum nicht vorbeikommt und daher entweder hart abbremsen oder Zickzack laufen muss. Kostet leider unnötig Energie.



Aber dann, endlich, der letzte Kilometer... 


Noch 1x rechts und 1x links und dann....
Unter den Linden erreicht! ein unbeschreibliches Gefühl!
Frenetischer Jubel bis ins Ziel, Geschrei, Gekreische, der Wahnsinn hier!





Und danach sehe ich blau, erst ein wenig, und dann immer mehr... 😁 Alle Läufer um mich herum sind im Freudentaumel, ich auch.






Ich bin völlig verblüfft, als ich meine Zeit sehe: 4:34:34. Im 20. Marathon meine zweitbeste Laufzeit. So was Verrücktes. Auch Chris ist mit seinen 3:52:00 sehr zufrieden.
Ja, auch ü60 hat noch was drauf.😉😁
Passend auch die Musik, die gerade läuft: Heroes. Ach wie das passt!



Ich schlurfe zur Ponchoausgabe, bin froh über die wärmende Hülle. Dann zur U-Bahn, die wiederum ziemlich gut gefüllt ist. Ich sehe wohl etwas erschöpft aus. Ein junger Mann asiatischen Hintergrunds, auch mit Medaille um den Hals, bietet mir hilfsbereit seinen Sitzplatz an. Ich hätte ihn knutschen können und danke ihm sehr erfreut. 
Diesmal gehe ich den Weg zurück ins Hotel mit viel Freude im Herzen und nicht wie 2023 mit gesenktem Kopf und dem Gefühl eines geprügelten Hundes.
Den folgenden Muskelkater werden wir wacker ertragen und als besonderes Marathonsouvenir verbuchen.
Getreu des diesjährigen Mottos in Berlin hatten wir unsere "Journey of Joy" 😃😃