Sonntag, 28. Mai 2017

Bei Donner zu Berge

Wir haben uns eine kleine sportliche Abwechslung vorgenommen: Eine Bergwandertour im flachen Rheinland. Auf die Sophienhöhe soll es gehen, den künstlichen Berg zwischen Köln und Aachen. Der auch den Rahmen eines schönen 28-km-Laufs, dem Monte Sophia-Lauf, abgibt.
In Anbetracht der angesagten Hitze starten wir schon gegen 1/2 10 am Morgen, bei erfrischender Luft. Schnell erklimmen wir die ersten Steigungen, und werden dabei von Donnergrollen begleitet. Der Himmel über uns ist alles andere als wolkenlos. So ganz wohl fühle ich mich dabei nicht. Gerade sage ich noch, ich könnte einen Landregen vertragen, als auch schon die ersten Tropfen fallen und langsam mehr werden. Wir haben noch nicht einmal die Hälfte der Steigung absolviert. Wie ist das eigentlich, wenn der Blitz hier einschlagen würde...?
Mir ist dann doch lieber nach Plan B, der Sicherheitsvariante, wir kehren um. Doch da lässt der Regen plötzlich nach, das Donnergrollen scheint nordwestlich abzuwandern. Wir schauen uns an - und kehren um vom Umkehren.

Dies wird belohnt. Weiter oben angekommen, sehen wir wirklich das Gewitter abziehen und lassen uns vom Wind erfrischen.
Die Aussicht ist leider nicht sehr gut, vieles verliert sich im Dunst. Doch dafür genießen wir die Natur und die Einsamkeit hier oben.
Ein vielstimmiges Vogelkonzert wird gegeben, dazu ein Rausch in lila und blau von tausenden Lupinen, ergänzt vom Gelb des Ginsters und weißer Schafgarbe.

Ich probiere weiter meine 360°-Cam aus. Tja, ist schon lustig, da will Mensch ja Natur erleben und dennoch schaut man auf Displays... Aber nur um Fotos zu machen, ich schwör!






Nach gut einer Stunde Wanderung im Stechschritttempo (Die Witterung ist doch immer noch etwas unberechenbar) erreichen wir den Römerturm auf dem Gipfel.









Wir gönnen uns eine kleine Brotzeit. Doch unsere Sorge vor der angekündigten Hitze war unbegründet, der Wind ist geradezu auskühlend. Ich könnte eine Jacke gebrauchen...
Hatten wir unterwegs kurz den Eindruck, der Himmel könnte aufreißen, so scheint nun erneut eine dunkle Wolkenfront genau auf uns zu zu kommen.

Also geht es noch eins flotter als aufwärts zurück in Richtung Auto.
Je tiefer wir kommen, umso wärmer wird es. Beim Auto knallt wieder die Sonne. Wir sind froh, dass wir uns früh aufgemacht hatten und auch den ursprünglichen Plan einer ausgedehnteren Tagestour dann doch auf einen anderen Tag, mit wanderfreundlicherer Temperatur verschieben.
Spaßeshalber habe ich meine Laufuhr dabei. 8,5 km, 1:58 Std., 255 m rauf und wieder runter.
Die Kalorien werden schon auf dem Heimweg in einer Eisdiele kompensiert. 😏

Donnerstag, 25. Mai 2017

Bedürfnis nach nichts

Mir ist heute nach einer Tour mit nichts.
Nach einem deprimierenden Krankenhausbesuch, verbunden mit immer tieferem Entsetzen über unbegreiflich viel Inkompetenz in dieser Klinik, hat der schwere Kopf das dringende Bedürfnis nach Luft, Licht, Sonne, Vogelzwitschern, Landschaft - und eben nichts.
Was am heutigen Vatertag etwas schwierig ist, denn das schöne Wetter lockt natürlich auch viele andere vor die Tür.


Ich strebe ein auch an solchen Tagen immer noch erträglich einsames Terrain im Tagebauumfeld an. Doch auch hier sind heute verhältnismäßig viele Radler unterwegs.
Mit meiner Elli rolle ich so vor mich hin und hänge den Gedanken nach.



Schlussendlich probiere ich einen mir unbekannten Radwanderweg aus.
Die Feldwegqualität schüttelt mich durch und dem Durchschnittstempo tut es Abbruch. Aber egal, Hauptsache einsam heute, und hier ist wirklich keine Menschenseele mehr.









Inzwischen bin ich 17 km weit gerollt, immer am Tagebaurand entlang. Das wäre dann schon ein guter Teil eines geplanten Projekts: Die Grube und die angrenzende Sophienhöhe einmal zu umrunden.
Ich überlege, ob ich hier und heute ganz spontan das Projekt umsetzen soll? Aber dann ginge es etwas weit in den Abend hinein, nein, ich will mir diese Tour für einen anderen Tag aufheben. Aber Immerhin, ich hätte hier mehr als 1/3 und habe das Gefühl, der Rest wäre machbar.

Ich bin immer wieder begeistert, wie gut doch hier die Radwege ausgeschildert sind und an jedem größeren Knotenpunkt eine Landkarte allerbeste Orientierung ermöglicht.










An dieser Stelle überquere ich zugleich den Speedway :terra nova, die frühere Bandstraße für Kohle, heute Biker-, Inliner-, Spaziergängerareal. Werde ich ein anderes Mal wieder einmal befahren.









Nach 37 schönen Kilometern bin ich wieder daheim, der Kopf etwas leichter, dafür die Beine schwer.









21°, 37 km, 2:06:30, (17,6 km/h), HF 131

Montag, 22. Mai 2017

Grüne Rollerei

Prächtiges Wetter und Zeit habe ich auch nehme ich mir.
Mit der grünen Elli gehts durch grüne Landschaft um auf umweltfreundliche, also grüne Art, Erledigungen und Sport miteinander zu verbinden.
Als erstes ist etwas im Briefkasten unserer Urlaubs-Katzensitter zu deponieren.
Erledigt.
Dann  entlang der Erft gerollt. Wunderbar!


Ich lege solch ein Tempo hin, dass ich sogar darüber Schweißtropfen vergieße. Beweis auf dem Foto ;-)

Sodann rolle ich beim Grün-Fachhändler kurz vor Toresschluss auf den Hof, damit er mir eine neue Gartenzange verkaufe.
Erledigt.

Als nächstes einen Brief in meinem alten Heimatdorf eingeworfen.
Erledigt. Nach der Pflicht kommt die Kür.

Ich rolle durch den Ort, in dem wir zu meiner Jugend (also vor 40 Jahren, au weia) zur Landdisco gingen.
Dieselbe ist heute geschlossen und liegt brach.

Weiter Richtung Tagebaurand.
Hier gibt es Kunst zu sehen. Sieht aus wie eine Rolltreppe, rollt aber nicht. Ist auch nicht grün, aber in Kontrastfarbe und diese in grün eingebettet.
Elli muss leider unten bleiben.


Aussicht von oben:
War doch fast klar, oder? ;-)
Aber als grün ist das natürlich nicht zu bezeichnen.









Ich gönne mir eine gemütliche Pause auf der Aussichtsfläche am Tagebaurand, bevor ich das letzte Stück unter die Räder nehme.
Der Wind kommt frischer, und wie so oft von vorn. Ich spüre leichten Pudding in den Beinen.
Nach 1,5 Stunden bin ich zurück.
Schöne Tour, aber anstrengend.
Ungefähr so, wie 1,5 Stunden nur stehend zu radeln.



23°, 26,8 km, 1:31:51, (17,5 km/h im Mittel), HF 143

Mittwoch, 17. Mai 2017

Haltloser Zustand

Es ist schon unglaublich, welchen Schub ein bestens verlaufener Wettbewerb einem verleihen kann. Nach dem Grand Prix Bern jedenfalls wäre ich gleich am nächsten Morgen wieder losgerannt. Die Glückshormone entfalteten fast in dieser Hinsicht jedenfalls fast diktatorische Züge. Ging aber zeitlich nicht und da die Anstrengung in den Beinen doch noch ziemlich spürbar waren, war sicherlich Regeneration das sinnvollere Mittel der Wahl.
Und nun ist wieder die Phase da, in die ich nach jeder Teilnahme an einer längeren Laufdistanz  plumpse: Ein ziemlich planloses Läuferdasein. Keine Tabelle, die mir sagt, was ich heute laufen soll. Ergo fehlt dann auch das gute Gefühl, das Plansoll erfüllt zu haben, als Motivation für weiteres Tun. Ich weiß, das mag für manchen lustig klingen, aber, wie man hier so sagt: jeder Jeck ist anders.

Dieses Gefühl des quasi haltlosen Zustands währt aber nur kurz, denn es ist natürlich auch schön, einfach so wie einem ist, loszulaufen.
Und vor allen Dingen ist es schön, mit meiner grünen Freundin auf Tour zu gehen.
Eigentlich sollte es nur ein halbes Stündchen sein, denn die Oberschenkel zeigen noch ganz leicht Nachwehen, und genau dort wirkt Elli am meisten ein.
Aber das sommerliche Wetter und die wunderbare Abkühlung durch den Fahrtwind locken weiter und weiter.

Ich fahre zum einsamen Areal beim Tagebaurand, wo eine kleine Schafherde mit vielen Lämmern grast. Der Feldweg bis dorthin ist ein wenig rumpelig, doch danach locken Asphaltwege und so gehts weiter nach Manheim, dem sterbenden Dorf, wo inzwischen der Bereich, an dem der Abbruch begonnen wurde, ein komplettes Trümmerfeld ist. Ich rolle durch menschenleere Straßen, bevor es auf dem Radweg parallel der Eisenbahn zurück geht. Kein Mensch begegnet mir dort, nur einige Güterzüge lärmen auf den Gleisen.
Ach, es ist einfach herrlich, mit der grünen Elli durch die Gegend zu rollen, auch wenn es hinterher wieder mehr in den Oberschenkeln zieht.

28°, 17,72km, 58:25, (17,7 km/h), HF 132

Samstag, 13. Mai 2017

Grand Prix Bern 2017 (16 km)

😄😅😁
Der Grand Prix Bern, ein fester Termin in unserem Mai-Kalender. Gerade dieses Jahr sollte er eine kleine Genugtuung zu meinem Prager Marathon-Ärgernis werden.
Und die schönsten 10 Meilen der Welt (GP über GP) wurden zu einem tollen Erlebnis!







Ich habe mich extra ins Prager Finisher-Shirt gewandet, will ich doch den Frust von dort mit dem Berner Spirit austreiben :-)

Wir kommen frisch von der Mittagstafel eines Familientreffens und ich bin ein wenig unsicher, ob das Menü, auch wenn nur partikelweise genossen, wirklich so lauffreundlich war. Jedenfalls machen sich Risotto & Co eine Stunde vor meinem Start(16:40 Uhr) noch rumpelig bemerkbar. So laufe ich nur moderat ein, um nicht die Durchblutung vom Magen in die Waden zu schicken.



Über 33.000 Teilnehmer verzeichnet die Veranstaltung dieses Jahr, über die Hälfte läuft die 10 Meilen (16 km).
Die Stimmung wie immer bestens.
Inzwischen verzeichne ich auch kein Gegrummel mehr aus der Bauchmitte.








Ich stehe recht weit vorn in meinem Block und kann das übliche Startprozedere aus der Nähe erleben. Die Footballer müssen ihren Sprint 32x wiederholen, so viele Startblocks hat es.









Kurz hinter dem Start. Auf einem der vielen alten Militärbauten befindet sich oben auf dem weißen Kamin ein Storchennest, das man live im Netz beobachten kann: www.berner-storch.ch. Leider sind von 4 Jungstörchen 3 schon verendet. Man vermutet u.a. Nahrungsmangel aufgrund der kühlen Witterung.






Abwärts den Aargauerstalden laufend, kommt mir wie immer an dieser Stelle die Spitze entgegen.
Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Läuferin war, die doch aussieht, wie eine der Hahners. In der Tat, wie ich später sehe, ist es Lisa Hahner, die mit 58 Min auf den 4. Platz der Damen läuft.

Nach der Abwärtspassage den Stalden hinab tauchen wir ein in die Altstadt. Wie immer eine unbeschreibliche Stimmung. Live-Musik, Applaus, Anfeuerungen - Bern ist einfach der helle Wahnsinn!
Bei mir läuft es fast schon verdächtig gut. Ich überhole die ersten Mitläufer, obwohl es hier leicht bergauf geht.
Anschließend rollt das Feld abwärts zur Aare und zum Mattenquartier. Ich lasse die Schwerkraft für mich arbeiten. Einfach einen Fuß heben, und die Erdanziehungskraft bringt fast automatisch das nächste Stück Asphalt unter die Sohle. Ich flutsche irgendwie an der 1:35-Zugläuferin vorbei. Wollte ich zwar nicht, aber was solls. Das junge Mädchen mit den Ballons wird ohnehin von 2 Besserwissern angetextet, die ihr ihre "Unterstützung" aufdrängen. Doch ich habe den Eindruck, sie weiß, was sie tut.
Etwa bei km 3 sind wir auf Flusshöhe angekommen und es geht rd. 3,5 km flach weiter. Gottseidank hat sich die Sonne hinter Wolken verzogen, so dass für mich Kleidung und Temperatur passen. An jedem Wasserposten greife ich zu.

Es läuft wunderbar. Die Beine machen ihre Arbeit von selber und ziehen nach vorn. Von einem der zahlreichen Musikstände dringt "Happy" an meine Ohren. Hach, genau so fühle ich mich!
Bei km 6,5 geht es wieder aufwärts. Eine Passage, die ich sonst anstrengend empfinde. Doch diesmal? Irgendwas stimmt nicht. Ich überhole und überhole. Die anderen sind doch nicht alle so langsam...?
Anstrengend wirds dann auch doch noch für mich, aber ich weiß ja, dass bald ab Thunplatz wieder Gefälle kommt und ich mich wieder ein wenig ausruhen kann. Und vorher wird noch "Sultains of Swing" live intoniert, das macht beste Laune! Denn damit ist die erste von 3 gemeinen Steigungen abgehakt.
Schon ist die Hälfte absolviert, wie schnell das geht! Beim Marathon wäre man hier gerade mal gut eingelaufen...

Es war Regen angekündigt, ein paar Tropfen fallen, aber die dunklen Wolken nehmen ihre Fracht weiter mit. Wer mag, kann sich bei einigen Spritzstationen vom Wasser abkühlen lassen.

Bei km 11 habe ich ein minimales Schwächegefühl. Aber meine Uhr zeigt mir, dass das nur eine Gefühl ist und die Beine weiterhin ihre Pace machen.
Auf gehts zur nächsten Steigung. Die amerikanische Botschaft, die wir bei km 12 passieren, ist für mich inzwischen fest mit diesem zähen Anstieg verknüpft. Ich schnaufe mich hoch, aber immerhin schneller als manch anderer.

Es naht der Bundesplatz mit seinem speziellen Durchlauf. Knappe 13 km sind gelaufen. Der Rest ist verschwindend klein, allerdings mit dem gemeinsten Anstieg garniert. Den Aargauerstalden hinauf, den wir eingangs hinabrannten.
Und mit der absolvierten Strecke in den Beinen ist das Ding echt fies, wird sogar mit dem Heartbreak Hill in Boston verglichen!
Ich laufe 2/3 und entscheide, den Rest zackig zu gehen, um Kräfte für die weitere Fortsetzung der Steigung beim Rosengarten zu sparen. Gute Entscheidung! Kaum bin ich um die Ecke, greife ich wieder läuferisch ins Geschehen ein.
Und dann kommt der letzte km, der gegen Ende abfallend ist und einen geradezu ins Ziel beschleunigt. Die Zuschauer machen einen Höllenlärm, trommeln auf die Banden. Die Beine rennen von selber, überholen und überholen. Ich mache, wie auch schon unterwegs, zahlreiche 360°-Bilder, die aber leider Blogspot nicht unterstützt.





















Ich bin im Ziel und fühle mich falsch.
Was soll ich denn schon hier, es lief soooooo klasse, so fluffig, so locker! Die 16 km fühlen sich zu kurz an, das Vergnügen könnte gern noch etwas weitergehen!
So hätte es letzten Sonntag sein müssen. Naja, hat nicht sollen sein.
Das ganze Rennen über habe ich nicht auf die Zeitanzeige geschaut. Und nun die Überraschung: Ha, neue PB in Bern! 1:32:56! Auch mein Mann ist sehr mit seiner Zeit zufrieden. Einmal mehr zeigt sich, dass man kurz nach einem Marathon auf Unterdistanzen prima laufen kann.
Ich könnte die Welt umarmen, bin einfach nur megaglücklich! Aber kein Wunder, Bern - das ist einfach ein wunderschöner Lauf mit einzigartiger Atmosphäre.
Und in Abwandlung des anderen Spruchs möchte ich sagen: Irgendwann musst Du nach Bern!
Stimmungsvolles Veranstaltervideo:


Dienstag, 9. Mai 2017

Prag Marathon 2017

Mein Prager Marathon 2017, ein Lauf wie eine Tafel Überraschungsschokolade: Man freut sich drauf, beißt rein, und merkt erst dann, dass man die bitterste der bitteren erwischt hat... 😕
Nachdem ich dort 2016 ein -wenn auch erklärbares und daher für mich akzeptables- Problem hatte, sollte es diesmal besser werden.
Aber leider, es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht bestellen, die kommen trotzdem.





Nach einer guten Anreise ging es natürlich am Samstag zur Sport Expo, die in Prag viel zu bieten hat. Als Läufergoodie gab es in diesem Jahr eine leichte Windbreakerjacke. Zudem lockten diverse Mitmachaktivitäten, ein Dog Walk und ... ein Pole Dance Wettbewerb! Das sympathische Motto des Laufs in 2017: "All Runners Are Beautiful"

























Doch uns ging es ja ums Laufen. Nach gutem Schlaf und stärkendem Frühstück ein erster kleiner Dämpfer: Ich bemerke eine Undichtigkeit im Wasserreservoir meiner Trinkblase. Mist! Also wieder raus mit dem Wasser. Gottseidank ist die andere Kammer mit meinem Maltodextrinmix aber dicht. Der Mangel an eigenem Wasser stellt sich später als kein wirkliches Problem dar, denn das Wasser an der Strecke ist nicht -wie auch schon erlebt- zu kalt und ist daher für mich gut trinkbar.
Wir sind mit schweizer Freunden angereist. Bianka startet im gleichen Block wie Chris, ihr Mann und ihre Tochter supporten an der Strecke.



Den Start in Prag empfinde ich auch diesmal als sehr besonders: Das Teilnehmerfeld aus aller Herren Länder, malerische Kulisse. Und wenn dann wieder Smetanas Moldau (Hörprobe hier) kräftig aus den Boxen klingt - hach!









Der Start verläuft für meinen hinten liegenden Block wieder zackig. Eine Applauswelle verkündet, dass gerade vorn die Post abgeht. Dann rücken wir ein Stück vor, noch eines, dann langsames Gehen, zügiges Gehen, und schon 100 m vor der Startlinie trabt alles, da bleibt keine Zeit für Geschubse und Gedrängel. 11 Minuten nach der Spitze bin auch ich unterwegs.





Ab geht es über einen französisch anmutenden Prachtboulevard, über den wir später aus der Gegenrichtung ins Ziel zurückkommen werden.
Über die Moldau, auf die Kleinseite, und über die Karlsbrücke gleich wieder Richtung Altstadt.
Es läuft sich bestens in der milden Morgenluft.

















Gleich hinter der Karlsbrücke wird wieder die Flussseite gewechselt und die Strecke führt auf einer Schleife von km 4 bis km 12 der Moldau entlang in ein unspektakuläres Viertel. Diese Schleife laufen wir am Ende ein weiteres Mal. Etwa bei km 5 fällt mir Manfred auf. Ein älterer Mann, auf seinem Rücken ein selbstgemaltes Schild: "Manfred, 77 Jahre, 90. Marathon". Wow! Ich rufe ihm "Viel Glück!" zu, er grüßt mit Kopfnicken zurück. Wir werden uns nochmals treffen.
Bei km 7,5 geht ist der Wendepunkt dieser Schleife erreicht. Und ich verspüre - ein erstes Vorzeichen. Schlagartig fühle ich mich schlecht und schlapp. Das kann doch nicht...! Nee, wird nicht akzeptiert. Ich laufe weiter und es geht bald wieder besser. Bei km 11 stehen Bianka's Supporter und erwarten mich (die beiden anderen sind plangemäß längst durch). Marie hält eine große Schweizerfahne, hinter der sie fast verschwindet. Das baut auf und beschwingt renne ich zum Altstädter Ring, wo man bei km 13 ein erstes Mal das Ziel passiert. Wie  ich wohl nachher hier ankommen werde ...?



 Weiter geht es durch die Altstadt.
An der Strecke viele, viele Musikspots, mal Livemusik, wie die Rocker hier, oder diverse Konservenmusik. Auch die Verpflegungsposten unterwegs sind zahlreich, ich komme auf dem Plan auf 13.
An jedem greife ich mir einen Becher und nehme ein paar Schlucke. Dazu immer wieder einen Zug am eigenen "Proviant" auf dem Rücken.
Dennoch, es lässt sich nicht verhindern, das Elend.
Der Magen fängt schon wieder seine Drückerei an.
Und obwohl die Beine mögen würden, setzt sich der Bauch durch. Es krampft sich da dermaßen zusammen, dass Laufen nicht mehr geht. Schon vor der Halbmarathonmarke muss ich auf Gehen umschalten. So hätte ich das nicht gedacht, das ist noch früher als 2016. 😖Doch im Gegensatz zum Vorjahr wird es nur wenig besser nach dem Gangartwechsel. Spürte ich da bald nach der Verlangsamung Entspannung im Abdomen, so bleibt mir nun der Druck, wenn auch vermindert, erhalten und fährt bei jedem Anlaufversuch gleich wieder hoch.
Das ist bitter. Ich habe noch über die Hälfte der Strecke vor mir! Was da in einem Läuferkopf vor sich geht, ist übelste Schublade. Zum Salz hätte ich vielleicht noch ein Power-Antidepressivum in mein Rucksackgetränk mixen sollen. Wie kann man auf so eine blöde Idee kommen, 42 km rennen zu wollen?! Ich wäre hier und jetzt bereit, den Abbruch einer vielleicht vielversprechenden Spätberufenenkarriere zu besiegeln.
Inzwischen befinde ich mich auf einer weiteren Schleife (km 20-25,5) südlich der Innenstadt. Ich könnte bei km 25,5 abbiegen zum Hotel ....
Der Gedanke an Abbruch ist mir verflixt nah. Doch ich halte meinen inneren Disput einfach aufrecht, bis ich über diese Stelle hinweg bin, denn es geht über eine Brücke auf eine weitere Schleife in eine Randlage, und wenn ich hier einfach weitergehe, muss ich zwangsweise km 26 bis 30 absolvieren, und dann werden die Rest-km ja bald schon einstellig...

Gedacht, getan.
Aber schwer ist es schon, endlos schwer. Die 4:30-Std-Pacemaker sind längst an mir vorbei. Nun überholen mich die 5:00-Std-Läufer.
Ein Tal des Jammers.
Da hilft nur der Blick nach hinten, da kommen noch sooo viele (von denen mich noch ziemlich viele auch überholen werden).
Ich sehe aber auch auf Begegnungsabschnitten bereits die Nachhut, Müllwagen und Straßenreinigung.
Doch wenn ich dann Gruppen wie diese entdecke, reiße ich mich am Riemen: Da schieben die, die laufen können, solche, die das nicht können, über die ganze Strecke, Respekt!
Bald kommt das 32-km-Schild, und damit auch eine erneute Hotel-Abbiege-Möglichkeit. Dann käme ich kurz nach den beiden anderen ins Hotel, könnte duschen, mich in einen Bademantel kuscheln, ausruhen ...
Welch eine Versuchung....
Neineinnein! Dazu bin ich nicht hergekommen! Die anderen um mich herum gehen auch und kämpfen!
Schnell bei km 32,5 wieder über die Brücke, und damit nochmals auf die nord-östliche Schleife, und so wirkungsvoll die Hotelflucht verhindert.

Tja, und da kommt er wieder, Manfred.
Überholt mich und ist weg. Ich freue mich für ihn und sein Durchhaltevermögen.
Inzwischen fällt mir selbst das Gehen schwer, der Schnitt sinkt von 9:00 Min/km auf über 10 Min/km. Der Rücken schmerzt, allerdings nur rechtsseitig, und ich versuche immer wieder durch Dehnen das Problem zu lindern.
Zum Magendruck kommt Übelkeit. Mein Gang wird staksig und eckig, die Beine beginnen weh zu tun. Dauernd rechne ich im Kopf, wie weit es noch ist und wie lange ich noch brauche.


Inzwischen kalkuliere ich nicht mehr die Zeit bis zum Ziel, sondern bis ins Hotelzimmer (das Gottseidank nur 5 Gehminuten weiter liegt) mit dem kuschligen Bademantel.
Km 41, der Anblick ist mir noch von 2016 in Erinnerung. Gleich ist es geschafft, auch wenn es sich anfühlt, wie weitere 10 km. Während die beiden anderen später über die Wärme klagen werden, fröstelt mich, meine Ärmlinge habe ich längst wieder hochgeschoben. Der Wind ist böig geworden und kühlt mich aus.
Die letzte Kurve.
Der Vorteil in den hinteren Rängen: Man hat freie Bahn und kein Platzgerangel....











Bezeichnenderweise steht gleich neben den letzten 100 Metern diese Figur auf einer Grünfläche.
Wie konnte der Künstler nur wissen, wie ich mich hier und heute fühle...?
Vollbracht.
Ziemlich enttäuscht, aber doch auch ein ganz klein wenig froh über das doch nicht verursachte DNF, laufe ich die letzten Meter.
Dieser Lauf hat mir viel abverlangt, vor allem mental. Die Beine hätten es drin gehabt. Aber warum mir der Magen wieder so quer kam? Beim Training ist das nie so, auch nicht bei Distanzen bis HM.
Ich versuche das Positive zu sehen: Marathon schaffe ich unter 6 Stunden. 😬
Dennoch ist die Welt ungerecht, das muss ich hier mal ganz egoistisch konstatieren.

Hier gehts zu einem schönen Veranstaltervideo:



Und noch ein charmantes Video einer der Bands am Straßenrand, beim Support des hinteren Feldendes. Man beachte das Statement der Gruppe im Begleittext: Link. Spielen bis die Müllabfuhr kommt 👍


Wir gönnen uns ein gutes Abendessen (welches mein Magen gern entgegennimmt), und am Folgetag noch eine vergnüglich Stadtrundfahrt. Es war ein schönes Wochenende, außer von Sonntag, ca. 11:11 bis ca. 15 Uhr.