Ein Berglauf im Rheinland.
Der Lauf erklimmt die Sophienhöhe, ein "Abfallprodukt" des nahen Tagebaus. Denn irgendwo muss ja der ganze Abraum bleiben, der beim Buddeln nach der Braunkohle anfällt. In dem Fall wurde daraus ein künstlicher Berg angeschüttet und zur Naherholung angelegt. Wikipedia weiß mehr zu berichten und ein nettes (Teil-)Luftbild mit Wanderkarte gibts hier.
Zum Hauptlauf (es gibt auch einige Unterdistanzen) findet sich ein Häuflein Verwegener ein, ca. 200 die sich der Herausforderung stellen. Die Veranstaltung ist wunderbar organisiert, mit sehr familiärem Charakter. Schon beim Parken auf dem Zuweg wird man nett begrüßt und eingewiesen ("Ihr lauft beide? Dann könnt ihr hier parken, dat is jannz nah bem Start". Dies in herrlichem rheinischen Platt artikuliert).
In der nahen Turnhalle gibt es WCs und Duschen, im Sportlerheim Verpflegung für alle, die Läufer haben natürlich unterwegs zusätzlich ihre Verpflegungspunkte.
Noch rasch ein Gruppenbild und aus unserem Geschnatter reißt uns der Startschuss.
Ab nun läuft die Zeit für alle, keine Chipmessung ab Linie.
Eine erste Überraschung ereilt mich nach 100 Metern. Ich bekomme einen Schlag auf die Beine, fühle Finger an meinem Knöchel und lasse schreckenshalber einen Schrei los. Direkt hinter mir ist ein Läufer gestürzt. Doch er berappelt sich schon, nichts passiert.
Das Motto des Herrn in orange ist das für meinen heutigen Tag. Ankommen zählt. Ich kann die Zeit ohnehin nicht schätzen, denn es warten 2 deutliche Anstiege auf uns. Am Ende wird mir mein V800 370 Aufstiegsmeter und ebenso viele Abstiegsmeter anzeigen. Gefühlt ... war es mehr, kommt aber nach Veranstalterprofil hin.
Man läuft eingangs rd. 2 km über flaches Feld, und dann beginnt die Erstürmung der Sophienhöhe, deren Südwestflanke im Bildhintergrund erkennbar ist.
Das Feld zieht sich bald auseinander. Mir scheinen überwiegend ambitionierte Läufer teilzunehmen.
Ca. bei km 4 das erste Zwangsgehstück, jedenfalls für meine Leistungsklasse. Einige trippeln sich zwar hoch. Doch ich finde, zügig gehend spart man wertvolle Körner. Ein in grün gewandetes Ehepaar sehe ich die ganze Tour immer wieder. Sie planen in 2 Wochen einen Marathon in Kroatien. Auf ebenen Abschnitten bin ich leicht schneller, auf Anstiegen schließen sie oft wieder auf.
Überhaupt ergeben sich häufig nette kurze Wortwechsel.
Die Hitze des Tages macht allen zu schaffen. Da war es im letzten Jahr mit 19 Grad deutlich kühler, als ich erstmals hier teilnahm, allerdings nur am 10-km-Lauf, dem Montelino.
Lange laufe ich im Duo mit einer älteren Läuferin, die das 2015'er Shirt des Monschau-Marathon trägt. Sie verfolgt eine ähnliche Taktik: auf horizontalen Abschnitten sind wir ungefähr gleich schnell, bergauf geht sie, aber bergab gibt sie kräftig Gas.
So arbeiten wir uns zu einem ersten schönen Ausblick empor, hier nach Westen auf die qualmenden Türme des Kraftwerks Weißweiler.
Wüsste man nicht, dass dieser Berg künstlich ist, man würde es wahrscheinlich nicht glauben.
Bald nach diesem Punkt wird es ein wenig frustierend. Denn alle erlaufenen Höhenmeter werden ab nun in zackigen Abstiegen wieder abgebaut, bis hinunter zum Nullpunkt der Sophienhöhe.
Und kaum hat man diesen an der Nordflanke erreicht, folgt eines der "Highlights", die Rodelbahn:
Ein kurzes, aber ziemliches gemeines Aufwärtsstück. Wie ich hörte, sollen die ersten 10 Läufer hier noch hinauf gelaufen sein, doch das Gros des Feldes geht.
Ab nun heißt es: Aufwärts! Bis zum Gipfel sind es etwas über 250 Höhenmeter. Auf der Veranstalterwebseite wurde bereits ein schönes Video platziert, das jeden Ankommenden bewegt mit Bild und Ton zeigt!
Hier eine typische Passage, es geht weit überwiegend durch Wald. Bei der Hitze natürlich höchst angenehm. Irgendwo zwischen km 13 und 14 kommt uns ein Läufer entgegen. Er vermisst etwas. Die Läuferin hinter mir ruft, ob ein gelber Anhänger dran war? Freudig bestätigt er das. Daraufhin ruft sie ihm zu, das läge bei km 8. Der arme Kerl muss 5 km zurück...! Ich sehe ihn später nach mir ins Ziel kommen.
Schon fast ganz oben, öffnet sich nochmals eine schöne Aussicht. Diesmal nach Osten. Man sieht deutlich das Kraftwerk Niederaußem bei der Wolkenproduktion, rechts davon erahnt man gaaaanz weit hinten Köln.
Ich sollte an dieser Stelle erwähnen, dass mich Heidrun kurz zuvor überholt hat. Das hatten wir noch nie! Aber sie quält sich die Anstiege laufend hinauf. Etwas, das mir bekennender Flachlandläuferin hier und heute nicht so gelingt.
Unsere Strecke muss nun in scharfem Bogen rechts schwenken, denn der zugängliche Teil der Sophienhöhe geht hier über in den, wo immer noch angeschüttet wird (erkennbar rechts im Bild).
Nun ist es nicht mehr allzuweit zur höchsten Stelle.
Auf dem Plateau geht es durch malerische und erfreulich horizontale Passagen. Ich kann Heidrun wieder ein- und überholen.
Gemeinsam umrunden wir den Hinkelstein, eine kleine Extra-Runde von ein paar Dutzend Metern. Aber auch hier, wie überall, perfekt markiert. Verlaufen unmöglich, GPS nicht nötig.
Und dann kommt endlich der von allen heiß ersehnte Moment. Denn der freundliche Römer beim Aussichtsturm an km 20 markiert die höchste Stelle unseres Rennens, ab jetzt gehts bergab.
Er begrüßt uns freundlich und offeriert köstlich mundende Weintrauben.
Der mir folgende Läufer bietet an, ein Foto zu machen.
Er erzählt mir beim Weiterlaufen, dass er zum dritten Mal dabei ist und endlich die 3 Stunden knacken will. Wir laufen nun eine Weile zusammen, doch ich fürchte, er wird sein Ziel auch diesmal verpassen.
Ein letzter Weitblick, und schon tauchen wir wieder ein in den Wald.
Anfangs läuft es noch wie erhofft zügig abwärts. Die Schwerkraft hilft wunderbar.
Doch es geht leider auch mit meinen Kräften abwärts.
Bei km 21,5 nehme ich ein Dextro-Täfelchen und beim Verpflegungspunkt (wie überall zuvor) ein Wasser. Danach setzt zunehmend Aufruhr im Abdomen ein. Der Magen, der olle Magen...
Wieder zieht er sich zusammen, krampft.
Inzwischen werde ich von einigen Überholten wiederum überholt. Die Bergabpassagen kann ich so gar nicht genießen, immer öfter muss ich gehen. 4 Läufer, mit denen ich zuvor unterwegs plauderte, kommen als "Zug" angelaufen und rufen mir zu, ich solle mich anschließen, sie ziehen mich mit. Doch mit Hinweis auf meine Probleme muss ich leider dankend ablehnen.
Auf den letzten 2 km geht gar nichts mehr. Ja ich mache mir stellenweise Sorgen, ob ich überhaupt ankomme, denn mir wird flau, ich muss dauernd trocken schlucken.
Von weitem sehe ich mir ein gelbes Shirt entgegen kommen. Mein eidgenössischer Ehemann, der schon nach phantastischen 2:36 im Ziel war will noch seine 37 Laufkilometer gemäß Trainingsplan erfüllen. Die moralische Unterstützung tut gut. Heidrun überläuft mich nochmals von hinten, freut mich für sie!
Endlich passiere ich kurz vor dem Ziel die 28-km-Marke. Laufen geht nicht mehr, ich erreiche das Ziel gehend. Wenigstens nicht als allerletzte, da kommen noch ein paar.
Das hätte ich nun nicht gedacht, dass das Ende so übel würde, aber nun gut. Lief es erst einen Sonntag zuvor beim Ringelauf Köln allerbestens, ist das heute das Gegenteil.
Als ich mich im Ziel mühsam hinsetzen will, folgen Krämpfe im Fuß und in der Wade. Ich beginne zu frieren (es sind immer noch 25 Grad). Kaum sitze ich nach kurzem Weg im Auto, krampft das linke Bein sehr heftig. Daheim gehts sofort in eine heiße Wanne (im August!) und ich friere immer noch. Erst allmählich pegelt sich der Körper wieder ein und das leckere hausgemachte Birchermüesli meines Mannes weckt die Geister wieder ein wenig. A propos: Er wird mehrere Stunden später seinerseits von Krämpfen am Oberschenkel heimgesucht.
Auch wenn der Monte Sophia Lauf wirklich empfehlenswert ist (schöne Strecke, prima Organisation, nette Leute), würde ich mit Stand heute sagen: Für mich nicht mehr, flach ist eher meine Welt.
Aber es kann schon morgen sein, dass ich mir sage: Die Rechnung ist noch offen...
(Nachtrag vom 31.8.15: Die Schmach werde ich nicht auf mir sitzen lassen können...)
26 Grad, 28,1 km, 3:21:07, (7:06 Min/km), HF 146