Dienstag, 27. September 2016

Es qualmt


Der Schlot qualmt, im übertragenen Sinne. Der Zonser Nachtlauf hat mich so richtig mit Glückshormonen überschüttet.
Ach, solch einen Lauf müsste man öfter haben...!
Am liebsten würde ich ja gleich nochmals dort im Dunklen über die Äcker und an der Stadtmauer entlang sprinten. Da ich aber fürchte, dass sie wegen mir nicht gleich nochmals so viele stimmungsvolle Fackeln aufstellen, muss ich eben Vorlieb nehmen, mit dem Halbmarathon in Köln am kommenden Sonntag.
Wenn es gelingt, den positiven Flow bis dahin zu konservieren, wäre es perfekt.

Um also die Stimmung zu erhalten, heute gleich noch einen kleinen Mittagspausen-Dauerlauf bei herrlichem Sonnenschein hinterher geschoben. Derzeit orientiere ich mich nur ungefähr am Trainingsplan. Die Läufe der letzten Zeit, der Thuner Stadtlauf und der Montelino passen sowieso nicht ins Trainingsschema, der Zonser Lauf hätte danach eine Woche früher sein sollen. Also improvisiere ich halt mit der Vorbereitung etwas. Auf die zackigen 4x2 km-Intervalle laut Plan verzichte ich lieber, die liegen mir zu nah am Zonser Lauf. Mir kommt es Sonntag auch nicht auf das Ergebnis an. Mehr ist mir nach einem weiteren schönen, stressfreien Lauferlebnis.

Hauptsache, nicht so ausgedörrt enden, wie der Mais.

Zeit egal,
Spaß zählt.
Bin gespannt auf Köln.








19°, 10,7 km, 1:06:14, (6:10 Min/km)

Samstag, 24. September 2016

7 Meilen von Zons 2016

Der Zonser Nachtlauf, immer schon hat er mich interessiert, dieses Jahr klappt es. An einem lauen Frühherbstabend machen wir uns auf Richtung Feste Zons, mit ihrem wunderschönen historischen Stadtkern. Parken soll etwas schwierig sein, doch ein perfektes Parkleitsystem aus vielen freundlichen Helfern weist uns ein. Wir kommen dem Start-/Zielgelände sehr nah und freuen uns ... zu früh. Denn dann werden wir weggeleitet vom schon sehr zugeparkten außerhalb des Orts gelegenen Sportplatzareal und finden bei Strecken-km 2 auf einem Spargelhof unseren Abstellplatz, beim Containercamp der Saisonaushilfskräfte des großen Hofs, die laut Autobeschilderung aus Bulgarien, Rumänien und Polen stammen. Man muss das positiv sehen, so sind wir auf dem Weg zum Start schon ein wenig warmgegangen.

Gerade zum Start der 3,1-Meilen-Distanz (man könnte auch 5 km sagen) kommen wir an und erhalten rasch unsere Startnummern.
Ich habe nochmals meine guten alten heißgeliebten Asics Nimbus an den Füßen, eine Vorgängerversion, die mein Ein und Alles ist, da der Nachfolger mir nicht mehr behagt. Ach und wie herrlich fühlen sich darin die Füße beim Einlaufen an!
Zudem habe ich vorsichtshalber meine Stirnlampe dabei. Es wäre zwar auch ohne gegangen, aber nur mit erhöhter Stolpergefahr.


Sehr schnell sammeln sich die rd. 1100 Teilnehmer der 7 Meilen, sprich 11.263 m, am Start. Die wissen warum, wir merken es sehr bald. Mit einer kleinen Startrakete werden um 20 Uhr alle losgelassen, auf einen schmalen Wirtschaftweg. Heissa, da bekommt "Tuchfühlung" eine haptische Komponente! Es ist ein ziemliches Generve, da sich leider sehr viele Langsame ganz vorne platziert haben. Man ist nur beschäftigt mit Ausweichen, Durchschlüpfen, Vermeiden von Sturzgefahren. Viele nehmen es mit Humor:
"Mädschen, wenn mir im Ziel sinn, darfste misch mal rischtisch drücken, isch bin der, der wie dä Brätt Pitt riescht!" höre ich hinter mir (wobei ich aber nicht die Adressatin bin).
"Peter, wo bleibste?"  "Isch sischer nach hinten ab!"
Nach einem halben km streifen wir die Ausläufer des Orts und schon erwarten uns viele anfeuernden Anwohner. Die ersten Fackeln und Laternen entlang der Häuser und Gärten.
Schön!

Dann geht es zunächst über dunkle Feldwege weiter. Immer noch im dichten Pulk. Als wir bei km 2 unser Auto passieren, hat es sich etwas gelockert. Und mein Laufgefühl ist irre! Ich komme mir vor wie eine Gazelle, die in der afrikanischen Dämmerung durch die Wildnis springt. Ich überhole und überhole. Der Anteil der weniger leistungsorientierten Läufer scheint mir recht hoch.
Leider ist inzwischen die Dunkelheit extrem fotountauglich. Ich zeige hier dennoch meine auf diese Art entstandenen expressionistischen Werke.
Wir streifen Stürzelberg und laufen eine schöne fackelbeschienene Passage. Überall angefeuert von kleinen Grüppchen.

Nach 4,5 km erreichen wir wieder Zons. In einem Wohngebiet herrscht tolle Stimmung, alles steht an der Strecke. Und alles, was irgendwie leuchtet, wurde an den Straßenrand geräumt: Kerzen, Windlichter, Fackeln, Laternen, Weihnachtsbeleuchtungen! Einmal rennen wir durch eine richtiggehend formierte "Einlaufschneise".
Perfekter Antrieb für Läuferbeine!
Ich schaue immer wieder auf meine Uhr - zu schnell, zu schnell. Der Kopf will bremsen, die Gazellenbeine wollen laufen.
Bald passieren wir die Fähranlegestelle und über Pflaster geht es Richtung historischer Stadtkern.

Kurz vor  Zollturm und Tor biegen wir ab und rennen erst einmal unterhalb entlang der Stadtmauer. Während diese rechts aufragt, stehen links hohe Pechfackeln. Ein wunderschöner, malerischer Anblick! Einmal wird in einen Baum etwas projeziert, das aussieht wie 1000 Glüwürmchen.
Meine Stirnlampe formt einen merkwürdigen Kegel, so als wenn ich im Dunst liefe. Aber es ist etwas anderes: Staub vom knochentrockenen Weg, den die endlose Schar von Läuferfüßen aufwirbelt. Da weiß man, warum Cowboys immer diese Tücher vor Mund und Nase hatten!
Ist Staublunge eigentlich als Läuferkrankheit anerkannt...?
Ich muss mich von sowas ablenken und überhole weiter.

Nachdem 2 der 4 Mauerseiten passiert sind, geht es zunächst noch kurz auf einem Wall weg von der Altstadt, dann in einer scharfen Kehre zurück Richtung Stadtkern. Auf diesem Vorplatz herrscht Trubel, denn hier treffen gleich 3 Läuferschlangen aufeinander: Die, die gerade von der Mauer kommen, die, die die scharfe Kehre Richtung Altstadt genommen haben, und die, die die Gassen schon absolviert haben und das letzte Stück angehen.
Ich bin auf die Altstadt gespannt. Doch leider ist dort ziemlich tote Hose. Schade, gerade hier wäre eine einzigartige Kulisse. Und mir dämmert noch eine Erkenntnis: Wir sind schon 6 km gerannt, und weit und breit kein Wasser in Sicht! Es wird auch keines mehr kommen. Statt dessen wird der Staubgeschmack im Mund stärker. Ich wähne mich gar einem läuferischen Delirium nahe, als ich das 7-km-Schild erblicke, garniert mit dem Zusatz "Nur noch 3". Aber von 7 bis 11kommanochwas sind es doch 4...? Oder ist hier eine andere mathematische Orientierung vorherrschend?

Durch das Rheintor verlassen wir die malerischen alten Gassen und schließen die Stadtmauerumrundung entlang der beiden weiteren Mauern ab.
So langsam wechselt bei mir der Antrieb. Nun muss der Kopf die Beine bei Laune halten.
Nochmal den rummeligen Vorplatz passiert, Anfeuerung aufgesogen und ab geht es durch dunklere Passagen wieder über Land. Auch hier: Immer wieder kleine Anfeuerungsnester. Die Zonser wissen wirklich zu begeistern!



Ein Schlenker führt uns nochmals über die Felder und ziemlich staubige Wege. Hier merke ich, wie zuvor schon gelegentlich, dass manch anderer Mitläufer sich den Weg von meiner Lampe mit erhellen lässt.
Als ich gerade mal schaue, was denn so links des Weges ist, ereilt mich ein Ruf "Jetzt guckt die auch noch weg, da ist doch nichts! Und auf dem Weg sehe ich jetzt nichts mehr!!"
Bei km 10 sehe ich eine 53'er Zeit auf meiner Uhr. Wow, wäre das Anfangsgetümmel nicht gewesen, wäre das eine tolle Zeit geworden.
Aber auch so bin ich für heute sehr zufrieden. Muss nun ein wenig beißen, merke aber auch, die Substanz ist da. Es zieht sich länger, als ich dachte. Doch interessanterweise ist dies sogar der schnellste Kilometer meines Laufs. Recht unvermittelt taucht nach einer Linkskurve das Stadion auf. Wir laufen durch ein Hintertürchen auf einem extrem staubigen abgetrennten kleinen Streifen ein. Vor mir ein Läufer und eine Läuferin im Platzgerangel.
Dann öffnet sich der Weg und in meinen Beinen zündet so etwas wie Turbo. Plötzlich laufen die wie von selber und locker fliege ich an den beiden vorbei. Meine Uhr zeigt mir hier später einen 4:05'er Schnitt. So schnell bin ich, dass mein im Ziel wartender eidgenössischer Ehemann mich verpasst, obwohl er fotografierbereit dort lauert (oder ob er etwa die Cheerleader im Blick hatte?)...

Es gibt keine Medaillen, doch für die Damen eine Rose.
Obwohl k.o., freue ich mich wie verrückt über einen schönen Lauf. Hat richtig Spaß gemacht und nächstes Mal nehme ich dann eben mein eigenes Wässerchen mit.
Die Stirnlampe leistet uns gute Dienste auf den dunklen Wegen zurück zum Auto.
Toll, das Cool-down ist so auch gleich inklusive!

Schöner, stimmungsvoller Lauf in Zons, gerne wieder!

11,263 km, 59:56 (netto), (5:16 Min/km), HF 159
8. von 25 in der AK, 68. von 395 Damen
Link zum Nacherleben

Mittwoch, 21. September 2016

Von hell bis dunkel

Der Herbst ist da. Am Sonntag noch mit prächtigem Licht- und Schattenspiel auf erstem buntem Laub.
Keine 20° mehr, knapp darunter.
Wunderbare Bedingungen zum langen Nachmittagslauf über 100 Minuten.
Bei solchen längeren Belastungen trage ich noch meine Knie-Orthese, darf aber festhalten, dass ich keinerlei Zipperlein mehr spüre. Herrlich!
Der Lauf tut gut und wenn man sich nicht um Beschwerdeherde sorgen muss, der Kopf frei ist, läuft es sich gleich nochmal so locker.

Ab Montag dann Schwenk auf anderes herbstliches Wetter.
Dasjenige ohne Sonne, grauer Himmel, Andeutungen von Novemberwetter.
Da kann man dann schonmal den Bestand an Kerzen prüfen und die Herbstdeko an den Start bringen. Ich finde zwar die nun immer früher einsetzende Dunkelheit am Abend fürs Laufen negativ, doch fördert sie den Zauber von Kerzenschein daheim ungemein.
Das fehlende Himmelslicht wird dann wohl auch ein besonderes Merkmal unseres spontan noch eingeschobenen Laufs am kommenden Freitag sein: Den 7 Meilen von Zons, einem Lauf in der Dunkelheit, teils bei Fackellicht, rund um und mitten durch den malerischen kleinen Ort mit seinem mittelalterlichen Flair. Dort machte ich nach meinem Treppensturz im Januar einen ersten längeren Spaziergang. Wir lassen uns mal überraschen, was uns dort nun läuferisch erwarten wird.
Und am Wochenende darauf folgt mein Herbstmarathonersatz, der Kölner Halb-Marathon.

Sonntag:
19°, 15,5 km, 1:40:02 (6:25 Min/km), HF 129

Dienstag:
18°, 9,4 km, 1:00:02 (6:22 Min/km), HF 129

Samstag, 17. September 2016

Lufftiff

Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob eine arbeitsreiche Woche nach dem Urlaub hilft, wieder in den Alltag zu finden, oder ob sie einen umso schmerzlicher die freien Ferientage vermissen lässt. Aber wie dem auch sei, die Brötchen wollen wieder verdient sein.
Wenigstens ist nun das Wetter läuferfreundlicher. Die drei Läufe, die ich in dieser Woche jeweils an Hitzetagen absolvierte, waren blanke Quälerei. Da half auch die Nutzung der Abendstunden nichts.
Umso schöner war dann die heutige Runde auf meiner grünen Elli bei gerade 21° und Wind.

Ich vermisse die 30° und mehr nicht, die einen im Büro schmachten ließen und freue mich auf den Herbst.
Der ist spürbar im Anmarsch.
Gelbe Stoppelfelder, Laub auf den Wegen.
Und abends um 8 ist's fast schon dunkel.
Ich rolle zuerst ein wenig durch mein Wohnviertel, wo heute, wie im ganzen Ort, kollektiver Garagenflohmarkt angesagt war. Unglaublich, welche Mengen an entbehrlichen Gütern und in wievielen Häusern da angeboten werden! Überall weisen bunten Luftballons den Weg und viele Familienspaziergänge führen von einer Garage zu nächsten. Ich suche mir bald ruhigere Feldwege.
Im Nachbarort alarmiert ein kleiner Knirps bei meinem Anblick seine Kameraden, wobei ihm seine Zahnlücken die Artikulation ein wenig schwer machen: "Heee, guck mal, daff ifft aber lufftiff"
Eine Stunde zufrieden gerollt, morgen wird gelaufen.

Montag, 12. September 2016

Jungfrau-Marathon - rosarot im Ziel

Das Urlaubs-Hauptereignis steht an: Der zweite Jungfrau-Marathon meines eidgenössischen Ehemannes (Link zur ersten Teilnahme), zugleich der erste unserer Lauffreundin Heidrun. Doris und ich in der Rolle der Sherpas.






Freitag: 
Abholung der Startnummern im wuseligen Interlaken. Die Sonne knallt auf das Zelt und drinnen wird es überaus kuschelig warm. Dennoch, soviel Zeit muss sein. 



Wir würdigen die Bilder der vorjährigen Läufe, schauen Videos. 
Morgen dann, morgen….









Erinnerung an die letztjährige Teilnahme...













Wir parken über Nacht eins der Autos im Parkhaus in Lauterbrunnen, so dass wir morgen nur mit einer Bahn abwärts bis dorthin  fahren müssen und dann gleich komfortabel und ungequetscht  im Gedränge heimfahren können. Und dann gibt es Pizza in Spiez. Ja genau, das Spiez mit dem Geist, der anno 1954 unserer Fußballnationalmannschaft den Siegeswillen gab...



Samstag: 
Anreise per Bahn ab Thun. Ich sorge für leichten Fehlstart, indem ich die Online-Fahrplanauskunft falsch lese und die angedachte Bahn in Wahrheit ein Bus ist. Na dann lieber etwas warten und den nächstmöglichen Zug nehmen.




In Interlaken lässt sich Gänsehaut nicht vermeiden. Die Sonne kommt hinter den Bergen hervor, Menschen strömen vom Bahnhof Richtung Start. Alphornbläser, Fahnenschwinger – unbeschreibliche Stimmung wie in einem Bienenkorb. 








Wir Sherpas ergattern Winke-Fähnchen, kleine Treicheln (Glocken) haben wir auch dabei, ihr Einsatz kommt später. 






Den Start schauen wir uns an, bis die Besenräder vorbei sind. Leider haben wir unsere beiden Läufer nicht erblicken können.






Während das Feld die erste Runde durch Interlaken rennt, erwischen Doris und ich im hoffnungslos überfüllten Bähnlein nach Lauterbrunnen sogar Sitzplätze. Leider auf der falschen Seite, können aber unterwegs zwischen den im Gang Stehenden hin und wieder Läufer erblicken, die den Weg entlang Bahn und Lütschine laufen, ach was, rennen wie die Wilden. Denn es ist die Spitze. Am Haltpunkt Zweilütschinen schmettert eine Guggenmusik. Als die führende Frau vorbeiläuft, begleiten sie Jubel und Rufe auch aus den geöffneten Zugfenstern. Siegen wird bei den Damen nachher  eine Schweizerin in 3:19 Std.
In Lauterbrunnen sind wir froh über frische Luft am Bahnsteig, verpassen gerade die führenden Herren, erwischen dann jedoch die Dame. Hier haben wir bei km 20 einen Treffpunkt ausgemacht. Und bis unsere Läufer nahen, fügen wir unser Treichelläuten in den sowieso kräftigen Klangteppich hier im Ort ein. Die ganze Dorfstraße ist gesäumt von Menschen, eine Wahnsinnsstimmung! Viele Läufer nehmen das strahlend auf und lassen sich gern anfeuern. Manche machen aber auch schon einen ermatteten Eindruck, nach gerade nur Halbzeit und vor den erst anstehenden richtigen Herausforderungen der Strecke. Chris kommt genau im Zeitplan und sieht gut aus. Um ihn am zweiten Treffpunkt, wo er seine Schuhe wechseln will, zu erwischen, muss ich gleich darauf los, während Doris auf Heidrun wartet.













Unser zweiter Treffpunkt liegt kurz vor der Wengener Wand, km 25. Da, wo man schon sieht, wie hoch es nun hinaufgeht, nämlich bis etwa dort, wo im Bild links vor der Wolke einige Wiesen sichtbar sind. Dort liegen die Ausläufer von Wengen. Und dort ist die "Wand" absolviert.



Viele Läufer wissen, was gleich kommt, nehmen noch Getränk auf, gehen, sammeln Kräfte.



Am Eingang eines kleinen Bauernhauses hat der Bewohner eine große Treichel aufgehangen und bearbeitet sie mit dem Klöppel. 
Donnng-donnng-donnng. 
Da hier die Straße eng ist, frage ich, ob ich bei ihm hinterm Zaun Aufstellung nehmen darf. Huldvolles Nicken. 
Donnng-Donnng-Donnng.
Eigentlich wollte ich hier im Wohngebiet nicht auch noch läuten, aber wenn er ja sowieso… Also zücke ich auch mein Werkzeug.
Donnng-DingDing-Donnng-DingDing-Donnng.
Huch, ein weiterer Ton kommt von hinten. Die Tochter des Hauses sitzt nun auf der Bank, hat eine Kuhglocke startklar gemacht. Wir werden zum Trio.
Doris kommt an, nachdem sie Heidrun abgepasst hat. Auch sie zückt ihre Treichel.
Voilà, ein Quartett.
Plötzlich steht da ein asiatisches Wesen, ich kann nicht genau erkennen, ob Mädchen oder Junge, schaut etwas scheu, hebt beidhändig eine Kuhglocke und stimmt zaghaft ein.
Donnng-Dingeldingding-Donnng-Dingeldingding-Donnng…
Unser inzwischen kräftiges Quintett-Getöse zaubert manchem Läufer ein Lächeln ins Gesicht, herrlich! (Das Foto zeigt nur 4, da  ja einer fotografieren musste)
Beim Haus gegenüber öffnet sich ein Fenster und ein mürrischer älterer Mann schaut heraus. Ich fürchte fast, nun gibts Ärger. Aber bald steht er mit seiner Frau grinsend am Weg und lässt sich anstecken vom Treiben vor seiner Haustür.
Chris kommt, wechselt die Schuhe, es geht ihm gut. Kein Magendrücken wie letztes Jahr.

Heidrun kommt, mh, sie ist nicht so munter drauf. Hatte schon zwecks Kräfteeinsparung einige ansteigende Passagen zuvor gehend genommen. Will aber sehen, wie weit sie noch kommt.
Wir Sherpas danken nochmals dem Hausherrn, grüßen ihn und rücken ab zum Bahnhof, wo wir erneut Glück und Sitzplätze haben.




Die Bahn quert ebenfalls die Wengener Wand und hält an ihrem oberen Ende, Station Wengenwald (ca. km 30). Hier verläuft die Strecke genau am Gleis und wir sehen die Läufer bei ihrem anstrengenden Tun. 
Während ich fotografiere,  plötzlich ein Ruf von Doris „Da ist Heidruuun!“. 
Ich hämmere im Reflex an die Scheibe, rufe und winke durchs offene Fenster. Da erkennt uns die erschöpfte Angerufene. Fragt, ob der Zug nach oben oder unten fährt. 
„Rauf.“ 
„Ok, ich komme“ Und schwupps steigt sie ein. Schon in Lauterbrunnen hatte sie Zweifel und empfindet unser Treffen nun als Wink des Schicksals. Kommt gleich mit einem anderen Läufer ins Gespräch, der schon weiter unten aufgab. Ich ärgere mich etwas über meinen Reflex. Hätte ich nicht gerufen, wäre sie weiter gelaufen und hätte sich vielleicht in Wengen wieder erholt...
Später wird sie auf einer Kuhweide sitzend das atemberaubende Panorama von Eiger, Mönch und Jungfrau  bewundern und vor allem die hunderte kleinen Punkte davor, die Ameisenstraße der Läufer auf dem Weg von Wixi hinauf zu Moräne, oben auf dem Grat abwärts Richtung Ziel. Und ihre Entscheidung nochmals richtig finden.
Schade, trainiert, gefreut, doch es war einfach nicht der Tag dafür. Aber was nicht war, kann noch werden. Wie sagte schon der bekannte rosarote Freigeist seiner Epoche, Paulchen Panther: 
"Heute ist nicht alle Tage, ich komm' wieder, keine Frage!"
(2017 ist übrigens Jubiläum des Laufs, 25 Jahre...)
So fahren wir also zu dritt weiter bis Wengener Alp (km 39), wo wir unseren nun noch verbliebenen Läufer treffen wollen. 
Unterwegs sehen wir das Feld der Allmend entgegenziehen.



Ausgestiegen bei der Alp läuten wir Sherpas uns wieder den Wolf und feuern die ankommenden Läufer (die hier eher Geher sind) an. 





Chris kommt, klatschnass geschwitzt, aber guter Dinge, und wetzt weiter dem Ende entgegen, er liegt nun vor seinem Zeitplan!













Wir drei machen uns auf, zu Fuß bis zur Kleinen Scheidegg. Auf dem Weg ziehen ein paar Alphornklänge von der Strecke zu uns herüber. Von Weitem erkennt man den Zielbereich, in den immer mehr bunte Ameisen einlaufen.


Oben am Ziel ein Wust an Menschen. Der Sieger (3:00:11) ist längst durch.
Inzwischen schlägt das Wetter um, der Himmel bewölkt sich zusehends, Wolken drücken von den Bergen hinab. Aber 14° lassen sich immer noch gut aushalten. 



Wir eilen zum Zieleinlauf und keine 3 Minuten später sehe ich das gelbe Shirt meines Mannes heranstürmen. Wie immer hört er meine Rufe nicht. Ich bekomme ihn gerade noch aufs Bild. Mein Mann schaut zwar so, wie er immer schaut, doch die allermeisten, die hier ankommen strahlen vor Glück, es ist schön, diese Zufriedenheit und Freude ansehen zu können.


Er entwischt uns und wir treffen ihn erst vor dem Bellevue-Hotel ein paar Dutzend Meter hinter dem Ziel wieder. 
Ermattet, aber glücklich.
5:35, damit 16 Minuten schneller als im Vorjahr! Wir freuen uns mit ihm, beobachten das Treiben um uns herum, erholen uns ein wenig vom anstrengenden Tag.
Nachgehende Analyse zeigt, dass er letztes Jahr die Zeit am Anfang verloren hatte, weil er nämlich zu schnell anging. Der moderate Start dieses Jahr brachte die entscheidenden Körner für die Verbesserung!
Ein wenig konsterniert bin ich, als ich sein Finishershirt sehe. Angesichts der Farbgebung frage ich verdattert, ob er das Shirt für Frauen erwischt habe…? 
Nein, dieses Jahr gibt es KNATSCHQUIETSCHGRELLPINKROSA für alle! Das nenne ich mal Mut zur Farbe! Wie man den Gesichtern der Umstehenden entnehmen kann, sind nicht alle so ganz glücklich mit diesem 2016’er-Jahrgang… Aber viele, auch Männer, streifen das so tapfer errungende Stück gleich über. Mit DEM Shirt fallen die diesjährigen Teilnehmer ganz sicher demnächst schon von weitem auf ;-)
Chris geht duschen (WARMES Wasser!) und wir stürzen uns in den Pulk von abreisewilligen Fahrgästen der Bahn. Es sind leider mehr, als der Zug fassen kann, und eine rigorose Bahnsteigfachkraft trennt uns vier unter Einsatz ihres Körpers gnadenlos. Protest zwecklos. Doris und Heidrun kommen nicht mehr mit und müssen oben bleiben, ihre Warteplätze behaupten, bis zum nächsten Zug. Im Gewühle ergattern sie dann 30 Minuten später Plätze.
Wir sind heilfroh, dass wir unten dann im eigenen PKW weiter reisen können, und nicht noch zwei weitere Umsteigeaktionen absolvieren müssen.
Am Abend belohnen wir uns mit Käsefondü und Bergblick.
Welch ein Tag, 
welch ein Lauf, 
welch ein Erlebnis!

Veranstaltervideo 2016: Link
Rasantes Video der ganzen Strecke im Zeitraffer: Link


Donnerstag, 8. September 2016

Fluppen und nicht fluppen

2 Wochen Büro sind endlos, (fast) 2 Wochen Urlaub scheinen da einem anderen Zeitgefühl zu unterliegen.
Hätten wir doch nun noch eine weitere Woche... !
Leider wird uns die normative Kraft des Faktischen unerbittlich in 3 Tagen wieder Richtung Heimat treiben.
Zuvor wird aber hier noch ein wenig gerannt.
Heute zur seltenen Abwechslung einmal zusammen. Mein Mann soll/will eigentlich nur eine halbe Stunde geruhsam joggen mit 3 Steigerungen am Ende, bevor es für ihn übermorgen beim Jungfrau-Marathon nochmals ernst wird. Ich hingegen habe 3x2km-Intervalle als HM-Vorbereitung im Plan. Er findet, das passt für ihn.

So traben wir dann auf dem Aaredamm unter schattigen Laubbäumen, während links von uns das türkisfarbene Wasser plätschert.
Immer wieder grandios, diese Farbe!
Kein Vergleich mit dem Rhein, wenn er in Köln träge daher kommt. Und dabei ist jedes Tröpflein von hier nachher in Köln auch mit dabei!

Diese Strecke hatten wir vor allem wegen der Kühle ausgewählt, doch die 26° schlagen auch hier voll zu. Mir fällt das Laufen soooo schwer. Während mein Mann locker fluffig vor mir hertrabt. Wahrscheinlich fühlt er sich ein wenig auf den Emmendamm beim Bieler 100'er versetzt, er wird immer schneller, und ich schnaufe mich irgendwie hinterher.

Am liebsten würde ich mich ja gleich in die kühlen Fluten stürzen, wenn die hier nur nicht so flott daherkämen.

Da war mein 2-stündiger Regenlauf vom Montag doch deutlich lockerer und angenehmer. Obwohl ich meine Knieverpackung vergessen hatte, war alles im grünen Bereich.
Wunderbar!
Ok, da ging es natürlich deutlich langsamer. Aber bei 15° war die Distanz kein Thema.
Gestern noch ein 6km-Tempodauerlauf. Da der Tag verplant ist, lege ich den auf den morgendlichen Weg zum Bäcker, ein Nüchternlauf also. Nun ja, die Luft war angenehm, aber mit leerem Magen ist es nicht so mein Ding.

Heute ist die Orthese wieder dabei, aber schneller macht die auch nicht.
Man kennt das ja im Läuferleben. Mal fluppts, und mal nicht.

Samstag, 3. September 2016

Hoch, höher, Jungfraujoch

Unsere erste Urlaubswoche stand irgendwie im Zeichen der Berge.
Dienstag wollte mein eidgenössischer Ehemann ein kleines Training für den Jungfrau-Marathon in einer Woche angehen. Er lief von Interlaken bis Wengen hinauf, während ich gemütlich bis Lauterbrunnen fuhr und nur die Wengerner Wand erwanderte.






Hier eine für diese Wand typische Passage. Endlos schrauben sich die Serpentinen hinauf. Obwohl ich mit frischen Beinen unten antrat, eine ziemliche Quälerei. Oft liest man ja, fließender Schweiß sei ein Zeichen für Fitness. Donnerwetter, dann muss ich top-trainiert sein!








Am Tag zuvor ging es auf den Napf, einen Berg (rd. 1400 m) mit schöner Aussicht im lieblichen Emmental.











Oben lockt eine phantastische Rundsicht, und erfrischendes Getränk.










Wieder unten angekommen, nochmals in einer "urchigen" Alp isotonisch Flüssiges, ...












... bevor wir hier die Kohlehydratspeicher füllen.
Ein Fabrikverkauf einer in der Schweiz gut verbreiteten Gebäckmarke. Schon im Ort Trub riecht es verführerisch nach Keksen.









Im Laden selber gibt es massenweise 1b-Ware (Bruch u.ä., doch qualitativ 1a). Der Clou: Man kann von allem so viel probieren, wie man möchte. Und die haben wahrhaftig ein großes Sortiment.







Das Highlight der Woche jedoch: Eine Fahrt auf das Jungfraujoch. Mit der Zahnradbahn geht es ab Lauterbrunnen hinauf. Knapp 2 Stunden dauert die Fahrt, mit Umsteigen auf der Kleinen Scheidegg und 2 Sightseeing-Halten mit der Jungfraubahn, bei denen man einmal in der Eigerwand und einmal am Eismeer kurz aussteigen und die Aussicht genießen kann. Wegen des Blicks durch Glasfenster leider nicht fotografierfreundlich.


Oben dann ein roter Teppich für die Besucher. Darüber betritt man eine für mich unerwartet große unterirdische Anlage mit allerlei Sehenswürdigkeiten und anderen Dingen.
Dazu später mehr. Zuerst die Bilder der erwarteten Art.



























Mal KEIN Deutscher in Socken und Turnschuhen, es war ein Engländer. Ich sollte erwähnen, dass hier oben 4 Grad herrschten. Ich war froh um Anorak und Wollmütze!









Auch hier fängt dieses Neu-Brauchtum wohl an.































Wir hatten großes Glück mit dem Wetter und auch mit der gewählten Tageszeit. Da wir schon um 9 Uhr oben waren, konnten wir eine ganze Weile ziemlich leeres Areal genießen, bevor es gegen Mittag spürbar voller wurde.









Wir gehen den gespurten Weg zur Mönchsjochhütte. 45 Minuten. Doch in der Höhe fallen die spürbar schwer. Beide hatten wir anfangs beim Ausstieg aus der Bahn mit Schwindel zu tun. Als wenn man Sekt genossen hätte, aber ohne die beschwingende Wirkung, statt dessen mit ganz leichten Schwankanfällen. Doch nach einer Weile und immer wieder Geh-Pausen lässt es bald nach.




Zurück am Jungfraujoch. Inzwischen bevölkern deutlich mehr Besucher das Gelände. Vornehmlich Asiaten, weswegen auch in der Bahn Durchsagen in sonst ungehörten Sprachen erfolgen. Auch mit Helis darf man anscheinend hier anreisen und auf dem Gletscher parken.








Auf genau dieser Fläche werden von Zeit zu Zeit ganz wichtige Sportereignisse zelebriert, von denen man in einer Galerie erfährt. Zum Beispiel boxte hier Wladimir Klitschko.








Oder Roger Federer spielte Tennis gegen Lindsey Vonn (!).
Es gab ein Fußballspiel, einen 100m-Sprint und ähnliches mehr.






Das ist ein wenig die Überleitung zu dem, was ich die "Walt-Disney-Abteilung" nennen möchte. Sicherlich möchte man den Gästen hier oben etwas bieten, vor allem, wenn sie zuvor schon einen 3-stelligen Betrag für die Bahnfahrt hinlegen mussten. Es wurde unvorstellbar viel gebohrt und verbaut, innerhalb des Felsens.
Ob das alles hier oben sein muss...? Ich habe da Zweifel. Aber das ist meine persönliche Meinung.

Zum Beispiel wird man teils auf Rollbändern wie im Flughafen befördert.












Es gibt den Eispalast. In den 1930'er Jahren ins Gletschereis gebaut.
Muss heute künstlich auf -3° gekühlt werden, da die Touristen zu viel Wärme hineinbringen.





























Ein weiterer Gang (Rollband!) führt an Reminiszenzen an die Menschen entlang, die vor über 100 Jahren die Bahn erbauten. Eine unvorstellbare Leistung für damalige Zeiten. Auch an die beim Bau tödlich verunfallten Arbeiter wird erinnert.









Der Eingang zur "Alpine Sensation". Ein Erlebnisrundgang mit verschiedenen Objekten, der sich schon mit besonderer Musik- und Geräuschmischung nach draußen ankündigt.











Witzig finde ich diese mannshohe Schneekugel. Das nähere Hinsehen lohnt. Es gibt zahlreiche humorige Details zu entdecken.




















Tanzende Kühe.
















Einige Hauptgeschäftszweige des Landes.















Die nicht zu knappen gewerblichen Angebote (Schnellimbiss, Souvenirshops, höchster Uhrenladen der Alpen) seien hier nur durch einen Blick in die Schauaustellung einer bekannten Schoggi-Fabrikation mit angeschlossenem Verkaufslädeli angerissen.
Braucht man das in 3454 m Höhe am Rand eines schmelzenden Gletschers?

Es sei noch erwähnt, dass alle Fahrgäste immerhin bei der Rückfahrt in der Bahn ein kleines Schoko-Täfelchen vom Schaffner geschenkt erhalten :-)


Ein tolle Tour war es, auf das Jungfraujoch, mit wirklich atemberaubenden Eindrücken der alpinen Welt. Aber auch mit nachdenklich stimmenden Details zum Tourismus. Mir bleibt vor allem die Wirkung der dünnen Luft in Erinnerung. Wie mag es sich da noch weiter oben anfühlen? Und dann noch womöglich bei bergsteigerischen Aktivitäten? Das kann man nach einem solchen Ausflug nur erahnen.
Der Temperaturkontrast von oben 4° und unten 27° ist auch bemerkenswert. Ich hätte Handschuhe mitnehmen sollen!





























Gelaufen bin ich ansonsten auch. Habe mich für den Kölner Halbmarathon entschieden. Das Knie ist brav und friedlich. :-)