Nach 6 Jahren hieß es wieder einmal auf zum
Monte Sophia des TV Huchem-Stammeln, dem Lauf auf der
Sophienhöhe, deren Aufschüttung als Abraumhalde des Braunkohletagebaus vor 40 Jahren begann und weiterhin andauert. Allerdings, wenn man diesen Ursprung nicht kennt, geht sie inzwischen auch locker als Normalo-Berg durch.
Beeindruckend erhebt sie sich in der rheinischen Tiefebene mit über 200m Höhe über dem lokalen Bodenniveau.
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CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1320466 |
Kurzentschlossen haben wir uns angemeldet, ebenso
Oliver und Heidrun. 22° am späten Nachmittag sollten noch ok sein, zumal leichter Wind weht. Die 370 Höhenmeter lassen mich die Sache mit Respekt angehen, denn ich möchte mich nicht verausgaben, sondern den Lauf nur als Trainingsinput für meine Berlin-Vorbereitung angehen. Mein Mantra: Nicht mitreißen lassen, diesmal ganz bestimmt nicht!
Zum "Vorglühen" schauen wir noch am Morgen den WM-Marathon der Damen in Budapest, die sich am Ende bei 28° über die Strecke kämpfen mussten
Es sind deutlich weniger Läufer am Start als früher, nur 77 werden finishen. Das Prozedere ist entspannend pragmatisch. Keine Chipmessung, die Zeit läuft für alle ab Startschuss, im Ziel erfolgt manuelle Zeiterfassung. Das Feld zählt laut von 10 herunter und los gehts.
Zunächst ein wenig Vorgeplänkel im Flachland, von Ferne grüßt die Höhe.
Um km 1 merke ich, dass ich eins der dümmsten Eigentore geschossen habe😡: Der rechte Schnürsenkel löst sich. Also anhalten, Doppelknoten drauf, auf den anderen Schuh gleich mit. So habe ich mich flugs fast ans Ende des Feldes katapultiert. Im Nachhinein betrachtet war es vielleicht eine typische Freud'sche Fehlleistung. Denn nun habe ich niemanden mehr, der mich zu übermäßiger Pace mitreißen könnte, eigentlich genau das, was ich wollte. Also verzichte ich auf Aufholjagd. Zumal sowieso um km 3 der erste Anstieg mit 110 hm beginnt.

Etwa bei km 5 ist die erste Zwischenhöhe des Laufs geschafft und es eröffnet sich ein kurzer Moment mit wunderbarer Aussicht nach Westen, weit hinten das Kraftwerk Weißweiler, davor die ehemalige Kernforschungsanlage Jülich. Und dann gehts abwärts heißassa! Ich fliege mit 5er-Zeiten hinunter durch den schattigen frischen Wald, klasse!
Doch schon nach weiteren 5 km ist Schuss mit dem Flow, man erreicht die Sohle der Sophienhöhe, die sogar unterhalb des Startniveaus liegt, bevor es sofort wieder aufwärts geht, und das happig, denn nun will die Rodelbahn bezwungen werden. Eine Art Wiese, ca. 250 m lang, aber mit knapp 40 Höhenmetern garniert (Messung meiner Uhr in Übereinstimmung mit dem Gefühl der Waden).
Und dann wird es zäh. Die nächsten 9,5 km bestehen überwiegend aus Anstiegen bis zum höchsten Punkt des Rennens und der Sophienhöhe. Und das teils über ausgewaschene oder gern auch mal sandige Wege. Ziemlich froh bin ich daher um meine Profilschuhe. Kein anderer Läufer ist weit und breit zu sehen, ich frage mich gelegentlich, ob ich noch auf dem rechten Wege bin. Aber eigentlich kann man sich nicht verlaufen, denn alle wichtigen Stellen sind eindeutig markiert, zudem sind 7 Verpflegungsstellen vorhanden, alles läuft glatt.
Bei km 15 eine zweite Aussichtsmöglichkeit, diesmal nach Osten, also Köln. Wäre nicht der Rheinische Villerücken dazwischen, könnte man vielleicht sogar die Domspitzen erkennen.
Ungefähr ab km 17 hat man das obere Plateau der Sophienhöhe erreicht, es geht nur noch leicht profiliert weiter. Und es gibt ein kurzes Begegnungsstück, das km 17,5 und km 20 verbindet. Ich sehe, es sind doch noch andere Läufer unterwegs...
Dann lauert noch ein berüchtigtes Schmankerl, die Hinkelsteinrunde, bei der man vom horizontalen Weg kurz eine Minirunde mit nettem Anstieg um einen großen Findling drehen muss. Zu meinem Erstaunen hole ich kurz darauf Heidrun ein. War ich schneller, hat sie nachgelassen?
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Der Hinkelstein |
Km 20 leitet die letzte böse Rampe ein, locker sandig, dann ein kurzer steiniger, ausgewaschener Pfad. Ich nehme ein letztes Mal Wasser, habe das Gefühl, jeder Schluck mehr ist ab jetzt zuviel. Dann erreichen wir das Original des Laufs, den freundlichen Römer beim Aussichtsturm, der Jahr für Jahr hier seine Trauben anbietet. Diesmal verkneife ich sie mir, denn
2017, bei meiner letzten Teilnahme, begann mein Magen kurz darauf böse Meuterei.
Gleich nach dem Römer eine steile und sehr sandige Abwärtsrampe. Für solche Passagen hätte man glatt mal im Sandkasten eines Spielplatzes trainieren sollen...
Der Schwung der nun folgenden endlosen Abwärtspassagen verhilft wiederum zu fast fliegendem Laufgefühl. Heidrun bleibt zurück, sie hat Probleme.
Kurz kann ich einen Blick auf das alte Gipfelkreuz erhaschen, das lange Jahre den höchsten Punkt der Höhe kennzeichnete. Da diese ja immer weiter aufgeschüttet wurde, hat es heute diese Funktion verloren und steht sogar sehr getarnt in einer zwischenzeitlich gewachsenen Ecke des Waldes.
Auch wenn die horizontalen Streckenteile langsam mühsam werden, ich freue mich, dass der Lauf heute gut gelingt und einen wichtigen Baustein für Berlin liefert.
Etwa bei km 26 bin ich wieder auf dem horizontalen Anfangsstück der Strecke angelangt. Ich gönne mir ein paar Schlucke Cola, die mir allerdings nicht so den sonst gekannten Schwung verleihen.
Arg langsam geht es durch die kleine Anpflanzung, die die langsam untergehende Sonne in eine schöne Lichtstimmung taucht.
Ohne Zielspurt gegen irgendjemanden gelange ich zum Ziel, wo man allerdings trotz manuellem Verfahren auf einem Monitor sofort seine Platzierung sehen kann. Ok, im Gesamtranking ziemlich weit hinten, ... aber in der AK zweite!😀
Oliver ist natürlich schon längst angekommen, mit einem fulminanten Ergebnis, er wird berichten. Auch Chris ist zufrieden, ebenfalls als zweiter seiner AK.
Während wir auf Heidrun warten, ein Blick auf die witzige Tischdeko. Was man aus alten (und gewaschenen Schuhen) doch machen kann:
Heidrun kämpft sich trotz erheblicher Magenprobleme tapfer ins Ziel und wird mit dem 3. AK-Platz belohnt.
Für den 1. und 2. AK-Platz gab es ein hübsch gestaltetes Duschgel. Interessanterweise erhielten die Dritten jeweils eine Flasche Rotwein. Ein wahrlich netter Trost für das Verpassen der beiden vorderen Plätze!
Ziemlich platt aber zufrieden fahren wir mit der untergehenden Sonne heimwärts. Den Sonntagmorgen gestalten wir standesgemäß: Mit Kaffee im Bett liegend verfolgen wir den WM-Marathon der Männer in Budapest. Ein dreidimensionales Zuschauergefühl, wenn der eigene Körper einem ergänzend zu den Bildern noch ziemlich gut demonstriert, wie anstrengend Laufen doch sein kann.😉