Montag, 4. Dezember 2023

Archäologischer Exkurs

Es geht aufwärts. Da ich Donnerstag der Trägheit erlegen war, dies aber durch fulminanten Laufeinsatz Freitag (12 km), Samstag (6 km Tempolauf) und Sonntag (15 km) wettmachen konnte, erreiche ich mit dem Dienstagslauf gute 43 Wochen-km. Zu meinem eigenen Erstaunen waren die 15 Sonntags-km sogar relativ locker.

Ich nutze den langen Lauf für einen kurzen Abstecher an den Tagebaurand (wo es wegen eines aufgeschütteten Sichtschutzdamms nichts interessantes zu sehen gibt) und nutze daher heute die Gelegenheit, etwas ausführlicher über die inzwischen abgeschlossene Grabung zu berichten, an der ich im Sommer die Freude hatte, teilzunehmen. 

Es geht also ab hier nicht mehr ums laufen, aber spannend ist es dennoch!

Die Grabungsstelle lag knapp am Rand des Tagebaus, im Sperrgebiet, Bildmitte des ersten Bildes. Im Vorfeld des Kohleabbaus gäbe es viel zu finden. Die Römer haben viele Spuren hinterlassen, wie auch spätere Bewohner. Bevor der herannahende Kohlebagger alles wegfrisst, versucht man, so viel wie möglich zu retten bzw. mindestens zu dokumentieren. Aber das gelingt nur bei ca. 5% der im Boden verborgenen Dinge.

Mein Weg zur "Arbeit" und das Gelände:





Aus Gründen parke ich mein Auto auf sicherem Terrain, was dann knapp einen km Fußweg bedeutet.
Früher sah es hier anders aus. Es gab eine Allee alter Bäume, die auf 2 Gutshöfe zuführte.


Die Allee sieht heute so aus. Die Bäume wurden gefällt, treiben aber kräftig wieder aus:


Wir graben auf dem westlichen Gutshofgelände. Früher (Bilder um 2014) stand dort ein altes Wohnhaus:


Dahinter eine Scheune. Wir buddeln rechts von der Scheune:


Da ich das wirklich nicht glaube angesichts der Wüste, in der wir uns bewegen, lasse ich meine Laufuhr ein paar Minuten aufzeichnen. Wahrhaftig.... (Auf dem Bild sind die Gebäude bereits abgerissen, aber die Lage noch erkennbar):


Anblick genau dieser Stelle im Sommer 2023:



Wie schon hier berichtet, geht es bei meinem ehrenamtlichen Einsatz um die Dokumentation eines mittelalterlichen Kellers. Er wurde zufällig gefunden. Die Gebäude und deren Keller waren bereits untersucht und sind verschwunden. Doch aus irgendeinem Einfall heraus ließ man den Grabungsbagger ein paar Schnitte (=Furchen im Großformat) ziehen, und da zeigten sich doch plötzlich an unvermuteter Stelle, NEBEN den Gebäuden, Mauerwerk.
Am Anfang sieht man nur eine Art Steineviereck. Also soll erkundet werden, was sich darunter verbirgt:


Der Bagger ist nur fürs Grobe. Das Vierecke selber wird strikt mit Schaufel und Maurerkellen freigelegt. Man weiß ja nicht, auf was man stößt. Je tiefer wir kommen, umso mehr wird erkennbar, dass der Keller eingestürzt ist.






Dennoch hoffen wir natürlich, dass wir auf ein paar interessante Funde stoßen, vielleicht sogar ein Münzschatz? Pustekuchen, nur Scherben, Knochen und ein paar wenige Holzreste.

2 Fundstücke tauchen auf
Man ackert stundenlang, teils in sengender Sonne, und findet nur .... Steine. Doch an einem Tag konnte ich in einer Stunde gleich 4 schöne Scherben freilegen. Der zufällig anwesende Archäologenchef kommentiert "Siegburger Steinzeug aus dem Bilderbuch, 14. Jahrhundert". Hui, da ergreift einen Ehrfrucht. Natürlich wird alles abgegeben, für die Forschung. Aber ich mache flugs darauf einen Ausflug ins Siegburger Museum, um zumindest einen Eindruck zu bekommen, wie die Gefäße im Original ausgesehen haben könnten.


Museum Siegburg

Die Grabung wird in vielen Zwischenschritten digital erfasst und dokumentiert. Am Ende, als der Kohlebagger uns schon nah auf die Pelle rückt, werden alle Steine aus dem Keller genommen, sortiert und gezählt.
Und dann ist alles das, was mühsam freigelegt wurde ... weg.


Sortierte Tonscherben

Überhaupt, die Kohlebagger. Man kam ihnen mit jeder Woche näher, bzw. die uns.


Auf dem Weg zur Grabungsstelle

Größenvergleich: Rechts steht ein Grabungsmitarbeiter
















Einige 100m weiter untersuchte eine andere Archäologengruppe das Terrain und stieß auf die alte Römerstraße von Neuß nach Trier. Sie war 40 (vierzig!) Meter breit. Nicht gepflastert, aber erkennbar im Bodenprofil:


Nicht weit entfernt noch eine wahrscheinlich mittelalterliche Straße, deutlich schmaler. Auch nur für Fachleute erkennbar an den Verfärbungen im Schnitt. Charakteristisch die Spurrillen am rechten Bildrand:


Schön war's, interessant und spannend, anstrengend auch. 
Auch wenn man verschwitzt und verstaubt, mit anderen Worten "paniert", heimkommt und die Finger teils so ermüdet sind, dass der Schlüssel im Türschloss kaum zu drehen geht, ich würde gern wieder bei einem solchen Projekt mitmachen. 
Es war interessant mitzuerleben, wie eine solche Grabung organisiert und durchgeführt wird. 
Und es ist spannend wie Geschenke auszupacken, denn man könnte ja jederzeit auf einen Schatz stoßen!
Auch lernt man allerhand dazu. Beispielsweise, dass die Römer die kenntnisreicheren Baumeister waren. So konnten sie Dachziegel aus Ton brennen, ein Wissen, das späteren Bewohnern abhanden gekommen war. Denn die Kellerwände waren wie Trockenmauern aus zusammengesuchten Steinen und Geröll zusammengesetzt. Auch Reste vormaliger römischer Bauten der Umgebung wurden mit verwendet. 
Nachhaltigkeit in früher Zeit!

Fast schon mystisch waren manche Momente dort draußen im Niemandsland. Eine Stille, wie man sie in einem so dicht bebauten Ballungsraum sonst kaum haben kann. Ein paar Vogelstimmen, das Rauschen des Windes, gelegentlich ein Flugzeug, das war alles. 

Die gefundenen Scherben, Knochen, etc. werden nun ausgewertet um eine nähere zeitliche Einordnung vornehmen zu können. Das wird dauern.
Was man erkennen konnte war, dass der Keller nicht über Jahrzehnte verfallen ist, sondern im Rahmen eines Ereignisses zum Einsturz kam. Es gab eine seltsam verformte Ecke, die an ein Erdbeben denken lässt. Aber es kam auch viel Brandasche zum Vorschein. Ob das wahrscheinlich darüberliegende Haus abgebrannt ist? Dann hätten allerdings verkohlte Holzreste auftauchen müssen. Und wie mag es überhaupt ausgesehen haben?
Über das Schicksal der Bewohner, wer hier lebte und was am Ende passierte, werden viele Fragen offen bleiben, die mich eigentlich brennend interessieren würden. Vielleicht tauchen dazu irgendwann weitere Puzzlestücke auf, wer weiß.

Zufällig fuhr ich vor einigen Tagen nochmals am Grubenrand entlang. Immer noch wird an der römischen Straße gegraben. Und ansonsten lässt der Kohlebagger sein Schaufelrad am Boden knabbern.


9 Kommentare:

  1. Wahnsinn, liebe Elke.
    Ich stelle mir oft vor, wie wohl unsere Städte, Dörfer und Wohnorte früher ausgesehen haben.
    Ich werde schon ganz nostalgisch, wenn ich Fotos von den 1920ern sehe - stelle dir vor, man geht ein paar hundert Jahre mehr zurück!!

    Keine Autos, geteerte Strassen, elektrisches Licht, Heizung, Einkaufszentren... und so war es hunderte und tausende Jahre lang!

    Super, dass du an diesem Projekt mitgemacht und ein bisschen Indiana Jones Luft geschnuppert hast.
    Hat dich jetzt die Lust nach mehr gepackt? Die suchen bestimmt immer wieder nach Freiwilligen, und mir scheint, du bist genau die Richtige dafür.
    Schön auch, dass es mit dem Laufen wieder aufwärts geht! Die Pause hat dir bestimmt gut getan!
    Liebe Grüsse aus dem windigen Cape Town!

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    1. Liebe Catrina,
      ich finde es auch spannend, einen Blick, oder auch zwei, in frühere Zeiten zu werfen. Gäbe es Zeitreisen, ich wäre dabei!
      Das Leben war vielleicht weniger komfortabel, aber vielleicht auch weniger kompliziert als heute. Und vielleicht gab es auch Dinge, die sogar besser waren...? Und vielleicht erlebt man ja auch Dinge, mit denen man nie gerechnet hätte!
      Wenn wieder gegraben wird und man auch Ehrenamtler brauchen kann ( ist ja nur für einfache Hilfstätigkeiten sinnvoll) wäre ich sofort dabei!
      Liebe Grüße aus dem nassen Rheinland
      Elke

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  2. Was waren denn das nun für Gründe, warum Du Dein Auto einen Kilometer entfernt geparkst hast, liebe Elke? ;-)

    Genauso spannend wie Deine Erzählung über die Grabungen finde ich die Bilder. Wie sich eine einst grüne Kulturlandschaft in eine öde, staubige Mondlandschaft verwandelt hat.

    Das man zwar vieles bestimmen, aber die genauen Lebensumstände, die Bewohner, die Gebäude nie genau wird ermitteln können würde mich etwas frustieren, zuviel bleibt offen. Aber die Aussicht auf einen Schatz zu stoßen würde das kompensieren :-)

    Gratuliere zu Deiner KM-Jahresendrallye und liebe Grüße
    Volker

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    1. Lieber Volker,
      also da ich weder SUV noch Allrad habe und das Auto auch nicht im Schlamm versinken soll, wenn es abgestellt wäre, bevorzugte ich den Verbleib aller 4 Räder auf Asphalt. ;-)
      Es ist wirklich erstaunlich, wie sich die Landschaft dort verändert. Da der Kohlebagger nur "besenrein" will, muss alles was nicht Erde ist, vorher entfernt werden.
      Stimmt, dass man auf all seine Fragen zu den früheren Bewohnern kaum Antworten erhält, ist leicht frustrierend. Aber die Arbeit ist dafür einfach spannend und den Profis zuzuhören ist lehrreich. Auch ohne Schatzfund.
      Danke und liebe Grüße
      Elke

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  3. Liebe Elke,

    erst einmal finde ich es sehr schön, dass du wieder deine Lauferei aufnehmen und quasi auch intensivieren konntest. Alles andere, Vertiefung bzgl. Umfangsteigerung und Intensität, kommt dann von alleine. Da musst du ja 'nur' dran bleiben! :-)

    Danke dafür, dass du eure Graberei mal so ausführlich dokumentiert hast, auch mit so vielen (erklärenden) Bildern! Ich habe es gerne und auch sehr interessiert gelesen. - Da ist man plötzlich im 14. Jahrhundert und möchte Mäuschen spielen, wie sie da so gelebt haben, welche weiteren Materialien und Gerätschaften vorhanden waren, bzw. benutzt wurden. Und vielleicht konnten sie ihre Gebäude, einschließlich der Keller, nicht so 'stabil' bauen, weil sie kein Geld etc. hatten?! usw.

    Auf mich bezogen, wollte ich wohl nicht in dieser Zeit gelebt haben, zu sehr hab ich mich an bestimmte Errungenschaft unserer Zeit gewöhnt ... und sei es nur eine warme Bude im eiskalten Winter, die von der Wärmequelle nicht verrußt wird. Allerdings brauche ich viel von dem Luxus, den es heute gibt, auch nicht und konnte mich auf Pfadfinderlagern auch immer wieder erden lassen!

    Und dann haben solch interessante Grabungen nicht genug Zeit, weil der Bagger immer näher rückt. Da finde ich es schon sehr traurig, dass gerade mal 5% der im Boden verborgenen Dinge entdeckt, bzw. 'ergraben' werden. *heul*

    Da du deine 'Verbindungen' hast, wirst du sicherlich erfahren, wann und wo mal wieder Leute gebraucht werden!

    Viel Spaß beim Laufen und wieder fit werden!
    Aus dem wieder etwas wärmeren Darmstadt (7°)
    liebe Grüße Manfred

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    1. Lieber Manfred,
      ja, ich hatte das Gefühl, den läuferischen Knoten zumindest ein wenig gelockert zu haben! :-)
      Ich hätte auch noch Dutzende mehr Bilder bringen können, aber irgendwann wird es ja nur eher verwirrend. Es war auf alle Fälle eine tolle Erfahrung. Wir hatten letzte Woche ein Treffen der Ehrenamtler und alle haben ihren Spaß trotz der Anstrengung betont.
      Sicher war das Leben zu der Zeit sehr viel anders. Aber vielleicht waren die Menschen auch abgehärteter und nicht alles, was uns stören würde, war für sie normal?
      Es ist einfach sooo schade, dass alles in großer Eile und nur an wenigen Stellen erforscht werden kann! Immerhin, man stieß an dieser Grabung auch auf eine kleine Figur der Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute. Darüber war ein maßgeblicher Mensch so begeistert, dass der Baggerplan geändert wurde und der Kohlebagger den Archäologen noch einige Monate mehr Zeit geben wird für weitere Forschungen!: https://bodendenkmalpflege.lvr.de/de/aktuelles/fund_des_monats/fund_des_monats_dezember.html
      Danke und liebe Grüße
      Elke

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  4. Liebe Elke,
    jetzt hatte ich Zeit, die Fotos zum Text in Großformat anzuschauen. Das ist ja spannend. Am meisten beeindrucken mich die vorher-nachher Bilder des Gutshofgeländes! Und die Breite der gefundenen Römerstraße! Ui, klotzen konnten die alten Römer ganz gut. ;)
    Wie toll, dass du durch deine Mithilfe so viel interessantes über dein Laufrevier lernen kannst. :D

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    1. War es eigentlich Absicht, dass du diesen Beitrag am 4.12. am Tag der Hl. Barbara veröffentlicht hast?

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    2. Liebe Doris,
      danke für deine Aufmerksamkeit, nein, der 4.12. ist reiner Zufall! Aber vielleicht hatte dabei Freud seine Finger im Spiel...
      Als ich mich als Helferin gemeldet hatte, ging es um ein Vorher-Treffen am Ort. Ich sagte großzügig, ach, das kenne ich sehr gut, das war ja mein Laufrevier gewesen. Hochmut kommt vor dem Fall. Ohne Begleitung hätte ich das definitiv nicht gefunden, weil ja dort im Gelände jeder Orientierungspunkt fehlt, denn die alte Alleestraße verliert sich im Nirgendwo. Ich hätte schwören können, die Grabung ist viel weiter östlich. Doch die GPS-Aufzeichnung meiner Uhr haben mich dann überzeugt.
      In der Tat, es war eine Bereicherung!
      Liebe Grüße
      Elke

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