Mittwoch, 30. April 2014

Walpurgisnachtabend

Heute sollen die Hexen auf ihren Besen tanzen - sagt man. Ob das den Wetterbericht ein wenig verwirbelt hat?
Bereits seit Mittag wird wegen schwerer Gewitter in und um Köln gewarnt.
Ich beginne schon, mich zu ärgern, dass ich gestern ein wenig lauffaul war. Sollte das heute dann unwetterbedingt ausfallen?

Ich linse gegen 18 Uhr skeptisch an den Himmel, kann aber weit und breit nichts ausmachen, was die Lauffreude trüben könnte. Die Feldlerchen singen hoch oben über mir, 2 Reiterinnen nutzen das schöne Wetter für ein paar Trab- und Galoppübungen.




Dunst bildet sich weit weg am Horizont, die Luftfeuchte ist höher als sonst.






Das Laufen fällt mir heute nicht ganz so leicht wie vor 3 Tagen. Liegts am Wetter, oder daran, dass ich heute wahrscheinlich wieder zuwenig getrunken habe?

Vielleicht habe ich auch einfach nur einen schlechten Tag erwischt, so wie gestern die Bayern, als sie mit einem sagenhaften 0:4 gegen die Königlichen im Halbfinale baden gingen... Fußball ist ja sonst nicht so meine Welt, aber wenn es um etwas größeres geht, schaue ich auch mal zu. Manchmal macht es ja auch Spaß, außer gestern... Nun ja, die Kölner Haie haben es ja leider auch vergeigt mit der Meisterschaft diese Woche. Bleibt nur noch der 1. FC Köln der mal wieder den Aufstieg geschafft hat. Fragt sich nur, wie lange er sich dann in der 1.Liga wird halten können, bis sich
über der Mannschaft mit dem Ziegenbock dann wieder dunkle Wolken bilden. Kölner Fans sind abgehärtet, was das angeht.
"Et kütt wie et kütt", "Wat fott is is fott", "Et hät noch immer joot jejange" - mal sehen, welcher Artikel des rheinischen Grundgesetzes in der nächsten Saison zum Tragen kommen.

Das Foto hier täuscht etwas. Von Gewitterwolken war nichts zu sehen, nur die Kamera übertreibt im Gegenlicht der Sonne ein wenig und bauscht leichte Quellwolken dramatisch auf.
Vielleicht haben ja die Aktivisten der Nacht, seien es die Hexen auf dem Brocken oder die im Rheinland und anderen Regionen tätigen Maibaumaufsteller, Glück und Petrus ist ihnen hold.

18 Grad, 8,4 km, 55:05 Min, (6:32 Min/km), Puls 133

Sonntag, 27. April 2014

Land des Lächelns

Da lächeln sie wieder.
Die ersten grüßen mich huldvoll an der Bushaltestelle. Aber bald fallen mir die anderen auch ins Auge, etwas weiter hinten am Weg, oder auf der anderen Straßenseite.
Schauen mal würdevoll, mal jovial.
Lächeln mal offen und freundlich, mal leicht sauertöpfisch, mal fast gezwungen mit beinah festgetackerten Mundwinkeln.
Die Herren in Anzug und Krawatte, die Damen in Kostüm und Bluse.
Passend zum Sonntagnachmittag.
Mal einzeln, mal als Gruppe.
Zwar nicht aus jedem 3.  Ei, aber von ziemlich vielen Laternenmasten und Schilderpfosten.
Am Kreisverkehr dann gleich im Riesenformat...

...und versprechen jedem, der das gar nicht will,
das Blaue vom Himmel, das es heute auch nicht gibt.
Ja, Wahlen sind angesagt, für die Gemeinde und für Europa. Na ich kann ja noch ein paar Tage überlegen, welches Lächeln mir am besten gefällt. Oder verstehe ich da etwas falsch?
Im Netz findet sich folgendes Orson Welles zugeschriebene Zitat:
"Beliebtheit sollte keine Maßstab sein für die Wahl von Politikern. Wenn es auf die Popularität ankäme, säßen Donald Duck und die Muppets längst im Senat."

Auf alle Fälle kann ich ja noch etwas laufen gehen, bis es soweit ist. So wie heute, bei angenehmen 17 Grad und dem nur am Vormittag eingetretenen, vom Wetterbericht versprochenen kräftigen Regen. Der Nachmittag blieb trocken.

Die Augen genießen das frische Grün und die Beine die Bewegung. Es geht wieder locker und leicht wie schon beim letzten Lauf, der Puls bleibt erstaunlich niedrig.


Am Ende zeigt mir die Polar einen grandiosen Fitnesslevel an, wie ich ihn glaube ich noch nie hatte. Dabei hatte ich gar nicht das Gefühl, heute so besonders flott unterwegs gewesen zu sein.

Der Aufwärtstrend hält an.

LÄCHELN!

17 Grad, 11 km, 1:08 Std., (6:10 Min/km), Puls 132

Donnerstag, 24. April 2014

Nach dem Lauf ist vor dem Lauf

Die Nachmarathonerholungsphase schreitet voran.
Was ich für mich daran festmache, dass die Beine sich melden und laufen wollen :-)

Also nichts wie los auf eine kleine gemütliche Runde bei fast sommerlichen Bedingungen, 21 Grad und Luft fast schon an der Grenze zur Schwüle. Der Wetterbericht behält recht und es zieht eine gewittrige Wolkenstimmung auf. Erstmals laufe ich in kurz/kurz und es fühlt sich klasse an! Der Ostwind drückt mich spürbar Richtung Feld und nach wenigen Minuten kommen erste Regentropfen dazu. Aber egal, bei der Wärme tun die sogar gut. Die Tropfen, die auf den Asphalt fallen, lassen ein wenig den typischen Staub&Regengeruch entstehen, wie man ihn nach Sommerregenfällen kennt.

Ich nehme mir vor, moderat zu laufen. Im Geiste bin ich wieder in Wien, sehe einzelne Bilder vor dem inneren Auge, kann immer noch den Emotionen nachspüren, die einen bei einem solchen Ereignis bewegen. Ich philosophiere ein wenig vor mich her, wie lange doch das 10-wöchige Aufbautraining dauerte und wie schnell dann der Lauf als Krönung der Aktion vorüber ist. Aber im Nachhinein betrachtet schmälert die Freude über den vollendeten Marathon die Trainingsplackerei, drängt sie in den Schatten und macht sie fast vergessen.
Diese Gedanken muss ich mir unbedingt für die nächste Trainingsphase konservieren!
Am liebsten würde ich gleich wieder die 42,195 km laufen und habe schon erste Daten für Herbstläufe eruiert.

Beim Laufen schaue ich heute immer wieder ungläubig auf den Puls, der erstaunlich niedrig bleibt. Ob das der Trainingseffekt von Wien ist, oder die ersten positiven Wirkungen der Eisenbömbchen, die ich nun fleißig nehme, oder beides? Egal, Hauptsache aus dem Trend wird eine nachhaltige Entwicklung!

Daheim werde ich erwartet.
Kater Hoss schaut schon mit seinem typisch kritisch strengen Blick wo denn das Personal nur wieder bleibt, schließlich ist längst längst (Fr)Essenszeit!










7,1 km, 45:34 Min, (6:23 Min/km), Puls 131, 21 Grad

Dienstag, 22. April 2014

Ostern im Digit-Tal

Es war einmal....
vor langer, langer Zeit ein Land, in dem vieles anders war. Dieses Land ist längst nicht mehr. Aber ich erinnere mich, dass es dort, so etwa rund um Dresden das sogenannte "Tal der Ahnungslosen" gab. Dort konnte man kein Westfernsehen empfangen (Für Mitlesende unter 25-30 Jahren: Westfernsehen waren ARD und ZDF, die anderen werkelten noch in Garagen als Start-ups), sondern nur das staatliche "Fernsehen der DDR" was einen erheblichen Informationsverlust bedeutete.
Wir waren zwar nicht in der heute bestens versorgten sächsischen Landeshauptstadt, sondern nur in unserer Ferienwohnung am Fuße des Berner Oberlandes. Doch anscheinend erlebt das "Tal-Phänomen" eine Renaissance genau dort, indem nämlich die Versorgung mit Internet so gar nicht funktionierte während unseres Osterwochenendes. Da merkt man dann, wie sehr doch die digitale Welt schon Teil unserer realen Welt geworden ist. Jedenfalls fühlten wir uns recht ... informationsamputiert.

Aber wenigstens haben wir ja schöne Aussicht,
außer z.B. am Karsamstag, als der gegenüberliegende Hang morgens Zuckerguss hatte.

So bestand dann wenigstens die Gelegenheit, ausführlicher in einem sehr interessanten kleinen Büchlein zu schmökern: "Die Kunst des Gehens -Schritt für Schritt zu gesunden Füßen" von Thomas Rogall. Nicht dass ich die zweibeinige Fortbewegung nicht seit über 5 Jahrzehnten ganz gut beherrsche. Doch ist es nun einmal leider so, dass sich in der Jugend erlaufene Defizite erst in späteren Jahren zeigen. Dazu bietet das Buch sehr gute Informationen und Anregungen. Und daher nehme ich mir einige Gang-Optimierungen zu Herzen. Zum Beispiel gleich am Ostersonntag, als ich bei schönstem Frühlingswetter zu einem ersten Läuflein nach dem Marathon aufbreche.



Welch ein Wetterunterschied zum Vortag! Die Natur hier oben ist noch nicht so weit, wie daheim, und ich laufe quasi in einen zweiten Frühling hinein.
Die prächtigen Wiesen und der blaue Himmel geben einen wunderbaren Kontrast.



Ich laufe einfach vor mich in, wie mir gerade ist. Ein sehr ungewohntes Gefühl, nach den 10 Wochen im strikten Marathontrainingsplan. Hinzu kommt, dass ich meinen Laufsensor vergessen habe und daher Strecke und Tempo nicht ermitteln kann (ich laufe ja nicht mit GPS), aber egal, völlig egal!











Während ich den Duft der Pflanzen und der Wiesen genieße und das Kuhglockenbimmeln zusätzlich zur Entspannung beiträgt, konzentriere ich mich darauf, besonders den linken Fuß mehr gerade in Laufrichtung aufzusetzen, statt leicht seitlich verdreht. Dies scheint ein Manko bei meiner langjährigen Fortbewegung per Pedes zu sein und langsam in ein Hallux-valgus-Problem zu münden, was ich aber nicht ohne weiteres hinzunehmen bereit bin.
Wie nicht anders zu erwarten, ist das anstrengend, weil vom Gefühl her völlig "daneben", aber ich nehme mir vor, sowohl laufend als auch gehend an dieser "Baustelle" ab sofort zu arbeiten.


Ich kann mich nicht sattsehen an der schönen Landschaft, die immer wieder neue Perspektiven und Panoramen bietet.

Als ich einmal unsere Vermieter fragte, ob sie denn diese wunderschöne Aussicht noch bewusst genießen, erntete ich etwas ratlose Blicke. Anscheinend kann man sich  selbst an die schönste Bergaussicht gewöhnen.
Ich hoffe, bei mir ist der Zeitpunkt noch weit weg!






Gegen Ende des Laufs komme ich wie so oft an einem Gehöft vorbei, an dessen Schuppen eine besondere Liebesbotschaft verewigt wurde. Ist das nicht schööööön?:


Leider endete das strahlende Wetter dann auch schon am Sonntag Abend und der Montag bot Regen :-(
Da fällt dann wenigstens die Heimreise nicht allzu schwer. Und zu Hause ist wieder Internet.

Nach dem "Bummel-Lauf" vom Sonntag war es mir heute nach einer eher flotten Runde, die ich dann auch bei warmen 18 Grad laufen konnte.

Sonntag: 57 Min., Puls 134, ca. 8 km
Dienstag: 5,9 km, 36:20 Min (6:11 Min/km), Puls 140 

Mittwoch, 16. April 2014

Nachklapp - Wiener Impressionen

Gelaufen.
Am Sonntag Nachmittag nach dem Marathon konnte ich nur das Gefühl eines zur Notschlachtung freigegebenen Klappergestells in mir erspüren ... aber es gibt kaum Leiden, die mir größere Wonne bereiten könnten. Nicht, dass ich masochistisch veranlagt bin, aber der Pein ging ein solch strahlendes Erleben voraus, es krönt wochenlange Vorbereitung, es zeigt, dass ich alles gegeben habe.
Am Abend immerhin nehmen wir den Gang ins Steakhaus auf uns - Eisenzufuhr in Fleischform.

Am Morgen danach sieht die Welt - was die Leiden angeht- für mich schon wieder besser aus, für meinen eidgenössischen Ehemann sowieso. Und die Endorphine tanzen immer noch WALZER im 3/4-Takt, linksherum und rechtsherum und gleich wieder links und rechts....
Wir haben noch einen halben Tag in Wien, den wir gemütlich schlendernd durch die Innenstadt verbringen möchten.
So viele Gedanken und Eindrücke schwirren uns immer noch in den Köpfen herum. Die meisten Spuren der Großveranstaltung sind schon wieder verschwunden, als sei nichts gewesen, nur am Heldenplatz sind noch letzte Aufräumarbeiten zugange.

Die Beine sind wieder bereit, in Maßen bewegt zu werden, gehend natürlich. (Von Treppen schreibe ich hier lieber nichts.) Der Wind von gestern hat kräftig aufgefrischt, im Innenhof der Hofburg werden Kartons durchs die Luft gewirbelt. Wir sind froh, dass die Bedingungen gestern besser waren.



































Und natürlich muss es noch ein Stück Original Demel's Sachertorte und ein Apfelstrudel sein, im Café Demel, dem k.u.k. Hofzuckerbäcker, zurückgehend auf das Jahr 1786 (Das Café, nicht die Torte).
Dann bringt uns das Flugzeug schon wieder zurück. Unterwegs dürfen wir atemberaubend schöne Wolkenformationen genießen.
So schnell wie der Heimflug ist ähnlich schnell das Wochenende verflogen.
Ein Rausch, und wir durften ihn genießen.


PS.: Ein Foto fehlt, aber das habe ich mich nicht getraut zu machen. Im Flieger sitzt in der Reihe neben uns ein Läufer, der sich zur Heimreise in sein donaublaues Vienna-City-Marathon-Running-Shirt geworfen hat und auf seiner stolz geschwellten Brust gar die Medaille vor sich her trägt.
Und wenn er sie nicht an der Sicherheitsschleuse abgelegt hat, hat es bei ihm sicher "piep" gemacht.

Sonntag, 13. April 2014

Wien Marathon 2014 - alles Walzer


Welch ein Tag!
Früh am Morgen machen sich gut 41.000 Lemminge auf zum Start des Wien Marathons. Wir haben Glück und ergattern noch Sitzplätze in der U-Bahn, doch schon eine Station weiter wird es sehr eng. Dabei haben die Bahnen bereits auf einen 3-Minuten-Takt aufgestockt, doch der Menschenstrom zum Startgelände schwillt immer weiter an. In Wien starten Halb- und Vollmarathon im gemischten Starterfeld, eine Menschenmenge, die nicht mehr zu überblicken ist.
Meine Gefühle sind sehr durchwachsen. Was wird mir der Tag bringen im Wissen, dass ich ein kleines " Handicap" bei mir habe?  Am Ende des Tages kann ich es kaum glauben, dass ich doch noch ein schönes Marathonerlebnis haben werde. Muss aber dennoch sagen, dass ich ziemlich sicher bin, dass ein Lauf auf die ursprünglich geplante Zielzeit hin wohl nicht gut geendet hätte.


So stehen wir im Startbereich und schauen den Leuten zu. Wir wissen, dass aus unserem Ort auch unser Laufbekannter W. dabei ist, und schon spaziert er an uns vorbei, was für ein Zufall. Wir rufen ihn zu uns und verbringen die Wartezeit gemeinsam. Er ist im gleichen Block wie mein eidgenössischer Ehemann, und bald ziehen die beiden zusammen los, um sich dort einzureihen.

Ich erfreue mich an der speziellen Musik. Wahrhaftig ist alles Walzer. Ich erkenne Smetanas Moldau, "Oh Fortuna" aus Carmina Burana und immer wieder klassische Walzermelodien. Das höchste an modernen Gefühlen sind Enya oder Michael Jacksons "Earth Song". So werde zumindest ich in meinem Plan, langsam zu laufen, bestens unterstützt.
Es wird versetzt in 6 Blocks gestartet, und ich kann das Prozedere beim parallel von mir stehenden Block beobachten: Eine Kette (Schaumstoff-)muskelbepackter Football-Hünen bildet eine verhakte Menschenkette vor den mit den Hufen scharrenden Läufern. Auf Kommando sprinten die Jungs los was das Zeug hält und bringen sich dann schleunigst nach wenigen Metern links und rechts in Sicherheit vor der wilden Horde (Man weiss ja, dass bekanntlich Langstreckenläufe am Startsprint gewonnen werden...).



Das Spektakel lassen sich viele Zuschauer nicht entgehen.








Los gehts Richtung Praterstern. Es ist und bleibt kühl und ich bin sehr froh um meine lange Hose, die Ärmlinge und die Handschuhe - bis zum Laufende.

Wie üblich ist es zunächst etwas hektisch, aber es ist genug Platz für alle da, zumindest in meinem Block.



So gehts über die erste Brücke, theoretisch Richtung Zentrum, praktisch natürlich auf zahlreichen Schleifen durch die Donaumetropole. Um mich herum wird fleissig geplaudert, teils in mir unverständlichem Österreichisch, aber auch einige andere Sprachen sind zu vernehmen.
Nach 5-6 km habe ich mich halbwegs eingelaufen, muss wie immer dauernd mein Tempo reduzieren.


Bei etwa km 9 fallen mir diese beiden bunt maskierten Gestalten auf, man beachte deren Barfüsse! Sie scherzen mit vielen anderen Läufern, verabschieden sich aber bald aus dem Feld. Nach 2 km sehe ich sie wieder: Auf dem Balkon einer Wohnung gegenüber des Naschmarkts, von wo aus sie allen zuprosten. Viel später tauchen sie wieder im Läuferfeld auf...








Kurz begegnen wir hier auch der Spitze, die dort schon bei km 26,5 angelangt ist.


Und dann der erste Vorgeschmack auf die spätere Zielnähe, der Ring. Hier gibt es endlich wieder einmal Walzer zu hören. Und dazu einen Walzermarathon...


... der einen Läufer zu einer spontanen Einlage hinreisst.








Und wir passieren beim Karlsplatz die Oper, ein schöner Anblick.



Beim Naschmarkt bewegt sich das Feld bereits in Richtung Schönbrunn. Als wir vor wenigen Jahren einmal per Bahn aus der City dorthin fuhren, kam es mir sehr weit vor. Heute scheints eher kurz, obwohl ich einen kleinen Hänger habe, Gegenwind und Nieselregen kommen noch hinzu.
Zudem war der Kampf mit dem ersten Energie-Gel tückisch. Es liess sich kaum öffnen und ich konnte den Inhalt nur durch ein winziges Loch mit aller Kraft herausdrücken (Das Spiel wiederholt sich noch 2x, muss ich noch ein Schweizermesser mitnehmen, um die Dinger unterwegs öffnen zu können...?). Am Ende habe ich eine nervend klebrige Hand. Doch erfreulicherweise gibt es öfter an der Strecke fliessend Wasser für die Läufer, dort kann ich das Malheur  ausgleichen.

Bald kommen wir in Schönbrunn an, es ist zugleich (nach 16 km) der erste Staffelwechselpunkt. Da spazieren quer durchs Läuferfeld ein Herr und eine Dame im Laufdress. Ich schaue kurz hin - muss nochmal schauen - ist das nicht Magister K. mit dessen Firma unser Haus geschäftliche Kontakte pflegt? Noch ein unglaublicher Zufall! Er wars, wie ich am Abend der Ergebnisliste entnehmen kann, er war der erste Läufer einer Firmenstaffel.

Schönbrunn ist der westliche Wendepunkt. Dass es bis hierhin nach Streckenprofil bergauf gegangen sein soll, habe ich kaum gespürt. Nun geht es über die Mariahilfer Strasse zurück zur City.

Hier läuft es gut für mich, immer noch muss und will ich mich einbremsen. Bald steht auch die Entscheidung an, den Lauf als Halbmarathon zu beenden ... oder weiter zu laufen.




Da hilft mir die Skulptur zweier Männer mit Hammer (!) auch nicht gerade weiter...









Kurz darauf folgt gegenüber eine hübsche Kirche und ich denke, ich sollte den Glauben für heute vielleicht doch nicht aufgeben...?

Das Feld wird plötzlich schneller, es sind nur noch 2 km bis zum Halbmarathonziel und es geht bergab. Ich lasse mich ein wenig mitreissen und laufe hier meinen schnellsten Abschnitt.

Und dann kommt die zur Entscheidung zwingende Stelle: Rechts = Halbmarathonziel,
links = weiter.
Ich fühle mich gut und laufe links.



Vom Zielgelände, dem Heldenplatz, klingt Robbie Williams herüber "I don't want to die, and I ain't keen on living eather" ... nein, "sterben" will ich bei diesem Lauf sicher nicht, aber ich will ihn beenden!


Das Feld wird nach der Scheitelstelle merklich dünner, es laufen nur rd. 9.500 Läufer die Volldistanz. Und nach dem Ostermarkt mit Budenzauber beim Rathaus wird es plötzlich ganz still und ruhig. Keine Musik mehr, nur Schuhtrappeln und hier und da Schnaufer.
Ich fühle mich weiter gut und freue mich, für diese Variante entschieden zu haben.



Ich finde überhaupt, dass die 20'er km schneller vergehen, als die Halbdistanz. Das findet allerdings Mozart nicht, er schnauft und kämpft.

Zu meiner Überraschung wollen die Beine immer noch gut voran. Doch ich merke, dass der Puls, den ich unbedingt im Griff behalten möchte, öfter einmal die 150 überschreitet. So ist weiter bremsen angesagt.

Bald geht es erneut auf die Hauptallee, die uns durch ein langes sehr grünes Waldstück führt.

Man kann seinen Gedanken nachhängen, es gibt viel Platz für alle. Musikalisch wird an dieser Stelle gerade  "I will survive" geboten - ja das gefällt mir!

Die Hauptalle zieht sich, es gibt einen Abstecher zum Fussballstadion mit einer unschönen Spitzkehre, die einem den Schwung raubt - und das bei km 30,5. Hier habe ich nun doch langsam ein wenig zu tun. Die Beine laufen zwar brav, aber ich merke, die "Körner" wollen eingeteilt werden, der Puls drängt auch immer höher. Die Passage im Grünen nimmt kein Ende.
Endlich kommt der Pavillon in Sicht, der den süd-östlichen Wendepunkt des Kurses markiert und den man gut umrunden kann.

Zugleich wird die Reststrecke nun einstellig! Weniger als 10 km und ich laufe immer noch ...!




Nach letztendlich fast 9 km durch den grünen Wald kommen wir endlich wieder an den Fluss.


Diese Kneipe möchte ich ausdrücklich wegen ihres guten Musikgeschmacks hier verewigen. Beim ersten Passieren dieser Stelle erklang Nazareth's "This Flight Tonight", wow, da wird man wieder jung.
Bei der zweiten Passage höre ich Kirchenglocken, bin erstaunt, denn Mittag ist vorbei. Doch dann fällt der Groschen.... "Hells Bells", ach, hier wäre ich gern stehen geblieben, aber nichts da, weiter, keine 6 km mehr, nicht zur Hölle, sondern zum Ziel!


Das Feld zieht sich auseinander. Inzwischen schnaufe ich auch ganz gut. Und dann geschieht mir noch, dass eine Fliege sich in meinen Mund verirrt. Spucken und trocken würgen nützt nichts. Ich habe Gottseidank eine kleine Reservetrinkflasche dabei. Mit etwas Wasser werde ich den unliebsamen Störenfried dann los.


Km 39. Ich schaue nur auf den Puls, es wird schwierig. Doch ich bemerke auch, dass mein Tempo immer noch gut ist. Die Gesamtzeit habe ich bewusst ausgeblendet, und als ich hier einen Blick darauf werfe sehe ich, dass ich wahrhaftig in die Nähe meiner allerersten Marathonzeit (4:44 h) gelangen kann. Ich gestehe, ich habe einen Kloss im Hals... Ich hatte mich hier jenseits der 5 Std gesehen...
Ich beschliesse den Versuch, das Tempo noch anzuziehen.


Die Füsse gehen mit.
Km 40. Ich glaube es nicht! Gleich wird die Strecke nach rechts  und dann erneut auf den Ring mit seinen bunten Läuferbögen und dem jubelnden Publikum einschwenken.



Nochmals dürfen wir den Prachtboulevard geniessen.
Ich erlaube mir ein paar Gehschritte, einfach, weil ich diese Eindrücke länger in mich aufnehmen, ja aufsaugen möchte.

Ich werde es gleich schaffen, diesen Lauf zu finishen...

Wieder will ich loslaufen und zum Ende alles geben. Doch da kommt die Warnung des Körpers, es reicht, kein Tempo mehr möglich, sonst komme ich doch nicht mehr heil an. Ich erkenne die Zeichen, wie sie bei mir sind, kurz bevor das Lichtlein ausgeht. Nein, nicht hier und jetzt. Die letzten 500m werden mit 100m-Schildern angezeigt, das hilft.
Ich drossele  und geniesse den Zieleinlauf, bewusst langsam. Unvergesslich emotional.


Der blaue Teppich vor der Hofburg. Auf diesen Moment habe ich mich so gefreut, so lange hintrainiert, am Ende noch Sorgen gehabt und der Traum ist doch wahr geworden.


Mit den letzten "Funken" meiner Batterie laufe ich über die Linie. Als ich stehenbleiben kann, spüre ich sofort, wie sehr ich doch das letzte aus mir herausgeholt habe. In diesem Moment bin ich mir daher auch sicher, dass ein Lauf mit dem ursprünglichen Ziel ( 4:20 h) mich nicht zu selbigem gebracht hätte, und bin froh, dass ich eben vorher einen "Warnschuss" erhielt. Dank diesem hat es geklappt. Und ich habe sogar eine neue PB mit 4:40:26 erzielt!

Doch die zahle ich mit totaler Erschöpfung. Stakse auf dem grossen Gelände herum auf der Suche nach dem Ausgang. Jeder einzelne Schritt kostet Kraft und Konzentration. Wie gut, dass das Hotel nur 500 m entfernt ist. Ich gehe wackelig wie der berühmte Storch im Salat den Ring entlang ein Stück zurück. Ein Kino zollt hier den Läufern seinen Tribut:


Mein Mann ist wie erwartet schon fertig, in 3:50, und damit sehr zufrieden. Vom Laufbekannten W. gibt es weniger gutes zu vermelden. Die beiden Männer starteten gemeinsam und liefen gemeinsam ins Ziel. Dazwischen aber fiel W. einmal weit zurück, lief dann plötzlich weiter vorne wieder im Feld. In der Ergebnisliste wird er als disqualifiziert geführt, er hat unterwegs einen seltsamen Leistungsschub gehabt, das Tempo fast wie ein Usain Bolt... An einer Stelle, an der sich die Strecke berührt und man einfach ein paar km abkürzen kann... Als wir das später lesen, sind wir doch ziemlich entsetzt darüber. Was hat man davon? Man betrügt sich selber und die Untat bleibt auf ewig im Netz für alle sichtbar...

Ich bin froh, im Hotel anzukommen, nach einem entspannenden Wannenbad erleide ich die erwarteten und mir bekannten Qualen, die Beine hämmern und fühlen sich an wie Beton, die Fusssohlen drohen Krämpfe an, der Magen will Nahrung und lehnt sie zugleich ab, ich fühle mich wie durch ein Räderwerk gedreht. Mein flinkerer Gatte hingegegen springt munter im Hotelzimmer umher, relativ betrachtet jedenfalls. Nun ja, wenn ich denmächst mehr Eisen habe, kann er sich schonmal warmlaufen ... :-)

Fazit: Wien ist ein schöner Lauf, tolle Stimmung an vielen Punkten der Strecke. Gute Organisation, aber ein wenig sparsam ist man hier schon, es gibt nicht das kleinste Goodie, nur Werbeflyer und Gutscheine (für den nächsten Möbelkauf zum Beispiel) finden sich im "Sackerl".

Nachtrag: Bewegte Bilder gibt es hier in der ORF-Reportage. Mozart ist zu sehen, die beiden Barfussläufer, ja und sogar ich habe die Ehre und tripple bei 2:39 Min ins Bild und an dem tanzenden Walzerpaar vorbei ;-)