Mein Trainingsplan wünscht einen 10-km-Lauf im Wettkampfmodus um 57 Min. Wenn's weiter nichts ist...
Gleich um die Ecke, von mir aus gesehen hinter unserem selbst gebastelten (Köstlich ausgedrückt, Blumenmond!) Hausberg startet heute in Niederzier der Monte Sophia (28,1 km, 370 Höhenmeter), sowie dessen "kleiner Bruder", der Montelino, ein 10er mit aber auch immerhin 80 Höhenmetern. Eine nette familiäre und gut organisierte Veranstaltung. Entlang der Strecke zeigen Römer (im Bild der für die 28,1 km zuständige Sandalenträger) die Distanzen an. Ist nicht so weit hergeholt, denn im Rahmen des Tagebaus, in dessen Nahbereich wir hier sind, wurden und werden immer noch zahlreiche römische Überreste entdeckt. Der Monte Sophia ersteigt ausführlich die begrünte Abraumhalde, besagte Sophienhöhe, der Montelino kratzt ein wenig am Berghang.
Es ist unaugustlich frisch mit böigem Wind und dunklen Wolken. Der Hauptlauf startet um 16 Uhr, mein kleiner 10er 10 Minuten später. Ich bin recht früh da. Bei Erreichen des Start-/Zielbereichs wird der regionale Charakter der Veranstaltung auch akkustisch unterstrichen, mit "kölsche Tön". "Kommmmm in meinen Haaaarem" tönt gerade aus den Boxen, naja.
Weiter geht das muntere Lied "...isch mach' Dir den Tiger" Uuuuuuaaaah!
In der Turnhalle treffe ich Heidrun und Vera und wir haben viel Zeit zum Quatschen. Vor allem ist es angenehm warm und windstill dort drinnen.
Das Starterfeld ist beim "Kleinen" übersichtlich, die meisten ziehen das große Event vor. Die Zeitnahme geschieht manuell. Leider, denn ich brauche ein paar Sekunden, bis ich über die Linie gehe. Wäre es mit Chip und ab Startlinie, hätte ich nachher wohl eine neue PB.
Zunächst führt der Kurs ein Stück über einen schmalen Wirtschaftsweg. Erstaunlich, wie breit sich manche Leute machen. Laufen als Gruppe zu dritt nebeneinander, wo eigentlich schon 2 auf dem engen Weg reichen würden. Ansprache zwecklos, in den Ohren stecken Stöpsel...
Bald reicht mir das und ich weiche auf holpriges Grün neben dem Weg aus um zu überholen. Kurz darauf wechseln wir auf richtige Feldwege, ausgefahren, mit Pfützen und vor allem mit kräftigem Wind. Doch der macht mir schon nichts mehr aus. Hieß es am Start noch bibbern, so bin ich nun warmgelaufen. Kein Wunder, meine Uhr zeigt mir um die 5:20 pro km an. Eigentlich zu schnell, aber es kommen ja die Anstiege... Wenigstens wird der Untergrund bald besser, breite platte Naturbodenwege. Das Feld zieht sich rasch auseinander, es geht inzwischen am Fuß der Sophienhöhe durch den jungen Wald, der vor rd. 20-25 Jahren angepflanzt wurde. Vereinzelt laufen wir an kleinen liebevoll gestalteten Beeten mit jeweils einem wuchtigen Naturstein vorbei. Auf den zweiten Blick erkenne ich, was es ist. Eine moderne Darstellung des Kreuzwegs Jesu- welch ein Omen! Ich erkenne die ersten Nummern, wir laufen also in Richtung immer schlimmerer Pein...
Bald kommt auch der erste Anstieg bei km 3.
Ich nehme mir vor, mich nicht zu verausgaben und das steilste Stück in flottem Gang.
Auch danach steigt das Gelände weiter an, wenn auch sehr viel moderater. Das ist läuferisch dann kein Problem.
Die Natur der Strecke bringt es mit sich, dass die Teilnehmer hier draußen unter sich sind. Anfeuernde Zuschauer lassen sich an einer Hand abzählen. Aber immerhin!
Ab km 5 dann die zweite, happigere Steigung. Über einen mit Split befüllten Trailpfad. Hier gehen alle (jedenfalls in meinem Bereich).
Vor mir eine Läuferin, die erkennbar mit einem männlichen Pacemaker läuft und sichtbar kämpfen muss. Doch der Mann macht ihr immer wieder ungeduldig Zeichen, sie solle schneller werden. Am Ende der Steigung, wir haben unseren höchsten Punkt erreicht, ziehen die beiden ein Stück von mir weg. Ich lasse mich nicht darauf ein, möchte meine Kräfte einteilen.
Den Kreuzweg hatten wir vor dieser Steigung verlassen, nun sind wir wieder auf ihm unterwegs, doch nun in umgekehrter Richtung. Ich erkenne die Nummerierung für Station 12, dann 11 usw. Prima, vom schlimmsten Leiden also rückwärts. Auch ein Symbol für das, was nun kommt, nur noch abwärts und es läuft immer besser - heißa. Teils sind die nun wieder breiten Wege etwas ausgewaschen, teils auch durch Split schwammig und rutschig, doch immer wieder kann ich die Beine fliegen lassen. Bisweilen sehe ich auf diese Weise wundersame Zeiten auf meiner Uhr. Ach, solch ein Laufgefühl möchte ich immer haben! Die Beine fühlen sich gut an, auch wenn ich durchaus spüre, dass ich insgesamt "auf Kante" laufe. Am Verpflegungsstand schnappe ich mir einen Becher Cola. Fehler! Nur 2 Schluck, aber dieses Geblubber im Magen macht mich sofort langsamer. Zudem verlasse ich nun den Wald, der Bergabschwung verebbt in der Ebene und ich bin dem starken Wind schutzlos ausgesetzt. Kurz ein Gefühl, wie gegen eine Betonmauer zu prallen. Aber ich kann das kleine Tief überwinden und ziehe wieder kräftiger durch.
Noch 2 km.
Vor mir läuft ein junger Mann in neongelb, laaangsam kann ich mich an ihn heranarbeiten.
Und ihn passieren.
Dann ein Mädchen, deutlich mit Übergewicht und keuchend (was ich allerdings auch tue), vorbei.
Ich nähere mich wieder dem Frau&Mann-Gespann von der zweiten Steigung. Komme heran, überhole die Frau, erreiche den Mann. Er nimmt mich wahr, aber was er sieht, passt ihm wohl gar nicht. Jedenfalls beschleunigt er, ohne nach der Frau zu schauen, sie zieht mit.
Noch 1,5 km.
Gerade denke ich, lass die beiden mal ziehen, bleib im Windschatten, da bremst die Frau abrupt ab und wechselt von Trab auf Gang, sie kann nicht mehr. Der Mann merkt das erst mit Verzögerung, als er sich nach mir umdreht. Er schaut unwillig, kehrt aber dann um zu ihr.
Vor mir laufen noch weitere einzelne Läufer, doch ich spüre, weitere Überholungen sind heute nicht mehr drin. Ich höre bereits die Geräuschkulisse des Zielgeländes, halte meine Pace, kein Endspurt heute, ist alles ok so.
Ich laufe in den Zielkanal ein - wusch- da zischt neongelb doch glatt auf den letzten 10 Metern und mit letzter Kraft an mir vorbei! Aber auch egal. Ich habe meine Vorgabe für heute sowieso übererfüllt und bin sehr zufrieden. 54:05 zeigt die Uhr, ja, hätte wohl auch 53:59 sein können. Wie gesagt, die paar Sekunden vor der Startlinie. Aber Mensch, fiel da nicht gerade in China ein Sack Reis um...?
Und überhaupt, in diesem profilierten Gelände ist die Zeit nochmals höher zu bewerten.
Ich hole meine in der Turnhalle deponierte Jacke. Heidrun muss nun noch gute 2,5 Stunden auf ihren 28,1 km laufen ... Bei dem frühherbstlichen Wetter mache ich mich auf nach Hause.
Als akkustische Verabschiedung von dieser empfehlenswerten Veranstaltung nehme ich ein weiteres putziges Lied mit auf den kurzen Heimweg:
"Lebt denn der alte Holzmichel noch,
Holzmichel noch,
Holzmichel noch?"
"Jaaaaaaaa,
er lebt noch,
er lebt noch,
stirbt nicht."
19 Grad, 10 km, 54:05 (eigene Messung)/54:08 (nach Rangliste), (5:32 Min/km), heute mal ohne Pulsmessung. Rangliste: 90. von 139 (m+w), AK-Platz 3