Weihnachten ist dieses Jahr schon im August.
Es kündigte sich bereits ein wenig am Vortag bei der Startnummernabholung an. Ich treffe zufällig nach Längerem einen Laufbekannten wieder. Da mein Auto am Stadtrand parkt, bietet er mir an, mich bis dorthin mitzunehmen. Hätte ich gewusst, was er fährt, hätte ich mich weiter chauffieren lassen.
Wann hat man schon die Gelegenheit, bei wunderbarem Sommerwetter in einem französischen Halbcabrio mit seinem ganz unverkennbaren Knattersound die Aachener Straße sanft schwingend abzurollen, im nie verwirklichten Traum meiner frühen Führerscheinjahre?
Sprich, eine leibhaftige Ente in ihrem charmanten Watschelgang zu erleben?
Wenn das keinen Schwung gibt!
Der hält sich bestens bis zum Sonntagmorgen. Ich parke am Büro, kann dort den Komfort einer gescheiten und vor allem leeren Toilette nutzen und absolviere die 800m zum Start am Friesenplatz praktischerweise als Einlaufstrecke. Der Ringelauf startet in seiner 2. Auflage.
"Die Ringe" - damit meint der Kölner nicht den Autobahnring, sondern eine Straßenfolge entlang einer früheren Stadtgrenze. Eigentlich halbringförmig, da nur auf der linken Rheinseite, aber wie würde sich denn "Kölner Halbring" anhören? Viel zu nah an der früheren Kölner Halb- und Unterwelt, die in den Sechziger Jahren in diesem Areal aktiv war und Köln den Beinamen "Chicago am Rhein" einbrachte. Heute haben die Ringe teils Boulevardcharakter und ein großer Teil der nächtlichen Vergnügungsaktivitäten finden hier statt.
Hier also wird heute gerannt. Auf einem Rundkurs zwischen Rudolfplatz und kurz vor Mediapark, 2,5 km lang und demzufolge viermal zu umrunden.
Ein schönes Ambiente: Die Sonne lacht, einige versprengte Nachtvögel sind auf dem Heimweg, manche Bank am Wegesrand ist mit Gestalten und deren Habe in Plastiktüten belegt. In den Straßencafés sitzen Frühstückende. Ein kräftiger Wind weht durch die Straßen, der den Lauf sehr beeinflusst.
Der Start ist ein Stück vor dem roten Bogen. Wo genau, keine Ahnung, ich stelle mich einfach zum "Knubbel" dazu. (A propos: Knubbel ist -nicht nur, aber auch- eine Abteilungsbezeichnung bei den Roten Funken und es trägt auch ein Läufer eine selbstgenähte Karnevalskappe).
Knappe 500 Teilnehmer hat das 10-km-Feld. Hinterher wird es noch einen 5-km-Lauf geben. Ich treffe einen Schulkameraden zufällig im Gewühle wieder, zuletzt 1979 gesehen. Erkenne ihn aber auch nur deshalb, weil mir neulich jemand erzählte, der würde auch laufen, wenn er nicht anderer Leute Zähne richtet. Zudem stehen auf den Startnummern hilfreicherweise die Vornamen.
Los gehts und ich merke schnell, dass ich mich zu bescheiden hinten eingeordnet habe. Die ersten paar hundert Meter bis zum Wendepunkt am Rudolfplatz stecke ich in einem Pulk fest. Doch dann zieht es sich langsam auseinander. Hier ist schon tolle Stimmung, 2 Sambabands lassen die Trommelstöcke fliegen und liefern rhythmische Unterstützung. Mein V800 fliegt auch, hin und her zwischen 3'er und 7'er Zeiten. Die Straßenschlucht scheint ihn zu irritieren. Ok, das habe ich nun in Düsseldorf gelernt, dass ich mich an den KM-Schildern des Veranstalters orientieren muss. Nicht ganz einfach, wenn man sich aufs Laufen konzentrieren will und mein Kopf muss ganz schön Sortierung und Buchhaltung betreiben. Aber das soll mir heute auch egal sein, ich laufe, wie mir ist. Lustigerweise wird mir hinterher die Urkunde auf meinen 4 Runden 4 Zwischenzeiten zwischen 13:13 und 13:17 zeigen. Also extrem gleichmäßig, obwohl es mir nicht so vorkommt:
Die erste Runde gefühlt zu schnell.
Die zweite und dritte im "Das kannst Du packen"-Modus.
Die vierte im "Durchhaaaaalteeeen"-Kampf.
Aber immerhin, ich finde diesen 4-Runden-Kurs recht kurzweilig, weil überschaubar. Obwohl leider nur das eine Ende mit den beiden Sambabands beschallt wurde, auf dem längeren Teil der Schlaufe müsste man selber singen - hätte man dazu Atem. Die dritte angekündigte Band hatte wohl den Blues statt Samba und scheint nicht angetreten.
Beim Lauf frage ich mich, wie sie das hier sortieren, mit der Spitze, die sicher bald von hinten durch das Feld pflügen wird. Oder auch mit der Trennung von Durchläufern und Finishern.
Doch hier "es Kölle" und Kölsch ist nicht nur ein Getränk oder ein Dialekt, es ist auch eine Organisationsmethode.
Es gibt einfach mal kein Führungsfahrrad. Die Spitze muss sich selber durchwursteln. Was irgendwann auf meiner 2. Runde passiert, als -wuschschsch- drei Herren mit gezündetem Turbo an mir vorbeizischen.
Bald wird auch vor dem Zielbogen eine teilende Pylonenreihe aufgebaut und jeder muss nun selber entscheiden, wann er einbiegt.
Meine 4 Runden zu zählen, bekomme ich ganz gut hin, doch bald habe ich völlig den Überblick verloren, ob die Läufer um mich herum zeitgleich oder vor oder hinter mir liegen.
Ist auch eher zweitrangig, der Wind spielt heute die größere Rolle. An einigen Stellen kommt er sehr unangenehm von vorn. Und kommt er von hinten, geht sofort ein Teil seiner kühlenden Wirkung verloren. Wenigstens gibt es nur einzelne sonnige Stellen, den Schatten der vielen Bäume nimmt man bei der Wärme dankbar an.
Zugleich heißt es, auch immer mit ein wenig Blick nach hinten zu laufen, denn immer wieder wollen Schnellere vorbei, was ich ja verstehen kann, aber in Nichts auflösen kann ich mich auch nicht. Doch unterm Strich klappt das alles ganz gut. Kölle eben.
Die letzte Runde fühlt sich schwer an. Ich schnaufe und schnaufe. Im Kopf überschlage ich die mögliche Zielzeit. Sie müsste auf alle Fälle unter 55 Minuten sein (Vorgabe meines Trainingsplans: 57). Damit hätte ich bei der Erstaustragung dicke den 1. Platz meiner AK belegt. Und das motiviert natürlich! So nehme ich die Beine -bildhaft- in die Hände und zwinge mich nicht nachzulassen.
Endlich kann ich auf die Zielspur einbiegen.
53:03! Neue PB !! Eine Minute verbessert!!! Wenn das mal keine schöne Bescherung ist!
Im Ziel muss ich erstmal zu Atem kommen. Ich treffe den Entenchauffeur, der wohl auch ganz zufrieden ist.
Ich greife mir ein alkoholfreies Schaumgetränk, Marke Früh Sport, und gehe gemütlich Richtung Auto.
Kann dabei noch beobachten, wie die Sambabands auch die hinteren Läufer unvermindert anfeuern.
Durch ruhigere Nebensträßchen führt mein Rückweg.
Von fern grüßen die Domspitzen.
Ach, da blüht die kölsche Seele auf ...
Dialekt...
Getränk...
Organisationsmethode...
Jeföhl!
Auch wenn es mit dem 1. Platz der AK nicht geklappt hat (Eine Sub 50 hätte ich dazu benötigt), den 2. habe ich immerhin :-)
Prost Kölle!
25 Grad, 10 km, 53:03, (5:18 Min/km), 2. AK, HF 165
Liebe Elke,
AntwortenLöschenwow - gratuliere zur PB! :D Du bist ja schnell - gerade wenn man bedenkt, dass der Start nicht ganz wunschgemäß verlaufen war. :)
Bei deiner Entenfahrt hast du mir ein ganz langes, lautes "oooooch" entlockt. Hatte ich doch als erstes Auto für ein halbes Jahr eine wunderbar schaukelnde Ente, bis der Volvo von links kam und uns von der Straße fegte! :(
Liebe Doris,
Löschenja, so sollte es mal weiterlaufen jetzt ;-).
Du hattest mal eine Ente? Ach da werde ich neidisch. Ich war nur mal länger Mitfahrerin in einer Fahrgemeinschaft zu Studienzeiten, das war eine in laubfroschgrün. Ja, das waren noch Autos...
Danke und liebe Grüße
Elke
Genial, liebe Elke - tolle neue Bestezeit, tolle Platzierung! Herzlichen Glückwunsch zu beidem. Läuft bei dir, würd' ich sagen.
AntwortenLöschenDie Ente war ein richtiges "Kultauto" mit Charakter. Ich vermisse sie auf unseren Straßen, auf denen alle Kleinwagen bzw. alles SUVs gleich auszusehen scheinen. Neulich ist mir mal wieder so ein Entlein begegnet - einfach süß!
Liebe Grüße,
Anne
Liebe Anne,
Löschendanke Dir! Sollte jetzt mal so weiter laufen...
Was den nicht vorhandenen Charakter unser derzeitigen Autos angeht, stimmt ich Dir voll zu. Und überhaupt: Ente ist kein Auto, sondern ein Lebensgefühl!
Liebe Grüße
Elke
Das ist grandios! Herzlichen Glückwunsch zur neuen Bestzeit. Da geht noch was - und beim Marathon sowieso ;o)
AntwortenLöschenLiebe Lizzy,
Löschendanke Dir und ich finde auch, in München muss was gehen!!
Liebe Grüße
Elke
Neue PB bei Sonne und Wind! Herzlichen Glückwunsch! Das Kölner Organisationsprinzip gefällt mir gut - nichtmal grobe Anweisungen wie langsam links, schnell rechts wie's das bei uns manchmal gibt.
AntwortenLöschenHerzlichen Gruß!
Liebe Roni,
LöschenDanke Dir. Ich glaube, bei solch detaillierten Anweisungen würde hier ohnehin keiner zuhören, und wer's hört, vergisst es wahrscheinlich gleich wieder.
Liebe Grüße
Elke
Puh - da bin ich gleich 3x zusammengezuckt. Erstmal bei der Erwähnung des Wortes "Weihnachten", dann bei "Kölner Ringe" (da stecke ich nämlich IMMER mit dem Auto drin fest und verfahre mich und habe das Gefühl, NIE wieder rauszukommen...gruselig) und dann noch bei dieser fabulösen Zeit! Dreiundfuffzisch! Spitz-O-Meter und Chapeau!!
AntwortenLöschenLiebe Daniela,
Löschenoh, ich wollte Dich nicht mit dem Wort Weihnachten schocken...
Du hast Probleme auf den Ringen? Ich finde, da die so fächerförmig um die City liegen, sind sie doch ein guter Orientierungsrahmen. Sowas vermisse ich z.B. in Düsseldorf völlig und da verfranse ich mich regelmäßig.
Ja, war allerbestens gestern....danke Dir!
Liebe Grüße
Elke
Liebe Elke,
AntwortenLöschenGlückwunsch zur neuen PB! Da hast Du ja kräftig einen rausgehauen. Du liegst gut im Rennen, auch in Bezug auf das Marathontraining :-)
Der Wind war hier gestern übrigens auch sehr stürmisch. Ich fand es ganz angenehm :-)
Mein Entenerlebnis beruht leider nur auf einer einzigen kurzen Mitfahrt. Da hat der Fahrer seinen 2CV mit Absicht schön in die Kurven geschmissen. Ein krasses Gefühl, aber Enten fallen ja nicht um :-)
Liebe Grüße
Volker
Lieber Volker,
Löschendanke Dir! Ja, es läuft derzeit maximal gut, möge es mal so bleiben. Aber Du kannst Dich ja auch nicht beklagen ;-)
Ich hatte mal eine Enten-Grenzerfahrung als ich selber einmal eine eines Kumpels fuhr, gemütliches Landstraßentempo und wegen Hecken am Wegserand viel zu spät merkte, dass die Straße eine 90-Grad-Kurve machte. Also Lenkrad rumgerissen. Die Ente driftete wie bei einer Rallye um die Ecke, aber umgekippt ist sie nicht. Einfach klasse, die Dinger!
Liebe Grüße
Elke
Liebe Elke
AntwortenLöschenHerrlich, wenn alles passt! Den Schwung von der luftigen "Döschwo"-Fahrt hast du mitgenommen auf die vier Ringe-Runden, die erstaunlich kurzweilig schienen. Zu wissen, was einen erwartet, kann ja durchaus ein Vorteil sein!
Die Abwechslung vom Schieben und Kühlen des Windes war offenbar ideal, die Sambaband sorgte in regelmässigem Abstand für einen Energiekick, und im Sog der sich durch die Massen schlängelnden Spitzenläufer (die vielleicht über die Gesellschaft der Läufer im Mittelfeld weniger glücklich waren... ;-) bist du bis zum Schluss regelmässig wie ein Schweizer Uhrwerk gelaufen!
Herzliche Gratulation zur neuen 10er PB! Schön, wenn die sich die imTraining abzeichnende gute Form am Tag X auch offenbart.
Nun wünsche ich dir gute Erholung, und weiter viel Trainingserfolg, dass du das ganz grosse "Fass mit Schaumgetränk" dann in München aufmachen kannst!
Liebe Grüsse
Marianne
Liebe Marianne,
Löschendas war wirklich so ein Lauf, wo alles wie bestellt ablief, wie man es sich wünscht. Aber das das Wünschen nicht immer hilft und Bestellungen erst recht nicht funktionieren, muss man ja auch immer erleben.
Es wäre wirklich zu schön, wenn es weiter zu gut liefe und in München dann Siegestrunk und Finisherfreude zusammen kämen!
Danke und liebe Grüße
Elke
Danke für die Fremdsprachenlektion! Ich habe heute "Knubbel" gelernt!
AntwortenLöschenUnd natürlich herzlichen Glückwunsch zur pB-garnierten AK-Platzierung, toll!
Oh, ich dachte in Deiner Region ist "Knubbel" noch ein gebräuchlicher Begriff.
LöschenGern also diese Erläuterung und Danke! Der Vorteil der spätberufenen Läufer ist ja, dass man immer noch Verbesserungen erzielen kann, während die "alten Hasen" eigentlich permanent gegen die abfallende Kurve kämpfen...
Liebe Grüße
Elke
WOW! Da hauste einen raus das einen die Spucke wegbleibt. Darauf am besten gleich noch mal so n Alkfreies ;)
AntwortenLöschenHallo Markus,
Löschennun übertreib mal nicht. Die Jungspunde waren natürlich alle schneller, aber für meine AK war ich da schon zufrieden. Genau, darauf ein erfrischendes Kölschimitat ;-)
Liebe Grüße
Elke
Hey Elke,
AntwortenLöschendas nenn ich aber mal ein siegreiches Wochenende. PB und 2. der AK? Sehr, sehr schön. Und das alles unter kölschen Bedingungen. Ich bin begeistert.
Wir waren Sonntag Abend auch noch in der Stadt und der Wind wehte bis ca. 20.00/21.00 Uhr wirklich sehr kräftig. Ist doch irre, dass Du das trotzdem so toll geschafft hast.
Hach.. ich liebe BP-Berichte und ich liebe Köln. :-)
Gruß
Anja
Liebe Anja,
Löschenach es war auch einfach ein richtig schöner Tag. So ein Sommersonntagmorgen in der Stadt, wenn et Sünnche schink, das hat was. Der Wind war zwar etwas nervig an einigen Punkten, aber es hat ja dennoch gut geklappt.
Liebe Grüße
Elke