Sonntag, 27. Juli 2025

6-Stunden-Lauf Bönen 2025

Untertitel: 

Wie ich ungeahnt zu einem Mehr-als-Marathon kam

Der liebe Oliver lag mir in den den Ohren und schwärmte vom 6-Stunden-Lauf in Bönen. So etwas hatte ich noch nie gemacht, es klang spannend und es wäre mal ein neues, unbekanntes Terrain. Andererseits, ich bin so gar nicht im Training, und ein Lauf im Juli könnte heiß und damit schwierig sein. Ich warte bis zum letzten Tag der Online-Anmeldung, der Wetterbericht scheint gnädig, und so melden wir uns kurzentschlossen an, können auch noch Heidrun zum Lauf überreden.



Die Strecke besteht aus einer 1,34 km langen Runde um einen ehemaligen Förderturm der Zeche Königsborn, einen imposanten Bau, über dessen Geschichte auf Infotafeln berichtet wird. Wo früher Bergbaugebäude standen, erstreckt sich heute ein kleines Wildwiesenareal mit Rad- und Wanderwegen.



Der Turm -rechts- in früherer Umgebung
Wir sind früh vor Ort, ab 7 Uhr wird sogar Frühstück gereicht! Lockere Stimmung, die Luft ist mild, bei knapp 20° versteckt sich die Sonne dann und wann hinter Wolken.



Überhaupt, die Verpflegung verdient allerhöchstes Lob. Schnittchen, verschiedene Getränke, Süßes und Salziges, Milchreis und Nudeln, sogar vegane Varianten! Zu Laufende wird sogar der Grill mit Bratwürsten (auch hier vegane Wahl möglich) angeschmissen.👍
Prima finde ich auch die Plastikreduzierung. Drinnen hat jeder sein Becherchen, gemäß Startnummer kenntlich. An der Strecke ebenfalls wiederverwendbare feste Becher, die dauernd gespült und neu bereitgestellt werden. Noch ein Lob obendrauf!👍
Ach und richtig gute, saubere Toiletten müssen auch erwähnt sein!👍


Es gibt ein kurzes Briefing, die Cheerleader machen sich startklar, nette Geste. 



Und dann geht es schon los auf die Strecke. Hier ein paar Eindrücke. Nach Start/Ziel folgt ein erster kleiner Anstieg auf eine Anschüttung, die gleich Distanz bald wieder abwärts.



Flach weiter, bevor ein längerer Anstieg erklommen sein will, der dann natürlich die gleiche Höhe wieder abwärts gemütliches Rollenlassen ermöglicht. Und schon kommt wieder der Turm in Sicht, den man nach kurzem Bogen dann auch erreicht.




An Start/Ziel werden live die aktuellen Zwischenzeiten gezeigt, prima. Und natürlich stehen Speis und Trank bereit.


Und so geht's ins Abenteuer. Ich habe mir einen Halbmarathon vorgenommen. Und dann mal schauen. Nach einer Stunde ein weiteres nettes Gimmick: Zu jeder vollen Stunde erschallt das Steigerlied. Als Kind einer Bergbauregion, wenn auch im Tagebau, erfreut das mein Herz:


Ich bin emsig dabei, mein Tempo niedrig zu halten, schaue, dass ich immer hinter langsamen Läufern bleibe. Bis es mir dann doch zu langweilig wird und ich ein Stück in dem Tempo laufe, nach dem mir ist. Wir nicht anders zu erwarten, überrundet mich Oliver bei km 3,9 zum ersten Mal, viele weitere werden folgen. Aber der ist auch in einer anderen Liga unterwegs. Ab km 5 nehme ich meist ein paar Schluck Wasser zu mir, habe mir extra meinen Quetschbecher mitgenommen. 
Wie nicht anders erwartet, wird es ab km 15 dann schon schwerer. Heidrun ist mir längst davongedieselt, Chris sowieso. Aber egal, jeder muss hier in seinen Schuhen laufen.
Das Steigerlied ist zum zweiten Mal erklungen, und ich nähere mich meinem Minimalziel. Wunderbar!
Bei rund 2:22 Stunden erreiche ich meine 21,1 km. Toll. Ich gönne mir etwas mehr Verpflegung. Leckere Erdbeeren und Melonenstückchen lachen mich an und tun gut. 


Für den Fall, dass ich keine Lust mehr hätte, habe ich mir eine Strandmatte eingepackt, um bequem auf die anderen zu warten. Aber die bleibt ungenutzt. Ich kann doch erstmal noch weiter traben, genauer gesagt gehtraben. Denn an den beiden Anstiegen will ich keine Energie ins Trippeln verlieren und gehe lieber.
So kommt Runde zu Runde, ohne dass ich das richtig steuere. Warum sitzen bleiben, wenn andere weiterlaufen. Und es fällt mir etwas Entscheidendes auf: Dass mir nämlich nichts auffällt. Denn der Magen ist völlig ruhig, kein Vergleich mit anderen Läufen. So kann ich auch gut trinken, und daher immer weiter vorankommen.


Irgendwann gegen km 30 brauche ich doch mal eine längere Pause. Lustig, da erwische ich Chris und Heidrun, wie sie schwatzend vorbeigehen. Na da schließe ich mich doch an!


Zu dritt marschieren wir weiter, bis wohl das Cola-Koffein seine Wirkung tut, und es mich zum traben treibt. Verrückt, wie es plötzlich wieder munterer läuft. 
Viele gehen inzwischen, völlig nachvollziehbar. Ich bewundere einige, die trotz erheblicher Leibesfülle oder höheren Alters hier einen Wahnsinnswillen beweisen und das leisten, was sie können.


Inzwischen ist es ziemlich warm geworden. Am Verpflegungsstand findet sich ein segensreiches Utensil: Eine Dusche! Da steckt man gern mal den Kopf drunter und holt sich eine Abkühlung. Die gibt es auch in anderer Form: Immer wieder stehen freundliche Helfer an der Strecke und verteilen Wassereis! Die Wirkung zum inneren Abkühlen ist grandios!


Und noch ein nettes Gimmick: Ein multifunktionaler Motivationskarton unterwegs hat je nach Stand des Rennens andere Sprüche auf Lager:




Die  Zeit verrinnt irgendwie. Mir kommen die ersten 2 Stunden genauso lang bzw. kurz vor, wie die hinteren 4. Inzwischen haben die Steiger mehrfach ihr "Glück auf" erschallen lassen und Oliver mich auch öfter überrundet. Manchmal sehe ich Chris' leuchtendes Shirt irgendwo oder Heidrun. Oft zur rechten Zeit hörte ich aufmunternde Klänge, "An Tagen wie diesen", "Auf das was da noch kommt", "Jump". 
Die 30 km liegen weit hinter mir, ich kann es kaum fassen. Irgendwie zieht es einen doch immer weiter, noch ein Ründchen und noch eines und noch eines. Es ist deutlich wärmer inzwischen und der bisher kühlende Wind hilft auch nicht mehr viel. Ohne groß nachzudenken bewege ich mich, überschlage, was noch gehen könnte bis zur vollen 6. Stunde, muss aber feststellen, dass Mathematik bei Hitze nicht zu meinen Stärken gehört. Ach, mache ich doch einfach weiter, mal gehen, mal traben. Nach 5,5 Stunden wird mir klar, dass ich die Marathondistanz schaffen werde und sogar noch ein wenig drüber.
Ab 5:45 Stunden werden die Läufer angehalten, den Markerstein mit ihrer Startnummer mit auf die Strecke zu nehmen, den sie in dem Moment des 6-Stunden-Signals an ihrer aktuellen Position fallen lassen sollen. So werden die Restmeter der letzten Runde messbar. Es reizt mich sehr, auch diese letzten Meter mitzunehmen, aber ich merke, dass jetzt mein Tank unwiderruflich leer ist. Ich bin fertig, ganz und gar, will nun auch nicht mehr über die spürbare innere rote Linie gehen. So lasse ich es bei 42.880 offiziellen Metern und labe mich, freue mich mit denen, die auch noch die letzten Minuten nutzen.
Ich bin 26. Frau von 64, unglaublich. Und hätte ich auch nur ein paar Meterchen mehr gemacht, wären das gleich mehrere Plätze gewesen. 
Chris kommt auf 47.499 Meter, Heidrun auf 46.161 Meter, super gemacht! Und Oliver reißt natürlich noch mehr runter, worüber er selber berichten wird.


Ich frage mich, ob ich damit gar einen Ultra geschafft habe und konsultiere das Netz. Die einen sagen, alles über Marathon, also mehr als 42,195 km, erfülle dieses Kriterium. Andere fordern, es müsse schon deutlich mehr sein.
Auch wird nach anderer Meinung auf die Zeit abgestellt. Danach sei ein Ultra alles ab 6-Stunden-Lauf aufwärts. Wenn also jemand bei einem solchen Lauf beispielsweise 20 km absolviert, wäre das dann auch ein Ultra? In Bönen ist die kürzeste gelaufene und gelistete Distanz 9,3 km.
Nun denn. Ich habe definitiv ungeplant einen Marathon absolviert und mit dem Rest wird es für mich zu einem persönlichen Minimal-Ultra. Und nächstes Mal laufe ich auch noch ein paar Restmeter mehr. 😊
Daheim entdecke ich eine Blase am linken Rand der rechten großen Zehe, seltsam, noch nie da gewesen. Die komplette Ermattung hingegen ist altbekannt und gehört einfach als Souvenir am Folgetag dazu. 😉😄
Der Bönener Lauf ist wirklich eine feine Sache. Glück auf!

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