Traumhaftes Wetter am Freitag bei der Startnummernausgabe in Interlaken - alptraumhafte Wettervorhersage für den Wettkampftag. Wir können kaum glauben, was wir am nächsten Tag dann wahrhaftig erleben müssen.
Zum dritten Mal seit 2015 wird mein eidgenössischer Ehemann diesen anspruchsvollen Lauf (1.800 Höhenmeter) angehen, Lauffreundin Heidrun möchte nach ihrem enttäuschenden Erlebnis 2016 die Rechnung begleichen. Doris und meine Wenigkeit ein weiteres Mal in der Rolle der Sherpas.
Das Teilnehmergeschenk für die Läufer anlässlich des 25. Jubiläums der Veranstaltung ist ein durchaus tauglicher Laufrucksack. Die Feuerprobe beim Lauf besteht das Teil am Folgetag mit Bravour.
Das Finishershirt, in diesem Jahr Langarmversion, gibt es natürlich erst im Ziel.
Wir werfen noch einen Blick auf einige kurze Vorläufe. Dann geht es ab zu unserer privaten Pastaparty im kleinen Kreis.
Der Morgen des großen Tages, am Bahnhof Interlaken-Ost. Mir springt ein Plakat der Kleinen Scheidegg ins Auge, dem Ziel des Laufs. Welch ein Motiv für unsere beiden Starter!
Die Vorfreude, ich greife mal soweit vorweg, wird später purer Freude weichen...
Es ist kalt, weswegen Heidrun einen kleinen Lendenschurz in Plastikschick angelegt hat. Doris und ich werden den Start nicht verfolgen. Es sind im Jubiläumsjahr noch mehr Teilnehmer dabei als sonst. Was ein noch größeres Chaos in den Zügen für uns Supporter bedeutet. Wir gehen auf Nummer sicher und wählen eine frühere Bahn um ganz bestimmt unsere beiden Läufer in Lauterbrunnen zu erwischen.
Wir erreichen gut unseren Stammplatz vor der Gemeindeverwaltung und schon 1:07 Std nach dem Start sehen wir hier bei knapp km 20 den zu diesem Zeitpunkt Führenden.
Und dann setzt auch bereits die erste Prophezeiung des Wetterberichts ein: Regen.
Doch wir sind gewappnet, ich weihe mein Wanderer-Regencape ein, das sogar einen "Buckel" für den Rucksack hat.
Chris kommt 10 Minuten vor seinem Zeitplan an. Die von ihm für hier bestellte Cola ohne Kohlensäure will er noch nicht haben.
Während das Feld eine knapp 5 km lange Schleife hinter Lauterbrunnen läuft, wechsle ich den Standort, um erneut Cola bereit zu halten.
Doris wartet weiter auf Heidrun, die gemäß ihrem Zeitplan ca. 30 Minuten später am Gemeindehaus eintrifft. Sie hält sich strategisch an den 6:30-Pacemaker und sieht gut aus, besser als 2016.
Wie man unschwer erkennen kann, ist das Wetter ein solches für Regen- und Kälteliebhaber.
Hier hätte ich gern die Kuhglocke zur Hand, die uns unsere Vermieter aus ihrem Stallbestand freundlich zur Verfügung stellten. Das Feld wird gleich die Wengener Wand gehen und gern würde ich noch etwas "Drive" mit auf den Weg geben. Doch leider war kein Platz für das gute Stück im Rucksack. Und wenn, hätte ich jetzt einen Hörschaden. Als ich nach einer "kleinen" Glocke fragte, erhielt ich 2 etwa Teekannengroße Exemplare. Toller Klang, laut, ziemliches Gewicht. Gefreut hätte es manche Läufer wohl noch mehr, als das kleine Bimmelchen, das ich stattdessen dabei habe.
Chris kommt munter angelaufen und nimmt nun die bestellte Cola mit.
Während er dann wie die anderen auch hier zur Wand schwenkt (die übrigens auch akkustisch wie optisch mit "The Wall" von Pink Floyd garniert wurde), eile ich zum Bahnhof. Mein Auftrag lautet, erneute Cola-Anreichung auf der Wengener Alp, ca. 5 km vor dem Ziel.
Dem steht entgegen: Das Transportproblem.
Kurze Erläuterung: Es sind rd. 5.000 Läufer dabei, jeder hat mindestens eine Begleitperson. Und letztere wollen hoch zur weiteren Strecke (die Läufer machens ja bergauf laufend). Zusätzlich zu den vielen anderen Touris aus aller Herren Ländern. Zu Fuß geht nicht, da laufen ja die Läufer. Laut Fahrplan startet alle halbe Stunde ein Zahnradbähnlein der Wengernalpbahn auf die überwiegend einspurige Strecke. Und dieser Takt wird nicht verändert. Punkt. Wohl sind 2 Bähnlein hintereinander möglich.
Man hat in diesem Jahr den Bahnhof abgesperrt und alle müssen durch einen einzigen Zugang. Dort werden die Fahrgäste gezählt und nur soviel aufs Gleis gelassen, wie das Bähnlein mitnehmen kann.
Ich gelange nach 40 Minuten Warten in ein älteres Exemplar mit putzigen Holzsitzen. Das dann auch irgendwann losrollt.
Bis dahin gelingt noch ein Foto von den Läufern, die dann doch eher Geher sind, auf ihrem Weg die Wengener Wand hinauf.
Während der Fahrt sind ein paar Schnappschüsse der Marathonis möglich, soweit es Nebel und Regen zulassen.
Ich weiß nicht, ob ich Mitleid haben soll oder Bewunderung. Beides ist angebracht, bei diesen Bedingungen. Auf Rufen und Winken aus dem Zug wird aus dem Feld zurückgewunken. Das nenne ich Sportsgeist der wettergeplagten Gipfelstürmer!
Als ich es in Wengernalp aus der proppenvollen Bahn schaffe, sehe ich vor mir eine bekannte Gestalt gehen... Doris, die doch erst viel später nach mir zum Bahnhof in Lauterbrunnen kam! Sie musste nur 5 Minuten anstehen und dann überholte ihre Bahn die meinige auch noch unterwegs, die Welt ist ungerecht! Aber ich will nicht jammern, wir hatten immerhin 45 Minuten im Trockenen...
Wir hasten zur Strecke, denn bis zu Chris' geplanter Ankunft ist es knapp, und wenn er immer noch vor seinem Zeitplan liegt, kann es sogar eng werden. Die Läufer schälen sich aus dem Nebel, durch und durch nass bis auf die Haut. Aber wer bis hier kam weiß, er hat fast 38 km geschafft!
Nach wenigen Minuten kommt Chris, doch er ist so mit seinem Lauf beschäftigt, dass er uns trotz läuten und rufen zunächst nicht wahrnimmt. Er liegt weiterhin vor seinem Plan, die Cola braucht er nicht mehr.
Hier noch ein Vergleichsfoto, gleiche Stelle, 2016.
Während Doris auf Heidrun wartet, mache ich mich auf zum Zielbereich auf der Kleinen Scheidegg. Kurz kann ich noch einen Blick auf die Ameisenstraße werfen, als der Nebel vorübergehend ein Fenster öffnet.
Ich habe etwa 35 Minuten Anstieg zu Fuß vor mir und schnaufe mich hoch.
Von Ferne höre ich die Alphornbläser, die die Läufer an der Strecke erwarten. Später wird mir Chris berichten, dass sie wetterbedingte Notunterkunft beim Sessellift hatten, und nicht am gewohnten Standort musizierten. Auch höre ich näher kommend Zielgeräusche, Ansagen, Anfeuerungsrufe.
Und überhaupt, welch eine prachtvolle Aussicht hier!
Naja, zumindest vor meinem inneren Auge...
Vergleichsfoto von 2015:
Ich nutze kurz vor der Kleinen Scheidegg das Fenster einer Bahnwerkstatt für ein Selbstportrait. "Sherpa im Regen, frierend" wäre mein wenig origineller Titelvorschlag.
Aber es bleibt keine Zeit für langes Verweilen. Ich bin doch gespannt, wie und wann Chris ankommen wird!
Nur noch Zeit für einen sehr nötigen Gang in die saubere (!) Sanitäranlage der Bahnstation muss sein. Und für ein Foto dieses Piktogramms.
Ich rätsele immer noch, warum man volle Klopapierrollen ins WC werfen soll...
Oben angekommen. Ein endloser Strom von Finishern kommt vom Nachzielbereich. Zwar werden Plastikmäntel, sogar mit Kapuze, ausgegeben. Doch inzwischen ist es grauslig hier oben. 3-4°, Regen versetzt mit ersten Schneekristallen, teils Wind. Manche Läufer sind zwar noch voller Glückshormone und scheinen das Wetter gar nicht wahrzunehmen, doch viele eilen nur in Richtung Kleiderbeutelrückgabe, manche frieren sichtlich.
Auch mir ist längst nicht mehr warm, trotz vermeintlich wärmender Kleidung. Die Feuchtigkeit kriecht unaufhaltsam in die Knochen.
Wie müssen sich da nur diejenigen fühlen, die immer noch auf der Strecke sind? Doch dazu gehört Chris nicht mehr, er hat sein Zeitziel unterboten mit 5:25 Std., und war damit 25 Minuten besser als bei seiner Premiere! Rasch nimmt er die mitgebrachten Utensilien und Wechselkleidung und geht duschen. Immerhin - warmes Wasser! Doch dann bibbern wir gemeinsam um die Wette, nichts hilft gegen die Kälte. Wir beschließen daher, nicht auf Heidrun zu warten und die wartende Menschenmenge zur Talbahn zu bereichern. Das braucht wieder Nerven, denn hier kommen erneut Läufer, Begleitpersonen und normale Touris zusammen. Wir haben relatives Glück und müssen nur etwa eine Viertelstunde im Regen stehen, bevor wir nach dem Gerangel vor dem Gleis im ungeheizten Bähnlein sitzen dürfen. Nach einer weiteren Viertelstunde geht es abwärts, aber wärmer wird uns davon auch nicht.
Doch wir haben vorgesorgt und im Auto eine warme Decke bereit gelegt. In die wickeln wir uns auf der Rückbank sitzend ein, bis die beiden Mitstreiterinnen nach einer guten halben Stunde ebenfalls eintreffen. Unser Anblick sorgt für große Erheiterung, aber immerhin spüren wir schon wieder ansatzweise Wärme im Körper.
Heidrun darf ebenfalls einen Erfolg vermelden. Nachdem sie sich am 6:30-Pacemaker orientierte, hat sie ihn schließlich aus Gründen zu großer Langsamkeit abgehangen und ihren Weg allein gemacht. Ihre Trainingsvorbereitung und Laufausdauer wurden mit 6:23 Std. belohnt. Und wäre nicht der Stau bei der Moräne gewesen, und das letzte Stück des Weges so glitschig, wäre die Zeit noch besser gewesen.
Jedenfalls dürfen beide stolz auf das Geleistete sein. Wie überhaupt jeder, der an diesem Tag bei diesen Bedingungen durchgehalten hat! Meins wäre es nicht gewesen, aber ich bin ja auch aus Weichholz geschnitzt ;-)
Die Siegerzeiten waren übrigens 2:56 Std. bei den Herren und 3:12 Std. bei den Damen.
Und ein wunderschönes stimmungsvolles Video gibt es hier zu sehen:
Respekt für diese Leistung. Vor allem bei den Bedingungen.
AntwortenLöschenWobei, wahrscheinlich läuft man da unterbewusst schneller um schneller im Ziel zu sein :)
Lieber Markus,
Löschenden Gedanken hatten wir auch, dass allein der Wille, endlich anzukommen, einen anspornt. Aber sicherlich war auch die bloße Abwesenheit von Hitze ein kleiner Beschleunigungseffekt.
Liebe Grüße
Elke
Wow, da haben sich die Beiden aber jetzt Ruhe mit Wärme verdient. Oder Umgekehrt :-)))
AntwortenLöschenDer Nachteil an den Bergen: Wenn es Sauwetter gibt wird es gleich immer so kalt.
Da gehört schon jede Menge Disziplin und Durchhaltevermögen dazu, das dann durchzuziehen.
Meinen Glückwunsch an beide :-)
Cool finde ich deinen Bildervergleich von 2016 und jetzt :-)
Liebe Grüße
Helge
Liebe Helge,
Löschenunsere beiden Helden waren sogar schon am Sonntag wieder quietschvergnügt und keinesfalls groß erholungsbedürftig. Ja, das Wetter in den Bergen und seine Tücken kennst Du auch, ich musste an Dein jüngstes Erlebnis denken!
Liebe Grüße
Elke
Ha, genau, bei uns war es Freitag vor dem Wettkampf ebenfalls wunderschön und sonnig. Und dann kam Regen und Kälte :-|
LöschenAnderum wäre besser, aber wir sind ja keine Weicheier :-)))
Der Vorteil vom bergauf laufen: die Beine tun einem einfach nicht weh in den Tagen danach :-)
Nein, Weicheier sind die sicher nicht, die so etwas angehen, ob laufend, schwimmend oder radelnd! ;-)
LöschenGlückwunsch den beiden Finishern!
AntwortenLöschenIch denke, es geht nicht um volle Klopapierrollen, sondern um das benutzte Toilettenpapier, das in unseren Breiten in die Toilette, und nicht in den Abfall-Eimer gehört. Im Süden ist das ja genau andersherum.
Aha, wieder was dazugelernt in puncto Toilettennutzung international. Ein Piktogramm finde ich ja auch schon einmal besser als Text, nur die volle Rolle irritiert mich.
LöschenGlückwünsche werden gern weitergereicht!
Liebe Grüße
Elke
Liebe Elke, ich bin wieder mal geflasht von deiner Art zu erzählen und immer noch ganz kribbelig.
AntwortenLöschenWOAAAAH, HAAAAAA_MAAAAAA! Herzlichen Glückwunsch ab die beiden Finisher, alles Liebe, Irina
Liebe Irina,
Löschenvielen lieben Dank! Ja, der ganze Tag war ziemlich kribbelig...
Liebe Grüße
Elke
Liebe Sherpa,
AntwortenLöschenwow, was für ein beeindruckender Bericht. Und deine Bilder unterstreichen den besonderen Charakter dieses Laufs ganz wunderbar!! Besonders Nummer 8 und 10 finde ich ganz toll. Die Idee, die Schönwetterbilder der Vorjahre einzustreuen ist herrlich! :D
Herzliche Gratulation an Chris und Heidrun und große Hochachtung vor der logistischen Meisterleistung der beiden Sherpas!
Und die Tafel mit dem Klopapier hätte ich gleich, wie das Pulsmesser gedeutet.
Liebe Doris,
Löschenja der JMT ist schon ein ganz spezielles Ereignis! Gern hätte ich mehr Fotos gemacht, aber die große Kamera hatte erstens keinen Platz mehr im Rucksack und zweitens bei dem Wetter hätte ich sie auch nicht nutzen wollen. Inzwischen sind wir Sherpas ja ansonsten schon routiniert ;-)
Glückwünsche werden gern weitergereicht!
Liebe Grüße
Elke
Beim Lesen hab ich mich irgendwann gefragt, für wen von euch die Aktion zermürbender war, für die Läufer oder für die Supporter :-) Läufer haben den Vorteil sich zu bewegen und dadurch warm zu bleiben (Glückwunsch an die Finisher!), für euch Begleiter dürfte das aber eine gehörige Herausforderung gewesen sein. Hoffentlich kommt ihr ohne Erkältung davon!
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Oliver
Lieber Oliver,
Löschenganz sicher hatten die Läufer die größere Leistung zu vollbringen, wobei beiden das schlechte Wetter gar nicht so auffiel, nur beim Stau gegen Ende (wenn einer stehenbleibt, können die anderen kaum vorbei, weil es der Weg nicht zulässt) mussten sie frieren. An einer Erkältung scheinen wir alle vorbeigekommen zu sein :-)
Liebe Grüße
Elke
Liebe Elke,
AntwortenLöschenda haben ja Läufer und Supporter echt dicke (Wetter-)Bretter gebohrt. Mein allergrößten Respekt! Wobei das Wetter Doris und Dir sicher noch mehr zugesetzt hat.
Herzlichen Glückwunsch an die beiden Finisher zur grandiosen Leistung!
Liebe Grüße
Volker
Lieber Volker,
Löschennun ja, wir hatten alle unser Kreuz zu tragen an dem Tag. Die Läufer konnten sich zwar laufend wärmen, doch beim Stau vor dem letzten Anstieg (Strecke erlaubt nur hintereinander zu gehen)haben sie dann auch arg gebibbert.
Danke und liebe Grüße
Elke
Liebe Elke,
AntwortenLöschenvielleicht kann ich mich da nicht so richtig reinversetzen, aber ein Lauf bei kalt und Regen erscheint mir einfach wunderbar und einfacher als Sonne. Trotzdem den beiden ganz herzlichen Glückwunsch.
Als Sherpa jedoch, brrr, da hast du ja ganz taper durchgehalten! Gab es diesmal keinen Schuhwechsel? Und gibt es keine Cola bei den Verpflegungspunkten? Das würde dir das Sherpaleben doch erleichtern. (Die Kohlensäure ist nach ein paar Laufschritten ja rausgeschüttelt.
Liebe Grüße!
Liebe Roni,
Löschendie beiden Läufer geben Dir recht. Sie empfanden den Lauf als weniger witterungsschlimm, als es dem Zuschauer erscheint. Sie waren ja gut in Bewegung. Wir Supporter überwiegend auch, bis zum Zielgelände habe ich nicht gefroren. Doch dann kam der Abschnitt, bei dem sich die Läufer stauten und Zwangspause hatten. Das empfanden sie dann doch als unschön.
Kein Schuhwechsel wegen des Regens. Mein Mann lief von Beginn an in Trailschuhen. Mit nassen Socken hätte ein Wechsel schwierig sein können, und es war für ihn auch gut so. Die Cola setzt er immer schon am Abend vorher in einem offenen Gefäß an, damit sie richtig "labberig" ist. Und so bekommt er sein maßgeschneiderte Getränk angereicht und muss nicht an den V-Punkten schauen.
Liebe Grüße
Elke