Donnerstag, 31. August 2017

Klatschmarathon zum UTMB (TDS)

Ausnahmsweise laufen wir nicht selber, sondern schauen einem beeindruckenden Event zu. Dem "Sur les Traces des Ducs de Savoie" (TDS), einem Vorlauf im Rahmen des "Ultra-Trail du Mont-Blanc" (UTMB). Während letzterer mit 171 km einmal den Mont-Blanc umrundet, ist der TDS eine kürzere Version, von Courmayeur nach Chamonix, über 118 km mit 7.223 Metern hinauf und 7.407 Metern bergab.
Um Lauffreund Nile an der Strecke anfeuern zu können und überhaupt eine solche Veranstaltung aus der Nähe zu erleben, nehmen wir 4 Stunden Autofahrt und 43 EUR Maut (PKW-Tarif) für den 11 km langen Tunnel unter dem Mont-Blanc gerne auf uns.

Am Kleinen St. Bernhard (2.188 Meter Höhe) wollen wir uns treffen, den wir im Morgendunst erreichen.
Es starteten 1.818 Teilnehmer um 6 Uhr zum TDS. Sie haben für das Wagnis Zeit bis zum Folgetag um 15 Uhr, also 33 Stunden.
Wir suchen uns einen Platz oberhalb des Lago Verney. Irgendwo dort unten werden die Läufer auftauchen. Wir schnappen Gesprächsfetzen auf, dass die Führenden in wenigen Minuten zu erwarten sind.

















Wir befinden uns an Streckenkilometer 35,9 und die Ankommenden haben zudem schon 2.500 Höhenmeter in den Beinen. Nach knapp unter 4 Stunden kommt der erste Läufer.
Ich greife kurz vor: Er wird die Führung über die nächsten 82 km nicht mehr abgeben und nach 14:33 Std. das Rennen rechtzeitig zum Abendessen beenden... Aber so locker, wie der hier oben ankam, ist das fast kein Wunder.



Wir haben Glück mit dem Wetter und es klart auf, so dass wir das phantastische Panorama bewundern können.
Dort unten hinten am See tauchen die Läufer als winzige bunte Punkte im Grün der Alpweiden auf und bewegen sich entlang des linken Seeufers...







... bevor sie den Anstieg zum letzten Stück auf die Passhöhe auf schmalen Pfaden nehmen müssen.
Nach den drei Führenden kommen zunächst nur einzelne Läufer.
Ein großer Unterschied zu Flachlandläufen. Ein richtiges "Hauptfeld" gibt es nicht. Nur die Frequenz auf der "Ameisenstraße" nimmt etwas zu.





Zunehmend kommen dann Läufer in Gruppen an. Jedoch lässt das Gelände nur "Entengang" zu.




Eine größere Gruppe Schaulustiger, Freunde und Familien von Teilnehmern hat sich hier oben versammelt. Jeder wird mit Applaus und teils Glockentönen empfangen.
















Nur vereinzelt kommt es zu echten Staus, wenn ein Vordermann langsamer ist als seine Verfolger. Doch man merkt den meisten an, dass sie schon arge Strapazen hinter sich haben und kaum böse wegen einer kleinen Pause sind.

In den Gesichtern kann man lesen wie in Büchern...
Da sind die, die sich einfach freuen, den Pass erreicht zu haben und das mit einem Strahlen zeigen.
Da sind die, aus deren Augen die stille oder gequälte Dankbarkeit spricht, die Anstrengung diesen Anstiegs nun absolviert zu haben.
Manche müssen sich schon schwer auf ihre Stöcke stützen, um den letzten Rest hier hinauf zu schaffen.
Viele sind gezeichnet von dem bisher Geleisteten.
Fast alle gehen, doch manche legen aus Freude über den tollen Empfang hier oben ein paar Laufschritte ein.
Ein Franzose hält begeistert eine Ansprache ans Publikum. Da die Zuschauer ja die Läufer dank der Vornamen auf ihren Laufnummern mit Namen ansprechen können, gibt der Franzose zurück: "Hey, ich kenne Euch alle! Marie, schön, dass Du da bist! Jean, schön Dich zu sehen! Francois (gemeint ist mein Mann) Du bist auch da!" usw. Woher der noch die Energie für so etwas nimmt.... und munter trabt er weiter.
Ich erinnere mich an einen Amerikaner, der mit Strohhut, Karohemd und Wanderbermudas vor sich hin trottet. Und überhaupt, die Nationen! Jeder hat seine Landesflagge klein auf der Startnummer. Wir erkennen natürlich viele Franzosen und Italiener. Bemerkenswert viele Spanier, Portugiesen, Chinesen, Japaner, Briten. Deutsche, Schweizer und Österreicher erstaunlich wenig. Aber welche Fahnensymbole man nicht alle sieht: Estland, Litauen, Slowakei, Tschechien, Russland, Israel, Südafrika, Brasilien, Venezuela, Türkei, Neuseeland, und und und. Leider hatte ich keinen Notizblock dabei. Sogar einen Nepalesen sahen wir!

Sie alle möchten wir am liebsten mit unserem Anfeuern wieder mit frischer Energie betanken - wenn das so leicht wäre.
Und so freuen wir uns über jedes kleine Lächeln, dass wir einem Teilnehmer ins Gesicht zaubern können. Das baut sie hoffentlich ein wenig auf. Mancher sagt oder murmelt ein "Merci" oder gibt einen kleinen Applaus zurück. Vor allem einige Japaner und Chinesen deuten sogar eine Verbeugung an.
Manche sind so in sich versunken, dass sie kaum wahrnehmen, was um sie herum geschieht.
Wir sind voller Hochachtung für die Leistung, die sie alle bis hierher gebracht haben und voller Respekt, für das, was sie noch vor sich haben! Bei einigen machen wir uns allerdings schon jetzt Sorgen...

Unser Freund Nile hatte uns schon von unterwegs gesmst, dass er an unserer Position aussteigen wird, er hat Probleme mit der Nackenmuskulatur, die ihm Abwärtslaufen kaum ermöglicht.
Nachdem wir 3,5 Stunden fleißigst geklatscht haben, bis die Hände rot sind (was mir allerdings deutlich kürzer vorkam), kommt er an.
Wir genehmigen uns ein kühles Erfrischungsgetränk, bevor er zu seinem Shuttlebus geht. Auch wenn ein solcher Abbruch sicher nicht das Ziel seiner Teilnahme war, so hat er unsere Bewunderung für diese Leistung verdient. Und ist zudem in guter Gesellschaft. Rund ein Drittel der Teilnehmer wird nicht das Ziel erreichen.

Wir werfen noch einen Blick ins Verpflegungszelt, das auf dem Weg zum Auto liegt. Und können immer noch kaum fassen, was die Läufer hier auf sich nehmen. Dagegen ist ja ein Marathon ein Kindergeburtstag!

Und wenn wir am nächsten Morgen nach gutem Schlaf aufstehen, laufen viele immer noch.
Und wenn wir Mittagessen haben, sind immer noch welche auf der Strecke...
Unvorstellbar!

Mit solchen Eindrücken und Gedanken nutzen wir die Rückfahrt über den Großen St. Bernhard (mautfrei) noch zu einem Zwischenstopp.
Ich will doch mal die Originale sehen.
Und die sind da oben!











Wahrhaftig hält eine Stiftung auf der Passhöhe etwa ein Dutzend ihrer Prachtexemplare.












Doch im Museum sieht man, wie ursprünglich die Ur-Bernhardiner aussahen. Der ausgestopfte "Barry III" hat noch deutlich andere, und für unseren Geschmack hundgerechtere Gesichtszüge.
Und wir erfahren (leider), dass es die Sache mit dem Fässchen um den Hals in Wahrheit gar nicht gab. Wohl haben die Hunde tatsächlich bei der Rettung von Menschen geholfen.





Blick vom Pass Richtung Schweiz.
Während wir gemütlich im Auto gen daheim rollen, laufen andere in die Nacht hinein...

16 Kommentare:

  1. Liebe Elke,

    wow, was für eine tolle Idee! Ich stehe selbst sehr gerne als Anfeurerer an der Strecke von Läufen. Aber bei einem solchen Megalauf ist es natürlich noch viel beeindruckender! Da habt ihr den Läufern viel Gutes getan! :D
    Und von den Bernhardinern hätte man mich wohl mit Gewalt wegzerren müssen! ;)

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    1. Liebe Doris,
      ja, das war wirklich nochmals eine ganz andere Sache, so mitten in dieser beeindruckenden Umgebung und dann bei solch einem Lauf einmal dabei sein zu können.
      Bei den Hunden wäre ich wohl besonders bei Welpen arg gefährdet gewesen. Aber die sind im Tal. Schöne sehr gepflegte Tiere.
      Liebe Grüße
      Elke

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  2. Irre Läufe gibt es eine Menge, und der gehört sicherlich dazu. Aber reizen würde es mich ja schon :D

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    1. Lieber Markus,
      der UTMB scheint in der Szene einen Ruf zu haben. Landschaftlich ist er sicher phantastisch, was die Belastung angeht, sicher auch. Könnte zu Dir passen, so gern Du Trails läufst :-)
      Liebe Grüße
      Elke

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  3. Liebe Elke,
    bei deinen Berichten bin ich immer ganz ergriffen und leide, fiebere und feuere die Sportler an. Großartig!
    Viele Grüße, Irina

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    1. Liebe Irina,
      danke. Und was meinst Du, wie sehr man selber mitfiebert, wenn man dort zuschaut!
      Liebe Grüße
      Elke

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  4. Das Panorama ist in der Tat eine Wucht!

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  5. Liebe Lizzy,
    ja, und wir konnten ganz gemütlich hinauffahren, während die Läufer das alles zu Fuß.... ob man da noch die Aussicht wahrnimmt und genießen kann?
    Liebe Grüße
    Elke

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  6. Ein toller Bericht mit herrlichen Bildern. Schade für Nile.
    Ich war nur 60 km vom Mont Blanc entfernt im Urlaub. Und zwar als Nachbar derer von Bernhard. In Menthon Saint Bernhard haben die Bernhardiner-Züchter ihren beeindruckenden Stammsitz: https://de.lac-annecy.com/kulturerbe/1/47260-chateau-de-menthon-saint-bernard.html
    Man kann den Mont Blanc von den dortigen Gipfeln recht gut sehen. Trotzdem haben sie ihren eigenen Ultralauf, für den man keine UTMB-Punkte sammeln muss: http://www.maxi-race.net/en/france-home-page/
    Auf dessen Spuren war ich natürlich unterwegs, auch genau dort, wo das Homepage-Foto entstand.

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    1. Das ist ja ein Zufall! Ich kannte diesen Teil der Alpen bisher nicht und fand den Mont Blanc auch sehr beeindruckend. Danke für die Links! Noch ein Ultra in dieser Region? Uns schien anhand der Teilnehmer, dass Franzosen und Italiener anscheinend großes Interesse an solchen Läufen haben. Wirklich bewundernswert, diese Leistung zu vollbringen. Ich sah mir gestern den Zieleinlauf des UTMB an, da bin ich nach einem Marathon deutlich kaputter.
      Liebe Grüße
      Elke

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  7. Liebe Elke,
    ja irre, ich halte es für eine schier übermenschliche Leistung sowas zu vollbringen :-|
    Ich war vorgestern ja bei einem "kleinen" Ultra mit 62km und 2200 HM als Supporter und muss sagen, schon das kam mir völlig verrückt vor :-))))
    Aber deine Bilder zeigen eine beeindruckende Gegend. Wunderschöne Berge.
    Liebe Grüße
    Helge

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    1. Liebe Helge,
      nun ja, Inferno ist aber auch schon eine heftige Hausnummer... Diese Landschaft empfand ich im Gegensatz zum Berner Oberland eher schroff. Im BeO hat man ja noch grün und Waldanteile, aber dort war es nur karg. Die Reize waren anderer Art irgendwie.
      Liebe Grüße
      Elke

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  8. Liebe Elke,
    also als Supporter würde ich da mitmachen. Aber starten? Im Leben nicht. Wahnsinn. Sehr beeindruckend.
    Liebe Grüße
    Karina

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    1. Liebe Karina,
      Du sagst es, Wahnsinn. Aber Du hast ja gerade den ersten Schritt in diese Szene getan, wer weiß....... ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

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  9. Liebe Elke,
    deine Beobachtungen beim TDS habe ich nun schon mehrmals gelesen und ich finde, dass du ein sehr gutes Gespür für die Läufer hast. Ich bin selber 2016 da hochgekrabbelt und habe mich an den Zurufen der vielen Zuschauer erfreut und motiviert. Das tat richtig gut, dort so empfangen zu werden. Man hat da ja „erst 36 km“ erreicht und eigentlich ist man dort so grade „warmgelaufen“, obwohl ich vorher auch schon erste Schwächen zu spüren bekam. Aber das war nichts gegen den Anstieg von Bourg Saint Maurice, bei 50 km, zum Passeur Pralognan, 2000 Höhenmeter in der damaligen Nachmittagshitze. Und da oben hat man so grade mal die Hälfte an km aber nicht die Hälfte der Gesamtstunden geschafft. Ich gerate ins Schwärmen, wenn ich das so niederschreibe. Es ziehen diese unbeschreiblichen Gefühle auf, die ich bisher so nur beim UTMB erlebt habe.
    Man merkt in deinen Beschreibungen, dass auch du das Fieber hast!
    Wir sehen und sprechen uns demnächst beim MoMa Vorbereitungslauf.
    Bleib gesund und munter
    Wolfgang

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    1. Lieber Wolfgang,
      vielen Dank für Deinen Kommentar und Dein Lob! Ja, wer selber läuft und dort nicht intensiv Anteil nimmt am Streckenrand, der hat kein Läuferherz! An diesen Tag am Kleinen St. Bernard denke ich immer wieder zurück. Schon dieser eine Anstieg ist krass, aber wenn Du beschreibst, was danach noch kommt... Menschenskinder! Unglaublich! Das muss man dann schon wirklich wollen, aber ich denke, das erfüllt dann auch ungemein und ist unvergleichlich!
      Bis zum MoMa, liebe Grüße
      Elke

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