Unsere vierte Teilnahme am Nürburgring-Lauf.
In diesem Jahr unter ganz besonderen Wettervorzeichen, und ich überlege mir schon einmal alternative Posttitel:
"Wind in den Weiden"
"Der Sturm"
"Und ewig
singenrauschen die Wälder"
"Im Auge des Hurrican"
"Vom Winde verweht"
Irgendwo dazwischen wird sich unser Lauf bewegen, denn der Wetterbericht ist noch am Vorabend unerfreulich:
Laufen bei Windstärke 8 bis 9?
Na herrlich!
Heute am frühen Morgen stellt sich zunächst alles friedlich dar. Die Sonne lacht, sanft säuselt der Wind. Und da soll ein Sturm draus werden?
Doch auf der Fahrt Richtung Eifel und Nürburgring frischt es kräftig auf, die Wolken bilden atemberaubende Gebilde, immer noch von der Sonne angestrahlt.
Am Ring angekommen, bleiben wir erst einmal im Auto sitzen. Es schüttet.
Als wir uns zum Startbereich aufmachen, haben wir Glück. Die Schleusen werden geschlossen. Obligatorisches Gruppenbild, nur Paula möchte heute nicht in die Kamera lächeln.
Knapp über 1000 Unverdrossene sammeln sich im Startbereich zum 24,4 km-Lauf über den Grand-Prix-Kurs und die komplette Nordschleife. Es gibt noch weitere, kürzere Distanzen und nach den Läufern werden sich die Radfahrer auf ihre 24-Stunden und andere Wettbewerbe machen. Wie immer campieren sie direkt am Asphalt des Rings.
Wohl wegen des Sturms gibt es in diesem Jahr keinen Start-/Ziel-Bogen. Irgendwie ein trostloser Anblick, man wünscht sich doch irgendein markantes Zeichen.
Bevor es losgeht, fallen mir 3 junge Männer mit Flaum-Bärten auf. Sie machen stolz mit ihrer GoPro auf Teleskop Erinnerungsbilder, doch je näher es auf den Start zugeht, umso ängstlicher werden sie. Kurz vorher umarmen sich alle 3 und raunen sich respektvoll zu "Nun gibt's kein Zurück mehr". Ach welch wunderbare Augenblicke vor einem ersten großen Erlebnis...
Wie immer geht es zunächst durch das Camp der Radsportler, die die Läufer mit Applaus und Worten anfeuern.
Neben mir rennen 2 Männer in den Vierzigern und diskutieren, wie man wohl den Lauf hier im Verhältnis zu einem Marathon sehen kann. Ist man Marathon-reif, wenn man das hier schafft...? Sie laufen auf eine Frau im Nürburgringshirt von 2011 auf und überfallen sie mit ihrer dringlichen Frage. Doch sie kann nicht helfen, sie hat noch keinen Marathon absolviert.
Ich kann nicht an mich halten und rufe den beiden zu, dass man klar einen Marathon schafft, wenn man das hier finishen kann. Schließlich bedeuten die Höhenmeter und das Profil eine deutlich kräftigere Belastung als 24,4 km im Flachen. Ich ernte strahlende Gesichter und ein erfreutes "Ach das baut mich auf!"
Dummerweise verpasse ich durch den Plausch die erste Wasserstelle bei km 3. Gerade noch erhasche ich einen Blick auf das Ende des Tischs und schlage einen abrupten Haken. Ich will hier jedesmal Wasser fassen, meinen Trinkrucksack habe ich bewusst nicht dabei. Das sollte heute ohne gehen.
Ach ja, mit diesem Foto kann ich kurz auf das käuflich erwerbbare Finisher-Shirt des Rings eingehen.
Zuvor wurden den Läufern 3 Varianten zur Abstimmung angeboten.
Wenn ich mich recht erinnere, in Langarmversion.
Im Programmheft wird dann wie zuvor schon im Netz stolz das Gewinnershirt präsentiert:
And the Winner is.... das Exemplar, das ich gern erworben hätte.
Wer erkennt die 3 Fehler zwischen Ankündigung und tatsächlich verkauften Shirt 2015 auf dem Bild zuvor?
Ernsthaft: Ich habe nach dem Gewinnershirt am Stand gefragt. Reaktion: "Äääähhhh. Hammwernich".
Naja, aber wir wollen ja auch laufen und nicht shoppen.
Und das macht heute Riesenspaß! Es bleibt noch trocken und die Wälder der Eifel schützen bestens vor dem kräftigen Wind. Nur manchmal kommen Böen durch.
Und hier haben wir zudem noch Wind von hinten! Rückenwind und bergab - klasse!
An die Döttinger Höhe gegen Ende, die genau gegen den Wind und exponiert liegt, mag ich lieber nicht denken... bergauf und Gegenwind droht.
Das Schöne am Ring sind die wunderbaren Perspektiven auf die Eifel und die Ruhe in den Waldpassagen. Im Gegensatz zu den rasenden Boliden können wir Läufer das auch bewusst wahrnehmen.
Das ist es auch, was den Ring immer wieder für die Teilnahme empfiehlt!
Langsam nähere ich mich Breitscheid, dem tiefsten Punkt. Hier habe ich auch den schnellsten km auf dem Konto, kein Wunder, es geht kräftig abwärts. Ich gönne mir ein Gel und nehme am V-Stand ein Wasser dazu. Nun gehts stramm bergauf. Das erledige ich lieber kräftesparend flott gehend. Zudem kommen von hinten Notarzt und Rettungswagen angerauscht, alles macht Platz.
Die nun bis zur Hohen Acht anstehenden Aufwärtspassagen nehme ich an den steilsten Stellen immer wieder gehend. Denn nach der Acht erwartet uns ja immer noch weiteres Auf und Ab. Am Ring gilt es, die Körner gut einzuteilen. Erfreulicherweise kann ich bergab jeweils Gas geben, es macht Freude, die Beine fliegen zu lassen!
Von hinten quäkt sich plötzlich Techno heran. Nanu, da hat aber einer seine Ohrstöpsel aufgedreht... Fehlanzeige, es ist eine kleine, junge, in eine Art zu knapper Wurstpelle aus neonfarbenen Komponenten gewandete junge Frau. Im voluminösen Dekolleté klemmt ihr Smartphone, mit dem sie ohne Stöpsel ihr komplettes Umfeld bedudelt. Mit ihrem nicht unfülligen Körper stampft sie an mir vorbei. Doch bald muss sie der Steigung Tribut zollen und geht ebenfalls. Dreht sich nach ihren Begleitern um, ruft ihnen demonstrativ ein "Wo bleibt ihr denn?" zu. Kurz vor der Hohen Acht sitzt einer der vielen Streckenfotografen. Man einigt sich, hier keine Blöße zuzulassen, stellt sich mit verschiedenen Gesten in Positur - und nimmt hinter dem Fotografen erschöpft auf der Leitplanke Platz. Ob sie gesehen haben, dass dahinter noch ein weiterer Fotograf vor Regen geschützt in einem Zelt sitzt und die Szene vielleicht im Kasten hat...?
Bisher war es immer noch trocken, obwohl ich mich dauernd von dunklen Wolken verfolgt fühlte. Mein leichter Windbreaker ist mir fast zu warm. Doch dann geht kräftiger Regen nieder und ich bin froh über die Jacke, die zwar kein Wasser, dafür aber auskühlenden Wind abhält.
Nach 2 Stunden will ich mir fürs letzte Stück ein Dextro-Energen-Täfelchen gönnen. Lange in meine Rückentasche ... und finde nichts. Ja hei wie dumm, liegen die doch im Auto!
Ok, nehme ich eben am nächsten Verpflegungspunkt einen Energy-Drink. Bisher habe ich zwar immer zu Wasser gegriffen, doch da es nur solches mit Kohlensäure gibt, möchte der Magen sowieso etwas anderes. Doch nichts da, am nächsten Stand nur Wasser...
Mist.
Muss ich eben so weiter.
Aber wenn man den Kurs kennt, weiß man ja, es wird nun überschaubar und ist nicht mehr weit. Bis auf die heute besonders zu fürchtende, elende, auszehrende, vermalledeite Döttinger Höhe...
Dort prangt seit diesem Jahr ein ziemlich seltenes Geschwindigkeitsbegrenzungsschild, das bundesweit nicht so oft zu sehen sein dürfte.
Und auch irgendwie davon ablenkt, dass der Wind nun von ziemlich genau vorne kommt. Alles hält sich links, da scheint es noch am ehesten erträglich.
Endlich noch ein letzter Verpflegungsstand rd. 3 km vor Ziel, MIT Energy-Drink. In der Not trinke ich auch dieses süßliche Zeug.
Ich laufe auf einen Herrn auf, dessen Trikot mich zum Augenwischen bringt. Auf seinem Rücken prangt ein Logo des Vogtland-Marathons mit Datum September 2016! Er absolviert gerade eine Regenerations-Geh-Pause, so spreche ich ihn an mit den Worten, dass er aber seiner Zeit weit voraus sei, mit dem Datum auf dem Rücken. Es erheitert ihn ein wenig in seiner Qual. Er meint, soooo hügelig wie das hier sei es aber im Vogtland bei Weitem nicht, aber man müsse ja wohl einmal den Ring gelaufen sein. Finde ich auch!
Der Zieleinlauf ist ein wenig "nackig". Die Musik kann ich nicht erkennen, vom Winde verweht sind die Töne der Lautsprecher. Es gilt, gegen die Böen zu kämpfen. Ohne Bogen lässt sich das Ziel aus der Ferne kaum erahnen. Erst die roten Matten zeigen es an. Ich kann noch wenige Läufer in einem matten Schlussspurt einsammeln, bin aber nun auch ziemlich ausgelaugt.
Mit meiner Zeit bin ich in Anbetracht des "schmalen" Trainings der letzten Wochen sehr zufrieden. Mein eidgenössischer Ehemann war fast genau eine halbe Stunde schneller als ich und hat eine neue PB am Ring erzielt.
Ich will noch rasch ein Bild vom sparsamen Zielambiente mache und sehe erst hinterher, dass ich den Einlauf von Läuferfreundin Heidrun erwischt habe!
Glücklich und zufrieden mit dem Lauf gehts Richtung Heimat. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr!
15 Grad, 24,4 km, 530 Höhenmeter, 2:38:17, (6:31 Min/km), HF 151, 7. meiner AK
Link zum Nacherleben mit Polar