Dienstag, 26. September 2023

Berlin-Marathon 2023

Das Jahreshighlight, der Berlin-Marathon, steht an. Die Bahn bringt uns mit nur 20 Minuten Verspätung in die Hauptstadt, die doch immer wieder einen krassen Kontrast zu unserem "Landleben" im Kölner Ballungsgebiet darstellt. Diesen brodelnden urbanen Dschungel zu erleben, empfinde ich als reizvoll und ein wenig erschreckend zugleich. Ich komme immer wieder gern her, und fahre nach ein paar Tagen gern wieder nach Hause.

Am nächsten Morgen, Freitag, holen wir die Startnummern ab. Wenn man 30 Minuten vor Öffnung an den Türen steht, stehen die Chancen sehr gut, rasch seine Nummer in Händen zu halten, und danach die Läufermesse besuchen zu können. Während die Startnummernausgabe dieses Jahr vergrössert wurde, erscheint uns der Expo-Teil kleiner bzw. von einigen Anbietern weniger besucht zu sein. Aber wie immer ist die ganze Stadt mit Werbebotschaften zum Marathon  übersäht.

  

Den Samstag verbringen wir gemächlich. Kurzer Besuch am Brandenburger Tor, das noch nicht ganz von den Farbresten der Klimakleber befreit wurde und gerade von einer Eltern-Kinder-Demo für mehr Bildung belagert wird. Gleich dahinter liegt der Zielbereich des Marathons, an dem die Inliner sich tummeln.



Und dann Beine hochlegen und trinken, Wasser und Limo natürlich. Abends noch Energieaufnahme bei unterhaltsamer privater Pasta-Party bei Volker.

Erstaunlicherweise schlafe ich gut und noch erstaunlicher ist mein Magen gewillt, beim Frühstück ein ganzes Brötchen aufzunehmen. So kommen wir schliesslich bei ca. 12° im Startbereich an. Es ist kurz vor 9, in einer halben Stunden startet die Elite, Chris darf 10.05 Uhr los, ich 10.30 Uhr, Berliner Dimensionen. Bei rund 47.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (und 31 diversen Finishenden) ist das auch notwendig. Trotz der Menschenmenge geht es gechillt zu. Die Zugangskontrolle ist völlig frei, keine Schlange. Es brummt wie in einem Bienenkorb, ein sehr internationaler bunter Menschenmix, alle sind gut gelaunt, locker, erwartungsfroh. Besonders das ist für mich irgendwie ein Markenzeichen dieses Laufs und fällt mir bei anderen Veranstaltungen nie derart auf.

Wohl jeder erlebt so seine Berliner Gänsehautmomente. Als ich in meinen Startblock (wie immer der letzte ganz hinten) komme, trifft sich mein Blick zufällig mit dem einer jungen Frau, die gerade ein paar Tränchen wegwischt. Wir müssen beide lachen, wissen wir doch genau um das Gefühl, das wir gerade teilen. Und auch wenn ich noch über eine Stunde Wartezeit habe, kommt keine Langeweile auf. Ich liebe es, das Treiben um mich herum aufzunehmen. Zudem gibt es ja Musik und Unterhaltung. Auf Riesen-Bildschirmen sehen wir motivierenden Bilder. Die Eliteläufer werden vorgestellt, Eliud Kipchoge erhält grossen Beifall, will er doch einen erneuten Weltrekordversuch starten. Und man ist in diesem Jahr auch gespannt, ob und was die Klimakleber als Störaktion vorhaben, die sie zuvor angekündigt hatten.




Nach den Starts der vorderen Blöcke beginnt dann auch mein Feld sich nach vorne zu verschieben, was in Berlin fast schon eine kleine Wanderung bedeutet. Und dann geht es eeeendlich los! Mit Feuersalven aus dem Startbogen gen Himmel werden wir auf die Strecke geschickt.




200 oder 300m hinter dem Start wird der linke Teil des Feldes von Ordnern plötzlich auf die rechte Seite geschickt. Orange Farbe, aha, hier war etwas. Wie wir später erfahren, wollten sich einige Aktivisten kurz vor dem Start dort festkleben, wurden aber von Sicherheitskräften daran gehindert.


Und dann nehmen wir Tempo auf, auch der letzte Teil des Lindwurms schlängelt sich durch die Strassen an der Spree, während im Ziel (liegt gleich hinter dem Start, wo wir kurz zuvor noch standen) bereits der Einlauf der Elite bevorsteht.



Bei km 7 passieren wir das Gelände von Reichstag und Bundeskanzleramt seitlich, dort läuft man weitere 35 km später wieder ein, wenn alles klappt. Das Publikumsspalier ist dicht, wohl nicht zuletzt dank des prächtigen Wetters. Inzwischen dürften es knapp unter 20° sein. Es fühlt sich herrlich an, hier und heute zu laufen.



Es folgt der Bezirk Mitte.
 



Km 11, wir streifen den Alexanderplatz und damit unser Hotel. Aber kein Gedanke an Abbiegen.


Karl-Marx-Allee und Strausberger Platz, sozialistische Architektur lässt grüssen.


Wie immer ist auch an der Strecke die musikalische Untermalung bestens. Da wird alles geboten, von Rock über Pop, Jazz, Swing, Bongotrommeleien, alles was geht. Viele Bands sind sicher angeheuert, aber auch viele kleine private Musikanten und Kneipen tragen ihren Teil bei, und sei es nur durch einen Lautsprecher am Streckenrand. Herrlich!


Schmissiger Swing der Zwanziger


Der einsame Alphornspieler gibt sein Bestes. Er scheint aber erst ganz kürzlich mit dem Erlernen des Instruments begonnen zu haben. Doch der Wille zählt!


Ein Wort zu den Getränkeposten. Berlin propagiert Umweltbewusstsein beim Lauf. Erfreut nehme ich zur Kenntnis, dass am allerersten Verpflegungsposten dickwandige dauerverwendbare Kunststoffbecher eingesetzt werden, die man in einer Reihe von Containern dann zurückgeben kann.
Doch schon ab dem nächsten Stand das altbekannt Bild. Immerhin recycelt bzw. recyclebar. Und Befüllen eigener Becher und Flaschen war auch möglich.
Allerdings - das Wasser ist sehr kalt, der erste Schluck schon gefällt dem Magen gar nicht.


Na und der "alte Holzmichel", äh Michel aus Frankreich lebt auch noch!


Ich mache es an dieser Stelle kurz. Schon ab km 16 kamen Probleme auf. Mein oller Magen... erst drückte es, dann zog er sich -gefühlt- zusammen und polterte fortan bei jedem Schritt als Felsbrocken zwischen den Rippen herum.
Tja, und nun? Ich habe ja schon Marathons aus diesem Grund gehend gefinisht, Prag zum Beispiel (2016, 2017) oder Weimar. Berlin hingegen war für mich bisher gutes Laufpflaster (2017, 2018, 2022) und in Monschau war es trotz der Höhenmeter immer ein schönes Lauferlebnis. 
Aber dann war da das Extremerlebnis in Maastricht in diesem Mai, das mir eindrücklich aufgezeigt hat, dass zwar der Kopf beim Marathon wichtig ist, dass er aber durchaus vom Körper die Grenze aufgezeigt bekommen kann. 
Meine persönliche Gretchenfrage also: Was will ich hier und heute? Ich wäge die Argumente ab und komme zum Ergebnis, dass ich die Halbdistanz in Würde absolviere und dann bei der nächsten U- oder S-Bahn den Einkehrschwung ansetze. Mein persönlicher Zielbogen ist also diesmal die Station Kleistpark.


Das Verkehrsnetz in Berlin ist für meine Begriffe sehr gut und die Startnummer ist sogar für 3 Tage kostenfreies Ticket. Schnell habe ich mich orientiert, wie ich zurückkomme. Es braucht nur einen Umstieg. Ich bin froh, dass es in den Bahnen und Bahnhöfen recht warm ist, denn nun setzt Schüttelfrost ein. Gottseidank ist der Weg von der letzten Station zum Hotel kurz, den Wind empfinde ich dennoch als unangenehm kalt.
Ein stolzer Finisher mit seiner Medaille kreuzt meinen Weg .... Mist.
Nach einer wunderbar wärmenden Dusche geht es bald wieder besser und ich kann sogar virtuell Zielluft schnuppern, im Hotel bei der Live-Sendung des Lokal-TVs. Etwa zu diesem Zeitpunkt kommt Chris dort an und Catrina hat bereits mit einer fabelhaften Zeit das Ziel erreicht.


Einige Zeit später betritt dann der erfolgreiche Teil unseres Haushalts das Zimmer, erstaunt, dass er dort nur als Zweiter eintrifft. Die Freude über seine unerwartete 3:56er Zeit steht ihm ins Gesicht geschrieben.


Tja, das war Berlin 2023. 
Meine Entscheidung war richtig. Und zu 80% geht es mir damit gut. Die anderen 20% allerdings .... die Stadt ist am Montag geflutet von Marathonis, erkennbar an Shirts, viele auch mit umgehängten Medaillen. Jeder setzt mir einen kleinen Nadelstich, auch wenn ich mich für alle über ihren Erfolg freue.
Hätte, wäre, könnte. 
Warum haben die es geschafft? HABEN DIE ETWA ALLE KEINEN MAGEN??!!
Nun denn, es ist wie es ist. Nach dem Lauf ist vor dem Lauf.

Wir geniessen noch die Zeit in Berlin, die Impressionen, das Sightseeing. Wir kommen wieder!
PS: Bei Eliud Kipchoge lief es auch nicht ganz, hüstel, nach Plan. Kein neuer Rekord, aber doch Sieg in stattlichen 2:02.
Dafür neuer Damenweltrekord von Tigst Assefe in 2:11:59!

PPS: Geschrieben auf schweizer PC-Tastatur, daher durchgängig mit "ss" statt dem B mit Kringel unten dran. 😉










Sonntag, 17. September 2023

A Little Bit of Poetry

Waldesruhe, Waldesfreude,

Der letzte lange Lauf ist heute.

Waldesfreude, Waldesruhe,

munter trippeln meine Schuhe.


Wo die Sonne eifrig brennt

es sich nicht sehr locker rennt.

Doch wo Schatten mich erfrischt,

ziert ein Lächeln das Gesicht.


20 km im rheinischen Duft,

demnächst gibt ´s Berliner Luft!

Für mich ist es des Tages Quiz:

Habe ich genügend Biss?!

Es wird sich zeigen an der Spree,

wie es ausfällt, das Resümee.


Heut' wird sich dem Lauf anschließen:

Sofa, Getränk und Kuchen genießen!

Doch vorher noch ein neues Tool,

ach wie ist denn das jetzt cool?!

Herrliche Kühle kommt vom Propeller,

ein echter After-Run-Aufheller!

Sonntag, 10. September 2023

Waldkreiseleien

Die vorletzte Trainingswoche muss unter erschwerten Bedingungen laufen. Es ist sehr warm, heute gar 31°.

Das bringt selbst mich dazu, morgens auf die Piste zu gehen. Vor dem Frühstück. Ich muss sagen, wenn man sich dann mal überwunden hat, sind es schöne Läufe in angenehm frischer Luft.

Aber für die heute anstehenden 32 km müsste ich dann allerdings schon arg früh aus den Federn. Nüchtern schaffe ich die nicht, und zwischen auch nur leichtestem Frühstück und Start müssen 2 Stunden liegen. Erschwerend kommt hinzu, dass ich auch noch einen kurzen Blick in die Live-Übertragung der Ironman-WM aus Nizza werfen möchte.

Schlussendlich komme ich gegen 8 Uhr aus dem Haus. Habe mir eine spezielle Vorgehendweise überlegt: Mit dem Auto in den Nachbarortsteil fahren, dort nur Runden im schattigen Wald an der Erft zu drehen und so das Auto alle 4 km als persönliches Verpflegungsdepot zu nutzen. Damit spare ich überdies die Laufweste, die ja auch nochmal Wärme am Körper hält, so leicht sie auch sein mag.

Gesagt getan. Es findet sich ein wunderbar schattiges Parkplätzlein und los gehts bei 18°. Als erstes eine Runde durch die sonntagsstillen Straßen. Mit Erstaunen nehme ich Veränderungen wahr. Wo doch viele Jahre ein Baubedarfshandel seine Waren feilbot, sind nun Mehrfamilienhäuser fast fertig gebaut.

Einige wenige Leute treffe ich an, letzte Nachhut der Nachtschwärmer oder Frühaufsteher? Wer weiß. Bäckereien sind jedenfalls die Hot-Spots des Morgens. 




Was ist den DAS?


Nach 6 km erster Stopp zur Wasseraufnahme. Ich lege das Shirt ab, das ich für den Anfang über meinem sehr dünnen Hochsommeroutfit trage und dann auf in den Wald. Zunächst geht es entlang der Erft südwärts, einer leichten angenehmen Brise entgegen - herrlich! Erste Herbststimmung mit zarten Frühnebelschleiern garniert den Morgen.




Meine Planung der Waldesnutzung wird allerdings bald jäh unterbrochen. Da ist doch wahrhaftig die Brücke verschwunden, die ich auf die andere Seite nehmen wollte! Skandal! Also gehts rechts statt links und ein wenig durch den dortigen Wald. Der ist zwar auch nett und schattig, aber er liegt abseits des Wassers, es fehlt diese Kühlungskomponente.



Flugs wieder zurück auf demselben Weg und die Erft anderweitig gequert. Denn auf der östlichen Seite sind die Bäume weniger hoch, dafür umso dichter und schattiger und kleine Nebenarme der Erft geben zusätzliche leichte Kühle. Der Effekt ist unglaublich. An den wenigen Stellen, an denen ich der Sonne ausgesetzt bin, steigt die Wärme sofort spürbar.
So drehe ich meine Runden, treffe zahlreiche Spaziergänger, Hunde mit Anhang, Läufer und Radler. Immer wieder witzig, wie manche Bellos aufeinander reagieren. Mal begrüßen sie sich wie alte Kumpels, mal beäugen sie sich misstrauisch, mal werfen sie sich zwecks Machtdemonstration in die Brust. 
Mir fällt ein schmächtiger Herr auf, der an seiner Leine einen sehr großen Hund führt. Bzw. umgekehrt, der Hund zerrt ihn nämlich dahin, wo er will. Da könnte man jetzt Studien treiben, wer warum welchen Hund hat...😎

Dummerweise werde ich bald an ein Versäumnis erinnert. Ich wollte mir noch die Fußnägel gekürzt haben, und nun habe ich deutlich das Gefühl, dass sich da ein Nagel in den Nachbarzeh bohrt. So was Blödes. Anfangs kann ich noch drüber hinweg laufen, aber das Geschehen im Schuh wird immer spürbarer, der Gedanke kreist, dass ich mir kein vermeidbares Problem vor dem Marathon einfangen sollte. Außerdem machen sich leider auch bald die nun herrschenden 28° selbst im schattigen Wald erschwerend bemerkbar, die dampfige Luft tut ein übriges.

Ich trete in harte Verhandlungen mit mir selber ein. Am Ende beschließe ich, die 30 km des letzten Wochenendes nochmals zu erfüllen, und die fehlenden 2 dann eben abzuschreiben. Der rechte Fuß ist dafür sehr dankbar. Daheim humpele ich erst einmal nur herum. Der Schaden scheint erfreulicherweise nicht so groß. Zudem kann ich die dritte Disziplin der Eisenmänner in Nizza mitverfolgen und auch körperlich richtig nachspüren. Besonders Frodo bei seinem allerletzten Wettkampf, den er nicht ganz wunschgemäß auf dem Treppchen beenden kann. Aber wie kommentiert Sebastian Kienle so schön: "Selbst wenn du oben alles reinsteckst, kann trotzdem unten Mist rauskommen."
Wie wahr. 
Immerhin bin ich 2 Minuten schneller auf den 30 km als eine Woche zuvor.