Es hätte noch ein wenig Luft nach oben gehabt. Aber wie das manchmal so ist. Wir waren jedenfalls angemeldet im beschaulichen Waldniel zum Jahresendlauf nach Baukastenprinzip: Man läuft in 4,2-km-Runden bis maximal Marathondistanz, jeder wie er mag, alles kann, nichts muss.
In der Woche zuvor hatte ich sogar noch ein richtig schickes Trainingsterrain, dazu später mehr. Aber dann erwischen mich irgendwelche Bazillen, Mattigkeit, Kurzatmigkeit, dicker Kopf. Doch der Infekt bleibt auf halber Strecke stehen, geht nicht richtig weg, kommt aber auch nicht richtig raus. Also schone ich mich und dann muss ich halt sehen, was in Waldniel gehen wird.
Jedenfalls spielt das Wetter mit. Bei kühlen aber teils sonnigen und trockenen Bedingungen finden sich knapp über 200 Läufer im Stadion ein. Man kann schonmal einen Blick auf die Medaillen werfen. In diesem Jahr eine Neuerung, 3D-Druck. Und natürlich in pink, entsprechend den Vereinsfarben. 😉
Pünktlich um 10 heißt es dann Start frei!
Der Rundkurs bietet von allem etwas.
Zunächst geht es oberhalb des Stadions entlang, ...
... dann an einigen ruhig gelegenen Wohnhäusern vorbei, ...
... eine kleine Anhöhe hinauf, ...
... über freies Feld ...
... wieder bergab durch eine kleine Flussaue ...
... über leicht matschige Feldwege ...
... zurück nach Waldniel ...
... durch die Hintertür ins Stadion ...
... einmal Zielluft schnuppern, am Verpflegungsstand zugreifen und auf die nächste Runde gehen.
Ich suche mir bewusst Bremsläufer aus und will hier in gar keinem Fall groß angreifen, aus Gründen. Die erste Runde fühlt sich auch entsprechend mau an. Aber erstmal reinkommen. Das Feld zieht sich bald auseinander, was das Navigieren vor allem auf den matschigen Passagen erleichtert.
War mir bei unserer Ankunft extrem kalt, hat sich das inzwischen gegeben. Die zwei, drei kleinen Anstiege trugen dazu bei. Auch die Sonne strahlt des öfteren und gibt ein wenig Extra-Motivation und Wärme.
Auf der zweiten Runde fühle ich mich ganz wohl, auch wenn ich immer wieder auf die Uhr linse. Ich bin langsam unterwegs, wie geplant.
Auf Runde 3 überlege ich hin und her. Soll ich auf 5 Runden, also Halbmarathon gehen? Oder lieber vorsichtig bleiben...?
Sicherheitshalber gehe ich die kleinen Anstiege schonmal, damit der Puls nicht ab durch die Decke geht.
Drei Runden, also 12,6 km sind absolviert. Schonmal ein guter Wert für den Tag. Runde 4, keine Frage, wird angeschlossen.
Aber da merke ich dann doch, dass es nicht so mein Tag ist, wie befürchtet. Ich ringe mit mir. Es wäre nur noch eine Runde mehr, so ein Halber heute wäre doch prima. Andererseits, was bringts, außer dem eigenen Affen Zucker zu geben? Gegen Ende der Woche steht noch ein Lauf an, den will ich unbedingt bestreiten, also nicht hier alles raushauen und dann flach liegen.
Inzwischen fühlt es sich auch zunehmend schwer an. Ich entscheide mich: Ein Stück vor mir laufen noch ein paar Läufer, das wäre ein nettes Zwischenziel, die noch zu überspurten, soviel bekomme ich noch hin, und dann ab durch den Bogen und die Sache ist erledigt. 1:51:27 für 16,9 km sind nicht mehr als ein nettes Trainingsläufchen, aber genau richtig für heute. Nur dass meine Uhr das als "Unterforderung" wertet, finde ich etwas unfair.
Chris dreht seinerseits 7 Runden, ihm fehlt auch ein wenig Training, aber er ist auch zufrieden mit dem Tag. Und das ist, was zählt.
Tja, und mein Trainingsgelände die Woche über wäre Berlin gewesen. Meine Laufkleidung war dabei. Ich hatte mir eine Woche Kultur dort gegönnt, Museen, Sightseeing, Berliner Luft schnuppern. Und was wäre da besser gewesen, als über Ku'damm, Unter den Linden zu laufen und natürlich durchs Brandenburger Tor! Aber obwohl ich mir die Zugfahrt mit Maske gönne (ich muss innerlich schmunzeln über das altbekannte Gefühl), kommt halt wie schon beschrieben etwas bei mir an. Zudem war das Wetter teils sehr regnerisch und stürmisch. Und die geplanten Museen wollte ich auf alle Fälle erleben und nicht im Hotelbett liegen.
Berlin ist jedenfalls wie immer, spannend, interessant, aufregend, vielseitig, quirlig, erschöpfend. Mein Programm (u.a. Alte Nationalgalerie, Altes Museum, Jüdisches Museum, Zoo, Museum Barberini) machte mir viel Spaß, wie auch die damit verbundenen Stadtspaziergänge. (Für Chris war die Dosis etwas zuviel, er bezirzte daheim die Katzen).
Auch konnte ich mich weiter mit Zeichnen befassen. Nachdem ich vor einer Weile einen "Urban Sketching"-Workshop besucht hatte, reizt mich diese Disziplin sehr. Zur vereinfachenden Erläuterung: Es geht dabei darum, einfach kurz und prägnant, gern im eigenen Stil städtische Motive zu skizzieren. Nicht in allen Details und ausgefeilt, sondern auf das Wesentliche begrenzt. Wie zum Beispiel eine WhatsApp-Nachricht im Vergleich zu einem handgeschrieben Brief oder eine knappe Notiz statt eines ausführlichen Aufsatzes.
Es gibt noch viel zu lernen, aber meine Anfänge gefallen zumindest mir ganz gut. 😊
Und so kam ich auch zu meinem ganz eigenen kleinen Monet (Westminster Bridge, Scharf Collection in der Alten Nationalgalerie), vom Original nur geringfügig abweichend... 😆