Montag, 30. Mai 2022

Marathon Via Belgica (MMXXII)

 AVE!

Ich hatte ja lange gegrübelt, ob ich teilnehmen soll. Einerseits: Tolles Thema! Die Via Belgica, die ja zuhause immer wieder Thema meiner Läufe ist (Z.B. Link oder Link), mal eine neue Herausforderung, und Chris würde mich unterwegs an der Strecke coachen können.

Andererseits gab es da wohl bei der letzten Austragung vor 7 Jahren Probleme (Strecke 2 km zu lang) und auf der Webseite vermisse ich einige Informationen (Wie verläuft die Route? Wo ist das Ziel?...) Aber dann wird ein sehr guter interaktiver Streckenplan aufgeschaltet (Link, > "Route" klicken), die Strecke offiziell vermessen und es organisiert ohnehin ein neuer Veranstalter. Also gebe ich mir einen Ruck. Meine kleine Ortserkundung am Start 3 Tage zuvor stärkt meine Zuversicht.

Am Morgen des großen Tages fährt mein Magen seine übliche Achterbahn. Mehr als eine Miniportion Frühstück und wenige Schlucke Kaffee sind nicht drin. Auf der Autofahrt erwischen wir bei 10° erste Regentropfen und meine Ersatz-Startnummer (Das per Post zugeschickte Starterpaket kam nicht an) endet auf -13.

Nun denn, das Thema das Laufs ist schließlich "NULLA TENACI INVIA EST VIA" (Für den Geduldigen ist kein Weg unpassierbar).

Wir sind früh am Start und prompt begegnen uns leibhaftig die beiden munteren Römer aus dem Imagefilm: 



Der Herr zu meiner Rechten läuft übrigens mit. Aber ohne Rüstung. Wie er mir erklärte, ist die doch arg schwer und hinderlich. Die beiden sind sehr begehrte Fotomodelle. Der Römer zu meiner Linken raunt mir zu, sei ich die erste Herausforderung für den Tag!


Im Ort hängen noch mehr Flaggen und Wimpel als vorvorgestern. Auch das Führungsmotorrad zieht mit seinem doppelseitigen Videodisplay manchen Blick auf sich.



Das Starterfeld ist leider klein, oder positiv ausgedrückt: Familiär. Knapp 170 Marathonis und knapp 70 Zweier- und Viererstaffeln sind dabei. Unter dem Läuten der Kirchenglocken geht es los. Ein kleines Stück durch Rimburg und dann gleich hinauf auf die erste Höhe und in die Landschaft.

Kreative DIY-Rüstung!





A propos Höhe: Der Kurs ist keineswegs holländisch flach. Wir sind hier schließlich in Limburg, dem südlichsten Zipfel der Niederlande, es wird allerhand Profil geboten:



Da tut es gut, schon bei km 4 die erste Verpflegungsstation ansteuern zu können. Doch was ist das?! Weitere römisch gewandete Bewohner! Im Ort Landgraaf liegt die höchste Stelle der Via Belgica zwischen Köln und Boulogne sur mer, man hat sogar Teile der alten Straße ausgraben können. Kein Wunder also, wenn hier die "Römerdichte" hoch ist:





Rasch geht es wieder in die grüne Landschaft Limburgs, die einen sehr großen Teil der Strecke ausmacht. Man hat es geschickt verstanden, die großen Orte auf Nebenwegen zu umlaufen. Dank der wirklich ausgezeichneten Beschilderung (es müssen hunderte Schilder sein) kein Problem.



Etwa bei km 10 der nächste V-Punkt. Was aussieht wie, äh, moderne Kunst oder Industrieterrain ist eine Skihalle! Mich ereilt ein kleiner Schock: Mein Coach ist nicht da! Was mag da los sein? Wenn er mich hier verpasst, wie finden wir uns wieder, er hat kein Internet fürs Tracking! Also nehme ich am gut ausgerüsteten Stand einen Salzkeks und Wasser und laufe erst einmal weiter.



Ca. 2 km weiter steht Chris plötzlich am Straßenrand. Das Navi war ihm nicht wohl gesonnen und als er an km 10 ankam, wartete er bis zum Besenmotorrad, machte sich dann auf die schlussendlich erfolgreiche Suche. Ab dann klappte es mit den Treffpunkten.

Coriovallum (=Heerlen) steht als nächste Stadt an. Man hat wohl einige Aktionen für die Zuschauer vorbereitet, doch das nasskalte Wetter hat anscheinend den Zulauf ausgedünnt. Zudem ist die Spitze (der beste Mann finisht mit 2:37) längst durch. Ich laufe über einen leeren zentralen Platz und leere Straßen, kann allerdings noch den Stadtriesen "Lucius" mit einigen Jüngern würdigen.


Wieder folgt malerische Landschaft, hier Schloss Terworm, eine Nobelherberge.



Bei km 21 erwartet mich Chris wieder. Bis hierhin lief es gut, nun spüre ich die Beine. Und ausgerechnet jetzt folgt der nächste Anstieg ins "Heuvelland" (Hügelland). Immerhin scheint die Sonne ein wenig. Nur dass der Wind immer stets von vorne kommt nervt ein wenig, denn hier im malerischen, aber offenen Gelände ist er spürbar.


Natürlich hat sich das Feld leider weit auseinandergezogen. Gelegentlich kann ich vor mir Läufer erspähen, einzelne überholen mich, aber ansonsten gibt es keine Kontakte unterwegs, ich laufe für mich allein.
Doch halt, immer wieder einzelne Zuschauer am Rand der Strecke mit aufmunternden Rufen. Und, was ich so noch nie erlebte, über alle 42 km immer wieder Häuser mit Fahnen geschmückt. Eine sehr nette Geste, da fühlt man sich als Läufer willkommen!


Die 6 km seit der Halbstreckenmarke vergehen schneller als gedacht. Immer wieder horche ich in mich hinein, aber außer einem gelegentlich leichten Drücken bleibt der Magen friedlich, heureka!

Es folgt Valkenburg, ein beliebtes Ausflugsziel am Flüsslein Geul. 
Hier erlebe ich ein kleines Highlight der wirklich zahlreichen Streckenposten. Die Läufer queren an einer Ampelkreuzung eine belebte Durchgangsstraße. Meine Ampel zeigt rot, rechts und links Ausflügler, Motorräder, Shoppingtouristen auf grün wartend. Die Posten schreiten ein, übernehmen das Kreuzungsmanagement und winken mir, dass ich trotz rot laufen soll, was ich ein wenig mulmig dann tue. An vielen Straßenquerungen ermöglicht man den Läufern mit solchem Einsatz reibungsloses Queren, ich verliere keine einzige Sekunde, klasse!

In Valkenburg ist der zentrale Platz belebt. Duftwolken von Kaffee und Pommes umwehen die Nase, die Straßencafés sind gut besetzt. Kein Wunder, hier wird ja auch Musik gemacht!
(Nachtrag: Einen Tag später erfahre ich, dass mir hier ein weiteres Highlight entgangen ist. Das niederländische Königspaar war in der Stadt, um sich die Wiederherstellung nach den Überflutungen von 2021 anzusehen. Danach nahmen Willem und Máxima in einem Straßencafé Platz, wo Läufer sie entdeckten und königliche Selfies machen durften.)




Am Eingang der römischen Katakomben (Nachbauten echter Katakomben in ehemaligen Mergelstollen) vorbei geht es in eine malerische Waldpassage bis km 31. Selbst hier im Forst stehen freundliche Helfer.



Einsamer Posten im Walde

Die vielen Bäume passen gerade als Schutz ganz gut, denn es setzt ein kräftiger Landregen ein. Ich lege meine dünne Regenjacke an, Auskühlung kann ich nicht vertragen.

Zu meinem eigenen Erstaunen werden die km schnell weniger. Schon bin ich am km 31, wo Chris nochmals auf mich wartet.


Ab km 32 folgt der letzte gemeine Anstieg, ein "Wadenbeißer", wie das Programm versprach. Ich spare Körner, bewege mich gehend hinauf und nutze die Chance, museale Höhlenwohnungen, bis ca. 1900 bewohnt, zu fotografieren.




Oben angekommen steht Gottseidank ein V-Punkt bereit, ich greife gierig nach Cola, das tut gut! Auf gehts, nur noch einstellige  Rest-km!

Ein Weinberg in NL!
Kurz vor km 38 erreiche ich die Ausläufer von Maastricht. Ich könnte noch einen guten Schluck Cola gebrauchen, und zack, steht da wieder jemand mit dem ersehnten Getränk im Repertoire. Das gibt nochmals Schwung.

Und dann ist das Ufer der Maas erreicht! Ich weiß, daaaa hinten bei der mittelalterlichen Servaas-Brücke ist das Ziel.



Die Brücke kommt  näher in Sicht und ich freue mich! Nicht nur weil ich auf dem letzten km bin, sondern weil es ein Problem mit der Brücke gab. Sie hat rechts einen modernen Teil, der für hohe Schiffe hochgeklappt werden kann. Und man hatte nur eine Garantie von 12.15 Uhr bis 13 Uhr, dass der in dieser Zeit NICHT hochgefahren werden würde. Inzwischen ist es kurz vor 15 Uhr...
Doch das Glück ist mir hold.


Der Zieleinlauf ist ein wunderbares Erlebnis. Ich bin ja weit und breit allein unterwegs. Aber von den Plätzen der Straßencafés an der Brückenrampe kommt Applaus, auf der geschmückten Brücke gibt es Applaus, einfach toll. Das kommt nah an den Einlauf in der Frankfurter Festhalle heran! Meine Mundwinkel können nicht anders als noch oben zu wandern.




Die allerletzte Kurve


Endlich im Ziel! Freundliche Menschen (Römer und Nicht-Römer) empfangen mich. Ein sehr schmackhaftes niederländisches Radler wird gereicht und es ergeben sich nette Plaudereien. Auch der Römer vom Start ist hier (ohne Rüstung) und genießt sein Finish.
Ich bin mit meiner 4:49 sehr zufrieden und erfreue mich an Platz 1 meiner AK, der aber schon am Start quasi gebucht war mangels weiterer AK-Konkurrentinnen.
Es bleibt trocken und wir können noch ein wenig die Atmosphäre aufnehmen.

Der Lauf war landschaftlich sehr schön, die Organisation auf der Strecke erstklassig, viele und gut bestückte Verpflegungsposten. Man hat sich sehr viel Mühe um die gesamte Veranstaltung herum gegeben. Sogar für die Zuschauer gab es einige Attraktionen unterwegs und eine eigene Landkarte mit vielen Informationen (Link). Schade, daher, dass die Teilnahme gering war. Auch wenn es ein paar kleine Knackpunkte gab (u.a. nicht genug Teilnehmershirts), hat es der Lauf verdient, dass er sich etabliert und ein größeres Feld zusammenkommt.

Wie das Plakat sagt, ich habe meinen Weg durch eine Region voller römischen Erbguts gefunden. Klar, 
NULLA TENACI INVIA EST VIA


Donnerstag, 26. Mai 2022

Hin und weg

Feiertag. Ich nutze die freie Zeit in mehrfacher Hinsicht: Mein braves altes Auto muss dringend bewegt werden, ich besuche eine mir neue Stelle der römischen Via Belgica, betreibe ein wenig Ortserkundung und etwas gelaufen wird auch noch.

Auf zum Vicus Rimburg!

Nur 50 km von Zuhause verläuft hier heute die Grenze zwischen D und NL. Natürlich gibt es Erklärungen:



Besonderes wird geboten. Das Mahnmal des Friedens: 


Auch die kleine Brücke über den Grenzfluss birgt Kunst:




Die poetischen Schildkröten gefallen mir! Zudem sind sie eine höchste elegante Verkehrsberuhigung. Diese Metallkolosse ringen jeden Autokühler nieder!








Der Ort selber ist sehr klein, in jeder Hinsicht, die Häuser, die Straßen, die Ausdehnung. Aber süüüüüß ist es hier. Die niederländische Sitte, Gardinen eher wegzulassen, ermöglicht viele Blicke in die Häuser und auf die Dekorationskünste der Bewohner. Es ist ruhig und auffallend sauber. Herrlich. 

Ich bin hin&weg und trabe eine kleine Runde.



Tempolimit für Krötenwanderung




Gleich hinter dem Ort geht es bergauf. Ja, hier in Süd-Limburg bieten die Niederlande Höhenmeter!
Und natürlich freies Feld mit Angriffsfläche für den Wind.


Es ist geflaggt für Sonntag, wow! Selbst der Heilige (Josef, Christophorus?) zeigt Flagge! Mal sehen, wie es läuft.