Nach zwei Jahren Zwangspause findet endlich wieder der Lauf statt, dessen Zieltrophäe in einer extrem schmackhaften Neujahrsbrezel besteht. (Link)
Nichts wie hin!
Die angekündigten Bedingungen sind denkwürdig: 17° - an Silvester! Dazu Sturmböen bis 65 km/h. Hat man nicht so oft.
Es geht sehr familiär und unkompliziert zu. Man meldet sich nur für die Veranstaltung an und kann unterwegs entscheiden, was man läuft. Von 5 km bis 21,1 km reicht die Palette, laufen oder walken - jede/r wie er/sie mag. Keine Zeitnahme, keine Startnummern. In den 6 EUR Teilnahmegebühr ist neben der Finisher-Brezel noch Ziel- und Streckenverpflegung enthalten. Was will man mehr!
Ein munteres Häuflein von ca. 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hat sich versammelt. Interessant, wie jede/r so die Bekleidung gewählt hat. Die meisten zu warm. Ich habe mich für 3/4-Tight und 2 Sommershirts übereinander zzgl. Ärmlingen entschieden. Chris möchte in kurz/kurz einen Halbmarathon laufen. Heidrun startet in Radlershorts plus Langarmjacke zu 10,5 km. Mein Vorhaben sind ebenfalls die 10,5 km mit Option auf 15,8 km, je nach Befinden unterwegs. Ohne Gedränge und Geschubse geht es Punkt 13 Uhr für alle gleichzeitig, doch sehr entspannt auf die Strecke auf der Kasterer Höhe. Das müsste mal überall so locker sein!
Der Anschub kommt auf alle Fälle dank der Sturmböen immer mal von hinten, Küstenfeeling! Teils kann ich mich kaum gegen extreme Beschleunigungen wehren und muss schauen, nicht vom Weg geweht zu werden.
Doch das dicke Ende folgt natürlich: Laufen wir anfangs nach Osten, mit prima Rückenwind, müssen wir ja auch wieder westwärts zurück, also gegen den Wind. Am Wendepunkt der Strecke, als dies sehr plötzlich spürbar wird, werden einige Flüche hörbar und man muss sich teils kräftig gegen die Böen stemmen. Doch Gottseidank bieten Baumreihen hier und da auch Windschatten.
Ich bin immer noch unschlüssig, ob es bei 10,5 km bleiben soll, oder ob ich eine zweite Runde auf dem hinteren Teil der Strecke anhänge, und so auf 15,8 km kommen kann. Gleich zum Ziel zu laufen würde bedeuten, länger auf Chris warten zu müssen. Und es würde die lange Zielgerade gegen den Wind beinhalten, auf die ich aber noch so gar keine Lust verspüre. Einfach eine Runde dranhängen brächte nochmal ein längeres Stück Rückenwind. Verlockend.
Ich gebe meiner Selbstversuchung nach und ignoriere die Zielabbiegung. Heißa, es macht richtig Spaß, sich nochmals vom warmen Wind treiben zu lassen! Da die meisten Läufer es bei 10,5 km belassen und schon auf dem Rückweg sind, kann ich die Einsamkeit des Areals und das Tosen des Sturms fast für mich genießen.
Doch dann nähert sich Ungemach: Regen. So lange der von hinten kommt, ok. Aber Regentropfen von vorn und vom Sturm ins Gesicht gepeitscht fühlen sich an wie Hagelkörner. Das kann ich mir auch nicht mehr als Bio-Peeling schöndenken. Ich versuche irgendwie den Kopf so zu halten, dass die Angriffsfläche klein bleibt, und bin froh, den Getränkeposten ein weiteres Mal zu erreichen und warmen Zitronentee (empfehlenswert in Kaster!) genießen zu können. Kurz suche ich Schutz im Unterstand und kann nun auch hören, dass es hier flotte Musik geboten wird. Herrlich, das gibt mir den Ohrwurm für die restlichen Kilometer und darüber hinaus:
Während ich mich versorge, läuft wahrhaftig der Grinch vom Nikolauslauf vorbei! Und kommentiert lautstark, das seien ja allerbeste Laufbedingungen. Der Kerl hat Töne!
Innerlich und akustisch gestärkt trabe ich wieder los, immer schön um die 20m hinter dem Grinch. Mein Gefühl sagt mir, dass ich wie Chris diese hintere Runde noch ein drittes Mal laufen könnte. Lust hätte ich durchaus, mich nochmals von den Böen schubsen zu lassen und mich ihnen dann entgegen zu stemmen. Aber ich sollte meine Rippen nicht zu sehr herausfordern. Also biege ich dann auch hinter dem Grinch brav ab Richtung Ziel. Noch ca. 1,5 km, gegen den Wind. Mir fällt auf, dass ich dem grünen Kerl näher komme und meine Beine Lust auf so etwas wie einen kleinen Endspurt haben. Ich schiebe mich auf gleiche Höhe wie der Grinch und ziehe dann vorbei. Er ist ein alter Kämpe und ich vermute, er will sich nicht den Schneid abknöpfen lassen. Zudem geht es nun noch eine kleine Anhöhe hinauf. Doch ich bleibe unbehelligt und kann ihn hinter mir lassen. Er scheint sein Pulver verschossen zu haben.
Ich bin mit meinen 1:38 Std für 15,8 km angesichts meiner derzeitigen Rahmenbedingungen glücklich. Rasch wechsle ich das Shirt (ohne Frösteln im Freien, wann hat man das schon im Dezember?) und fahre dann das Auto zum Ziel, um Chris in Empfang zu nehmen.
Er hatte seinerseits über viele km einen kleinen Zweikampf mit einem anderen Läufer, der ihn dann doch kurz vor der Linie um wenige Meter abfangen kann. Aber Chris ist mit seinen 1:55 Std dennoch höchst zufrieden. Heidrun ist bereits auf dem Heimweg, ihrerseits zufrieden.