Sonntag, 29. November 2020

München Halbmarathon virtuell 2020

Irgendwo musste ich hin mit meiner Laufenergie, ich fühlte mich sooo super. Der Wetterbericht versprach Sonne für Samstag Nachmittag, also nichts wie angemeldet zum virtuellen Münchner Marathon! Der kann noch bis zum 31.12. gerannt werden. 
Ein kleines Omen für das, was kommen sollte, war die in meinen Augen holprige Anmeldung. Irgendwie war das Zusammensuchen der Informationen auf der Webseite mühsam. Zum Ablauf wird mir längst nicht alles klar. Es wirkt ein wenig, wie mit der heißen Nadel gestrickt. Beispiel:

Das "Leberergebnis" zauberte wohl das Übersetzungsprogramm aus "Liveresultat" ("liver"=Leber), und "Home" ist natürlich "Zuhause". Auch lotst man mich in die Einstellungstiefen meines Handys, weil ohne bestimmte Änderungen nichts liefe. Ich vollziehe alles nach, so wie ich es laut Anleitung verstehe. Und freue mich auf so ein beschwingtes Lauferlebnis wie neulich beim virtuellen Köln Halbmarathon. Wie man sich täuschen kann...  

Samstag Morgen ruft der Gartenbauer an und will kurzfristig am Nachmittag das bestellte Kaminholz anliefern. Also nichts mit sonnigem Nachmittagslauf, früher los heißt die Devise. Doch nicht los will die App. Fordert immer wieder GPS-Freigabe, die ich doch längst gegeben hatte, und zwingt mich in eine Endlosschleife. Erst als ich aus Verzweiflung für >ALLE< Apps >IMMER< GPS-Zugriff erlaube, wird sie willig. Aber dann? Soll ich auf "Aufwärmen" gehen oder gleich "Start"? Habe dazu keine Erklärung gefunden. Wir stehen inzwischen schon länger bei 5° im Kalten vorm Haus. Also "Aufwärmen". Eine furchtbar anzuhörende weibliche Automatenstimme (Tec-Freaks der 80er hätten ihre Freude) schnarrt irgendwelche Erklärungen herunter. Keine Lust darauf, also wähle ich "Start". Und ohne Countdown beginnt die App ihre Zeitnahme. Huch, wir müssen los! Handy verstauen, Handschuhe anziehen im Laufen. Die App spielt mir "Insomnia" vor, Am Himmel über uns verziehen sich die Wolken und wunderbar blauer Himmel wird sichtbar. Na also, nun kanns losgehen!


Nach 3 Minuten plötzlich Stille im Ohr. Mist, stehenbleiben, Handyfummelei. Die App zählt weiter die Sekunden. Sch....! Laufe ich eben unbeschallt weiter. Bei km 1 meldet sich die Automatenstimme und verkündet meine erste Zwischenzeit. Aber Grammatik kennt sie nicht, sie nennt mir  "Minutes" und "Sekunds" und wird später noch "Hu-ers" ergänzen. Und sie verrät mir meinen momentanen Rang. Aber was nützt mir der? Die Prognose einer Endzeit, wie bei der Kölner App, fand ich sehr viel inspirierender.
Immerhin, es setzt wieder Musik ein! Ok, seltsame App. Aber dann schon wieder, 3 Minuten Mucke, gefolgt von Stille bis zum nächsten vollen km. Dieses seltsame System wird mich weiter begleiten. Chris erkennt einen möglichen Hintergrund: Klar, so haben 3-Min-Pace-Läufer durchgehend musikalische Unterhaltung, während alle anderen wohl animiert werden sollen, schneller zu rennen... Allerdings offenbart sich bald auch ein Vorteil: Bei weniger gefälligen Titeln ist man nach 3 Minuten froh, wenn man sie nicht mehr weiter hören muss!

Aber erst einmal werden alle meine Gedanken dazu jäh ausgebremst. Auf einem schotterigen Feldweg nach etwa 2,5 km stolpere ich und gehe auf knallharte Augenhöhe mit den Steinen, schlage mit dem linken Knie auf und mit der rechten Hüfte (Keine Ahnung, wie man so verdreht zu Boden gehen kann). Mir wird speiübel und ich muss einige Minuten verharren um mich zu sortieren. Gebrochen oder verstaucht scheint nichts, Blut fließt auch keins. Erste zaghafte Versuche ergeben weiterhin Lauffähigkeit und so traben wir langsam wieder an. Die Automatenstimme baut auch kluge Sprüche ein und verrät mir mit der Empathie einer Bahnsteigansage, dass laufen wie eine gute Tasse Kaffee sei, hinterher fühle man sich super. Ja sogar werde ich für die Wahl der schönen Strecke gelobt und dass ich gut aussehe... spätestens da entlarvt sich das System selber ;-) 

Ein Titel der Musikauswahl passt sogar perfekt zu unserer Umgebung. In tiefstem Bayerisch singt einer, soviel verstehe ich immerhin, von den Vorzügen der Landwirtschaft und dass er überlege, seinen Kühen Malzbier oder Globuli zu verabreichen.

Und back to youth soll wohl auch motivieren: Link. Nun ja. Ich sehne mich nach dem Kölner Mix zurück, der einen so richtig und durchgängig nach vorn pushte, die Münchner Auswahl ist da ... anders.


Also trabe ich eher lustlos hinter Chris her. Nach etwa der Hälfte der Strecke und vielen Minutes und Sekunds entschließt sich das Knie doch noch zur Meuterei. Den Fuß aufzusetzen mag es nicht mehr gern abfedern und ihm neuen Schwung mitzugeben auch nicht. Da muss eben rechts mehr geleistet werden. Natürlich werde ich immer langsamer, was auch sonst. Kluger Spruch ins Ohr "Laufen ist zu 90 Kopfsache, der Rest ist mental." "...oder Knie" ergänze ich still vor mich hin.
Ach wie öde kann laufen sein! Jammern nützt aber auch nicht viel, denn wir sind mitten zwischen den Äckern, heim muss ich ohnehin zu Fuß. Gelegentliche Gehpausen müssen eingeschoben werden.


Das tolle Schauspiel am Himmel kann da kaum trösten. Bei km 16 verkündet mir eine Herrenstimme, dass es noch 3 km sind bis zum Ziel. Hm, ich würde da anders addieren. Tun sie in München auch, denn bei km 18 sollen es nochmals nur noch 3 sein. Diesmal glaube ich das, würde aber am liebsten nun eine Abkürzung zum Ziel nehmen...
Ein letzter Funke Kampfgeist flackert auf und treibt mich, wenn auch nicht mit Endspurt, so aber immerhin bis zum Ende. Da gerade wieder Stille bei der App herrscht, fährt mir die plötzlich einsetzende tosende Fanfare dermaßen in die Glieder, dass ich einen Schrei loslasse. Chris dreht sich erschrocken um, und wähnt mich schon wieder am Boden. Ich laufe keinen Schritt weiter, Gottseidank ist die Haustür nur 100m entfernt. 2 Hu-ers, 12 Minutes und ein paar Sekunds.
Gerade rechtzeitig, um das Kaminholz entgegenzunehmen.

Das hätte ich mir nun ganz anders vorgestellt! Da die Münchner Medaille und Finishershirt erst hinterher schicken, weiß ich gar nicht, ob ich mich darauf noch freuen soll. So einen verkorksten Lauf will man eigentlich nur streichen und in den Orkus des Vergessens schicken. Hinzu kommt, dass diese Version virtuellen Wettkampfs mir absolut nicht gefallen hat im Vergleich zur kölschen Variante. Ok, wenigstens haben sie etwas versucht anzubieten. Und unterwegs gabs auch keinerlei Sponsorensprüche. Und gegen Ende wurde auch die Münchner City und das Stadion erwähnt. Und man könnte, wenn man wollte, nochmal laufen und so das Ergebnis verbessern.

PS: Die Hüfte wird zwar nun bunt, muckst sich aber überhaupt nicht. Das Knie sieht aus, als wäre eine rote Scheibe draufgesetzt, ist aber auch weniger schlimm als befürchtet. 

Unkraut vergeht nicht.

Automatenstimmen mag ich dennoch länger keine mehr hören.

Sonntag, 22. November 2020

November ohne Zwiebeln

Derzeit fühle ich mich in ziemlich guter Laufform, fast schon verdächtig.

Ein vor einigen Wochen durchgeführter ärztlicher Check ergab beste Werte, wunderbar. Auch Eisen ist ok. Nur 2 Vitamin-B-Werte passten nicht zusammen, einer ist zu niedrig. Ob ich vegetarisch esse, will die Ärztin wissen. Das kann ich zwar nicht zu 100% bestätigen, aber mein Fleischkonsum ist definitiv seeeehr gering. Also nehme ich nun ein entsprechendes Präparat und vielleicht hat das nun solche Wirkung.


Heute laufe ich in einen trüben Novembersonntag hinein. Mein Ziel ist das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Locker-leicht bin ich nach 8,5 km dort. Es gibt ein Wasserschloss (nein, nicht mein Elternhaus!), heute Museum, Restaurant, Traumöglichkeit.

Früher Ort einiger Kindheitsaktivitäten, vor allem im Park. Aber wehe, der Schlossverwalter entdeckte uns!


Wenn der Winter kalt genug war, hatten wir auf dem Schlossgewässer unsere Eisbahn. Welch ein Spaß!


Ein "usseliger" Wind weht und es ist nasskalt bei 9°. Mir kommt in den Sinn, dass ich eigentlich jetzt gern in unserer FeWo wäre, weil in Bern morgen, am Montag der berühmt berüchtigte "Zibbelemärit" (Zwiebelmarkt) wäre. Leider erst zwei- oder dreimal hatte ich die Gelegenheit, dorthin zu gehen. Denn man muss in aller Herrgottsfrühe dort sein. Diesen Markt kann man sich vorstellen als Mix aus Weihnachtsmarkt (es gibt Glühwein), Karneval (Konfetti und Plastikhämmerchen sind Grundausrüstung) und die Wiener würden abgewandelt wohl sagen "Alles Zwiebel", denn es gibt wirklich Zwiebeln en masse und vor allem in unglaublichen Varianten zu kaufen:



Frühes Anrücken hat den Vorteil, dass man noch etwas sehen kann, bevor man nur noch willenlos von der großen Masse Mensch an den Ständen entlang geschoben wird. In acht nehmen muss man sich vor den Spaßmachern, die einem Konfetti in den Kragen oder ins Getränk werfen wollen, oder mit kleinen Plastikhämmerchen -schmerzfrei- auf den Kopf hauen. Wie ich las, waren ca. 50 Tonnen Zwiebeln für den Markt vorgesehen, die nun ihre Abnehmer auf anderen Wegen finden müssen.    





Nun ja, 2020 eben ohne Zwiebelmarkt. Auch ohne Weihnachtsmarkt. Aber nicht ohne Stollen. Den habe ich gestern geknetet und gebacken und heute schmeckte er schon bestens. Der Advent kann kommen!

Montag, 16. November 2020

Maß-nahme

Für den langen Sonntagslauf baue ich mir ein paar Höhenmeterchen ein. Die ersten sammle ich im Nachbarortsteil. Dort "erklimme" ich den Postberg, bringt immerhin 42 Höhenmeter am Stück. Und den Blick auf ein Vorzeigeprojekt der DB, Deutschlands erster grüner(=klimaneutraler) Bahnhof (Link). Gibt es sogar als Bausatz für Modelleisenbahnen. Und wenn dann mal die Züge auch pünktlich fahren, mit allen Waggons dran, ist der geneigte Fahrgast rundum zufrieden.
Am oberen Ende des Postbergs treffe ich nochmals auf ein Bahnrelikt, eine Minilok, die in einer lokalen Sandgrube fuhr.




Danach gehts hügelabwärts. Hier spüre ich sehr deutlich den stürmischen Wind, der aber trotz kalendarischem November bei 16°  nicht wirklich unangenehm ist.


Lucky Luke in Rost

Ein Zwischenziel ist das Marienfeld. Hier will ich schonmal Maß nehmen für den Advent. 2014 stieß ich erstmals auf einen kleinen wildgewachsenen Nadelbaum, der sich eine treue und stetig wachsende Fangruppe erarbeitet hat. So sah er 2014 aus:


Inzwischen reicht er an 3 m heran und auch die letzten 3 Hitzesommer konnten ihm scheinbar nichts anhaben. Ich freue mich schon, ihn demnächst wieder adventlich dekoriert zu erleben und habe auch schon eine Idee für ein eigenes kleines Schmuckstück.


Wie stürmisch es ist, zeigen die Wellen auf dem ansonsten immer friedlichen Boisdorfer See.



Aufruf unter einer Brücke am Rande des Marienfelds. Ich würde ja hoffen, die zahlreichen Spaziergänger halten sich dran, aber das Anleinen von Hunden ist weiterhin trotz Naturschutzgebiet ein Problem. Oder ob es so viele Analphabeten gibt, die die entsprechenden Schilder einfach nicht zu lesen vermögen...?


Ein weiteres neues Schild finde ich am Wegesrand. Eine neue Radroute wurde ersonnen, die in einem grünen Band bis an den Rhein führt. Wäre mal ein Projekt für den Sommer.


Nach Natur noch ein Abstecher nach Kerpen. Dort laufe/radle ich immer wieder gern die Bachstraße entlang. Sie hat ihren Namen vom Bach, der mittig fließt. Leider nicht mehr sichtbar, denn er wird heutzutage unterirdisch geführt. Auch mussten viele alte Gebäude neuerer Bebauung weichen. Aber es sind hier noch einige Häuser und Winkel erhalten, die ein wenig erkennen lassen, wie es hier früher aussah.




Ein wenig erstaunt bin ich, wie gut es läuft. Mein persönliches Maß ist immer, ab wann verstärkt Begierde nach speziellen Getränken einsetzt. Heute ist es erst bei km 16 der Durst auf ein schönes kühles Radler. Ob da die Rurseerunde  des letzten Wochenendes einen guten Trainingsschub gebracht hat? Nach 20,5 km und 2h15 komme ich jedenfalls sehr zufrieden zu Hause an. Überhaupt entwickelt sich der November hinsichtlich der Lauf-km zu einem der besten Novembermonate ever.



Freitag, 13. November 2020

Der theoretische Martinslauf

 

Theoretisch wäre er heute gewesen, der Martinslauf, 3. Austragung. Ein 10-km-Lauf, der luxuriöserweise rund um unser Wohnviertel führt. Start/Ziel keinen halben km von der Haustüre entfernt. Natürlich wurde das Event aus C-Gründen abgesagt. Was aber nicht heißen soll, dass wir nicht zu zweit (jedenfalls am Anfang) die Strecke machen, schließlich sind wir angemeldet!

Also finden Chris und ich uns bei laufadäquater Dunkelheit und 13° am Start ein. Und dann geht es los, 3 Runden zu 3,33 km immer um den Pudding rum.


Da Chris die Route nicht kennt, muss er die erste Runde mit mir verbringen. Etwas weniger als die Hälfte der Strecke führt über Straßen und Gehwege, das meiste über Spazierwege in einem Grünstreifen, auf denen wir Zickzack um Gassigänger laufen. Ganz schön anstrengend, die ersten km! Zudem sind wir dummerweise beide zu warm angezogen.


Bei der zweiten Runde läuft Chris auf Sichtweite, oder besser ausgedrückt: Er gewährt mir die Güte, dass ich ihn immer noch ein Stück vor mir sehen kann. Aber mithalten ist nicht. Sieht sicher lustig aus: Frau verfolgt rennend ihren Mann durch die Straßen des Ortes.


Auf der dritten Runde gibt er Gas und ist entschwunden. 
Ich staune, wieviele Kinder und Jugendliche sich im dunklen Spielareal der Grünanlage gruppenweise aufhalten. 
Aus einer Ecke schallt ein helles Stimmchen herüber: "Ich f*** deine Mutter, du H****sohn!" Na das Knäblein hätte ich gern bei Licht gesehen! Ob er das auch beim Martinsumzug gerufen hätte...?



Am Ende sind es bei mir 57 Minuten. Dafür, dass keinerlei Rennatmosphäre herrscht, bin ich sehr zufrieden. Chris war rund 3 Minuten schneller, auch ok wegen der ersten langsamen Runde zu zweit.