Sonntag, 7. Juli 2024

Vermögen, Streicheleinheiten und eine Bubble

Auf und ab, beim Wetter, auf den Straßen durchs Bergland und bei meiner Laufform.

Bei zwei Läufen tue ich mich arg schwer, muss mich dem Kirchhügel erneut geschlagen geben.  Ist es die Wärme, die teils schwüle Luft? Zu wenig getrunken? Müßig, einfach durchplagen.

Dafür werde ich heute belohnt. Es ist herbstlich bei 14°. Und  plötzlich ist der Knoten auf.

Blick vom Balkon
Es läuft locker und ich nehme mir den Kirchhügel vor. Wäre doch gelacht. Mit Anstrengung, aber immerhin laufend schiebe ich mich Meter um Meter hinauf der Kirche entgegen. Von links nähern sich auf einem horizontalen Weg 3 Radler. Aus dem Augenwinkel nehme ich war, dass sie mein Tun beäugen. Mein Geist ist mit anderem beschäftigt. Mit der inneren Diskussion zur Frage, wann Schnaufen in Röcheln übergeht und ob ich mich schon im letztgenannten Stadium befinde.

Kurz vor dem höchsten Punkt treffen wir zusammen. Das Radlertrio könnte altersmäßig Großvater, Tochter und Enkelin sein. Die Tochter, ihrerseits schlank und sportlich gewandet, nickt mir vorbeifahrend anerkennend zu und ruft "Ihr vermögget seckle!" ("Sie können echt laufen!"). Wie nett! Es gelingt mir, ausatmend meine knappe Luft mit den Stimmbändern zu koordinieren und ein "Danke" abzusetzen. Das Lob hilft, dann auch die letzten Meter bis zum Plateau bei der Kirche nicht nachzulassen. Noch besser, der ältere Radler hat arge Mühe mit dem letzten Stück und verfällt in Zeitlupenzickzack, so dass ich mit meinem zugegeben auch nur marginalen Schwung noch an ihm vorbeiziehen kann.

Auch wenn die Wolken tief hängen, ich habe richtig Lust, heute eine etwas längere Runde zu drehen. Es werden am Ende 14,5 km mit 160 Höhenmetern. Kurz vor unserer Wohnung wird derzeit eine Brücke saniert. Und mit dieser wunderbaren schweizer Präzision wird auf die ohnehin gut sichtbare Ampel hingewiesen. Bis dorthin sind es 52 m, nicht 51, nicht 53, nein 52 sind es. 😊

Kurz vor der Haustür will Hofpony Calipo, schon 17 Jahre alt aber unvermindert frech,  seine Streicheleinheiten. Ja gerne doch!

Ansonsten hatten wir in der Woche ein besonderes Erlebnis, eine Bubble-Übernachtung. Dazu ging es nach Graubünden, ins Val Lumnezia nach Lumbrein. 4 Stunden Autofahrt über Berge und Pässe, kurzweilig.

(Ab hier nichts Läuferisches mehr, nur noch ein wenig Sightseeing)

Wir schrauben uns durch Nebel den Susten-Pass (2224 m ü.M.) hinauf, gerade erst nach der Winterpause eröffnet. Auf der anderen Seite ist das Wetter besser:

Susten in Wolken

Abwärts Richtung Wassen

Hinter Göschenen geht es erneut hinauf. Während der moderne Verkehr unten durch den Gotthardtunnel braust (oder sich davor staut) nehmen wir die alte Route zur Passhöhe hinauf, entlang der Reuss.
Dabei passiert man die Schöllenenschlucht. Diese spektakuläre Engstelle ist die strategisch wichtige Schlüsselstelle zum Gotthard-Pass. Schon ab ca. 1200 versuchte man, dieses natürliche Hindernis passierbar zu machen, bald wurde eine erste Holzbrücke gebaut. Diese "Teufelsbrücke" wurde später durch steinerne Versionen ersetzt. Das Tosen des Wassers und vor allem der dadurch erzeugte Wind sind wirklich spektakulär. 




Da sich die schweizer Armee im Verteidigungsfall die Sprengung der Brücke offenhalten, zugleich aber natürlich gleichwohl die Passage der Engstelle für eigene Streitkräfte ermöglichen wollte, hat man einen Tunnel durch den Fels gezogen. Diesen Gang kann man heute erkunden.



In Andermatt verlassen wir noch vor der Passhöhe die Gotthardstraße und gönnen uns am Oberalppass (2044  m ü.M.) einen köstlichen Apfelstrude, zu schweizer Preisen (2 Cappuccino, 2 Strudel - 35 EUR).


Wir sind schon sehr neugierig auf unsere Unterkunft für eine Nacht. Endlich gelangen wir nach Lumbrein, in den Weiler Silgin, zur politischen Gemeinde Lumnezia gehörend. Hier endet die ohnehin schon enge Straße.

Daaaaa liegt die Bubble


 Noch genau 9 Menschen leben hier.


Öff. WC im kleinen Anbau neben der Scheune links



Und dort steht sie, die Bubble für die Nacht. Beworben werden diese in der Schweiz schon an einigen Stellen vorzufindenden Plastik-Iglus mit dem Schlafen unterm Sternenhimmel...


Doch zunächst ein kleiner Spaziergang in den Nachbarweiler Surin (30 Einwohner), über eine lustige Hängebrücke.



Dort befindet sich Crestaulta, ein Hügel, auf dem in den 1930'er Jahren eine bronzezeitliche Siedlung teil-erforscht wurde. Natürlich muss ich dorthin, auch wenn es nicht viel zu sehen gibt.

Crestaulta, Siedlungshügel mit hinaufführender Rampe
Gottseidank haben wir bei der Familie, die die Bubble und auch eine "Bäsäbeiz" (=Straußwirtschaft) betreibt, ein Abendessen (mit eigenen Hofprodukten) vorbestellt, denn die Restaurantdichte ist hier eher dünn. Dabei erfahren wir auch einiges über deren Leben und die Tiere ihres Bauernhofes.

Tja, und dann wird das Wetter so, wie angekündigt. Wolken sind aufgezogen, nichts ist mit Sternenhimmel... Nachts werden es unter 10°, sanft tröpfelt der Regen herunter. Ansonsten ist es still, absolut still. Außer dem Rauschen der Bergbäche hört man nichts, kein Auto, noch nicht einmal Kuhglocken, die stehen alle auf den Alpen oberhalb.

An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Bubble ungeheizt ist. Daher haben wir vorsorglich noch eine Winterbettdecke zur vorhandenen Ausstattung mitgebracht, auch warme Socken und Kleidung für die Nacht. Unter dieser Zwiebelprinzipbettung froren wir wahrhaftig nicht.
Außer, man muss mal raus des nachts... Ich sollte hier noch einflechten, dass ein öffentliches WC 150 m entfernt lag, sehr einfach aber zweckmäßig ausgestattet. Nochmals 100 m weiter dann ein wirklich gutes WC mit Dusche der Betreiberfamilie.


Am Morgen sind wir von Wolken umgeben. Wenigstens können wir im Trockenen zum Frühstück gehen. Ein wenig schade, wir hätten es uns anders gewünscht. Aber ein Erlebnis war es auf alle Fälle!
Wettermäßig werden wir uns verbessern, wenn es bald weitergeht nach Südfrankreich. 😀🌞


10 Kommentare:

  1. Liebe Elke,

    weil das mit der Bubbleübernachtung - ich war ganz gespannt darauf, was gleich kommen würde und was das ist - irgendwie schräg und witzig ist, fange ich kommentierend hinten an. Denn die Phantasie gaukelte mir sofort vor, wie einen nachts und morgens neugierige Tiere umschleichen, die diese Menschenbubbles als Unterhaltungsshow sehen :o) Aber dazu war das Wetter wohl leider nicht gut genug. Schade auch für Euch - für ein mögliches nächstes Mal drücke ich die Daumen für einen Bubble-Sonnenaufgang aus dem modernen Märchenbuch ;)

    Die Landschaft dort mit den gewagten architektonischen Konstrukten ist ein Träumchen! Es wundert mich immer wieder, wie Menschen in solchen Landschaften an Kriege überhaupt nur denken können (bzw. konnten) - geschweige denn, sie dort zu führen. Verrückt!

    Zu den Preisen des Apfelstrudels fiel mir sofort ein: das geht auch ohne Schweiz in den Bergen. In der Tutzinger Hütte hat eine Portion Kaiserschmarren (ich habe ihn mir nicht aus preislichen sondern aus kalorischen Gründen versagt) auch fast 14 Euro gekostet (irgendwas zwischen 14 und 15 Euro … ich weiss die Centzahl nicht mehr).
    Aber wenn man die Transportwege und Umstände bedenkt, das Zeug dorthin zu karren (die Hütte hat einen Lastenaufzug aber keinen Straßenzugang) und Menschen dazu zu motivieren, dort Jobs auszuüben, dann kommt zumindest mir das fast günstig vor.

    Gespannt darauf wartend, welcher Art Berichte aus Frankreich hier auftauchen werden grüßt

    Lizzy

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Lizzy,
      mir war in der Bubble gar nicht bange um Murmeltiere, Füchse oder andere nächtlichen Besucher. Aber vielleicht haben wir deren Besuch sogar verschlafen...
      Den Kaiserschmarrenpreis kann ich angesichts der Anlieferumstände noch nachvollziehen. Der Oberalppass ist per breiter Straße erreichbar und mit Skiinfrastruktur bestens erschlossen. Aber egal, wir hatten Appetit drauf.
      An der Schöllenenschlucht ist noch ein riesiges Denkmal für die russische Armee, die da mal vor viiielen Jahren mit den Franzosen gerungen hat. Österreicher hingen auch noch mit drin. Um was es genau ging, weiß ich aber nicht. Ja, kann man sich kaum vorstellen.
      Frankreich wird lavendellila... ;-)
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  2. Liebe Elke
    Ah, hier sind jetzt also die Fotos dieser verlassenen Gegend - wunderschön! Irgendwie gefällt mir die Stimmung mit dem bedeckten Himmel - es passt gut zu den massiven Bergen.
    Auch die Reise dahin über den Gotthardpass ist sehr eindrücklich.
    Hast du gesehen, den roten Teufel links beim Tunneleingang? Wir hatten diese Legend so oft in der Schule, ich bin immer noch ganz fasziniert davon, insbesondere vom riesigen Teufelsstein.
    Ich find's super, dass ihr euch auf dieses Bubble-Abenteuer eingelassen habt - man muss ja doch recht weit aus der Komfortzone raus. Aber es ist eine gute Erinnerung daran, dass all die Annehmlichkeiten um uns herum nicht selbstverständlich sind.

    Geniesst das wärmere Frankreich!!

    Liebe Grüsse aus dem kühl-bedeckten Zürich!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Catrina,
      auf der Hinreise hatten wir nach dem Susten wirklich bestes Wetter, um die Landschaft bewundern zu können, es hätte nur einen Tag länger halten sollen...
      Den Teufel habe ich gesehen und Chris waren Brücke und Sage natürlich bekannt. Mir eher weniger. Aber wenn man diese Stelle sieht, wird das nochmal sehr vorstellbar.
      Die Bubble war mal was ganz anderes, dank dem haben wir auch mal eine ganz andere Gegend und nette Leute kennengelernt.
      Wir freuen uns auf Frankreich!
      Liebe Grüße aus dem heute sommerlichen Tor zum Berner Oberland!
      Elke

      Löschen
  3. Liebe Elke,
    ha! Der Kirchhügel (und ein Radler) sind besiegt und da sieht man mal wieder, wie motivierend so ein netter Zuspruch doch wirken kann! Aber gelaufen bist du selbst und ob du jetzt dabei schnaufst oder röchelst, fragt hintenraus keine mehr! ;)
    Oh und jetzt hat es geklappt mit der Bubble-Übernachtung! Du hast diese tollen Schlafstätten ja hier schon mal vorgestellt. Wie schade nur, dass euch der Sternenhimmel verwehrt blieb. Aber das Erlebnis "draußen" zu sein und die Umgebung, Witterung und eventuelle tierische Besucher so direkt zu erleben, blieb ja trotz der Wolken. Und wenn das ganze in einer so wunderschönen Gegend, quasi am Ende der Welt (bzw. Straße) stattfinden kann - umso schöner! :D

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Doris,
      Der Zuspruch und auch das läuferfreundliche Wetter haben sich wirklich positiv bemerkbar gemacht.
      Und an die Bubble werden wir noch länger zurücksenden, auch wenn da das Wetter uns leider nicht so freundlich gesonnen war.
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen
  4. Den Kirchhügel zu bezwingen war also doch "nur" eine Frage der Zeit. Wäre ja auch gelacht.
    Ich schaue etwas neidisch auf die Fotos von eurem Weg zur Bubble ... jedes Bild eine Postkarte, total umwerfende Gegend dort. Sogar das öffentliche WC ist fotogen.
    In so einer Bubble haben mal Bekannte von mir übernachtet, bei Gewitter. Das war wohl spektakulär :-) Sternenhimmel wäre natürlich toll für euch gewesen, aber das kann man sich halt leider nicht aussuchen. Trotzdem eine äusserst spannende Übernachtungsmöglichkeit.
    Weiterhin schöne Urlaubstage und liebe Grüße!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Oliver,
      Das öffentliche WC war natürlich witzig, innen sogar mit Papier, Seife, Handtuch, WC-Vorleger. Ich habe dennoch lieber auf ein Foto davon verzichtet....
      Unwetter wäre etwas, was mir dort in der Bubble Angst eingebaut hätte. In diesem Fall soll man sich auch im Haus der Besitzer in Sicherheit bringen.
      Ja, schade wars um die fehlenden Sterne, was aber eben auch nicht zu ändern ging.
      Liebe Grüße, Elke

      Löschen
  5. Liebe Elke,

    geschafft! Glückwunsch zum erfolgreichen Erklimmen des Kirchhügels im Laufschritt mit wohlwollendem Kommentar einer Einheimischen! Da ist doch das Auf- und Abschwellen der Laufform egal, du hast es eingetütet!

    Richtig toll sind die spektakulären Bilder der Traumlandschaften dort in der Schweiz und von eurem Trip zur Bubble! Vielen Dank! - Die Legende über den Teufel musste ich natürlich gleich mal nachlesen. Sind doch ganz spannend solche alten Erzählungen!

    Ob ich mich allerdings in so ne Bubble legen möchte, irgendwie weiß ich damit noch nichts anzufangen?! - Einen sternenklaren Himmel habe ich oft am Lagerfeuer sitzend erleben können, oder bei meinen Nachtläufen. Natürlich ist das im Gebirge nochmal etwas anderes, aber da würde ich dann lieber biwakieren, eine gute Ausrüstung hätte ich, kalt wird mir eh nicht so schnell, bei Regen hilft ein Tarp ... nur bei Gewitter ...! - Schade, dass es euch nicht vergönnt war!

    Genießt euren Trip nach Südfrankreich und dann den Aufenthalt und das Wetter dort!

    Liebe Grüße Manfred

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Manfred,
      Danke, ja es ist immer wieder schön, wenn ein Knoten platzt. Nun fehlt nur noch das Rezept, dass das so bleibt. Immerhin konnte ich inzwischen in südfranzösischer Landschaft anknüpfen 😀
      Die tolle Schweizer Landschaft hat die fast 4 Stunden Fahrt zur Bubble abwechslungsreich gestaltet. Meins wäre wiederum biwakieren nicht so. Aber diese Blase war mal ein interessantes kleines Abenteuer.
      Liebe Grüße
      Elke

      Löschen